Obwohl es schon immer und überall auf der Welt Mythen gab, in denen Wesen Blut tranken, von den Toten zurückkehrten oder sich in Tiere verwandeln konnten, wurde die Kreatur, deren Name aus dem Slawischen stammt und so etwas wie “geflügeltes Wesen” bedeutet, in den Karpaten geboren. Das ist eine Bergregion in Südosteuropa, die sich unter anderem durch Polen, die Ukraine, Rumänien, Serbien, Kroatien und Ungarn zieht. 1672 findet sich dort die erste niedergeschriebene Erwähnung eines angeblichen Vampirs.

Vampire als Sündenbock: Vampir-Geschichte

Wie im Volksglauben üblich, war das unheimliche Wesen ein aus dem Grab wieder herausgekletterter Verstorbener, der für sämtliches Unheil im Dorf verantwortlich gemacht wurde. Vampire dienten als Sündenbock für ungeklärte Todesfälle, für den Ausbruch von Krankheiten, Missernten oder sonstiges Unglück. Als Beweis für die Wiederauferstehung wurden Auffälligkeiten am Grab genommen: ein umgekippter Grabstein, ein schiefes Kreuz, ein Loch im Boden (das wohl eher ein Tier verursacht hatte).

Eine Variante des Vampirs, der „Strigoi“, galt dabei schon zu Lebzeiten als verflucht. Praktische Gegenstände als Grabbeigaben sollten eine Rückkehr des Toten von vorneherein verhindern. Gelang das nicht, musste der Tote mit vertrauten Mitteln ein zweites Mal (und diesmal endgültig) ins Jenseits befördert werden: durch Verbrennen des Leichnams oder das Rammen eines Eisens ins Herz des Vampirs.

Das Blutsaugen als Hauptmerkmal war zu Beginn übrigens gar nicht das Entscheidende, sondern die Tatsache, dass die Toten ihre Gräber wieder verließen. Das Trinken von Blut als lebensspendende „Nahrung“ wurde erst in der Vampir-Literatur zum dramatischen Repertoire der Kreaturen. Was aber von Beginn an zu ihren Fähigkeiten gehörte, war die Verwandlung in Tiere, vor allem in Fledermäuse und Wölfe. Eigentlich kein Wunder, dass irgendwann ein Autor auf die Idee kam, diese faszinierend-schaurigen Mythen in eine Vampir-Gruselgeschichte einzubauen.

Der erste Vampir in der Literatur

Und so war es der Engländer John Polidori, der 1816 in einer Villa am Genfer See unter legendären Umständen die erste Vampirgeschichte der Weltliteratur verfasste. Nach einem Vulkanausbruch in Indonesien war das Weltklima durcheinandergeraten: Der Sommer fiel weitgehend aus, und auch am Genfer See regnete und gewitterte es ständig. Dort hatte sich eine illustre Gesellschaft versammelt: der Dichter Percy Bysshe Shelley, seine zukünftige Frau Mary samt Stiefschwester, der Romantik-Dichter Lord Byron - sowie sein Leibarzt, John Polidori, der doch so viel lieber Schriftsteller sein wollte und mit einer Dokumentation der Reise beauftragt war.

Aufgrund des grauenvollen Wetters im Haus festsitzend (und da der Schauerroman gerade en vogue war), einigte man sich auf einen Wettstreit: Jeder Anwesende sollte eine Gruselgeschichte schreiben! Nur zwei brachten schließlich etwas zustande - und schufen Unvergessliches: Während Mary Shelley Frankenstein und sein Monster heraufbeschwörte, schrieb Polidori die Novelle The Vampyre und gilt damit als Urheber des modernen Vampir-Mythos.

The Vampyre and Other Short Gothic Tales

Sein Vampir mit Namen „Lord Ruthven“ war keine verrohte Bestie, sondern ein Gentleman und gefährlicher Verführer, der Frauen heimsuchte und verschwinden ließ. In der Novelle kommt ihm sein Reisegefährte auf die Spur: Er wird gejagt und getötet – um dann aus dem Grab wieder aufzustehen und unter anderer Identität erneut aufzutauchen. Das Unheil geht von neuem los.

Der Roman "The Vampyre" feierte großen Erfolg - wohl auch, da zunächst irrtümlich unter Byrons Namen veröffentlicht - und trat eine Welle von Vampir-Geschichten los. Die vielleicht wichtigste davon war Carmilla von John Sheridan Le Fanu, einem Iren. Die Kurzgeschichte um eine weibliche Blutsaugerin enthält eindeutig lesbische Anklänge, aber vor allem etablierte sie Elemente, die typisch werden sollten, wie das Schlafen im Sarg, die Angst vor christlichen Symbolen, die Fähigkeit durch Wände zu gehen und das Abtrennen des Kopfes. Noch wichtiger aber: Le Fanus Novelle wurde zur Steilvorlage für den berühmtesten Vampirroman der Welt: Dracula von Abraham “Bram” Stoker.

Carmilla

Der Vampir schlechthin: Dracula

Es war das Jahr 1897 als der Ire Bram Stoker jenes Wesen erschuf, das zur Ikone wurde. Loses Vorbild für Graf Dracula soll der rumänische Fürst Vlad Tepes, Beiname “Draculea” (= “Sohn des Drachen”) gewesen sein, der für seine Grausamkeit bekannt war und Gegner durch Pfählung hingerichtet haben soll. Stoker gab dem aristokratischen Vampir sein Zuhause ebenfalls in Rumänien, in einem düsteren Schloss in Transsilvanien.

Dracula

Die Vampirgeschichte dürfte bekannt sein: Der englische Anwalt Jonathan Harker gerät zunächst in die Fänge des unheimlichen Grafen und seiner weiblichen Vampirbrut, kann aber fliehen. Als Graf Dracula nach London übersiedelt und dort zuerst Lucy, die Freundin von Harkers Verlobter Mina, heimsucht und dann Mina selbst in höchster Gefahr schwebt, versucht Harker den Blutfürst gemeinsam mit einem Vampirjäger zur Strecke zu bringen.

Der schaurige Roman enthält alles, was seitdem einen klassischen Vampirroman ausmacht: Horror, Spannung, Erotik und Drama. Und er fügt der typischen Zutatenliste weitere hinzu: Dracula ist ein Aristokrat, ein eleganter, gebildeter Mann mit Manieren – und nicht mehr die primitive Bestie des Volksglaubens.

Der Graf hat kein Spiegelbild, dafür aber lange, spitze Zähne und einen auffallend roten Mund, Knoblauch und christliche Gegenstände werden zur Abwehr und als Waffen gegen ihn benutzt, das Trinken von Blut macht eine gebissene Person selbst zum Vampir. Und töten kann man einen Vampir seitdem nur auf eine Weise: Mit einem Holzpflock durchs Herz und durch zusätzliches Abtrennen des Kopfes.

Da hatten wir ihn also: Den eleganten, verführerischen Stalker, von dem tödliche Gefahr ausgeht. Aus der hässlichen Bestie wurde mit Dracula ein geschickter Täuscher von dunkler Attraktion. Ein Raubtier ohne Gewissen, das seine Zähne erst zeigt, wenn es schon zu spät ist. Es ist diese Vampirvariante, die fortan nicht nur das literarische Genre prägte, sondern in unzähligen Bühnenstücken, Verfilmungen, Fernsehserien und auf Kostümparties überall auf der Welt zur unsterblichen Kultfigur wurde.

In der Hauptrolle: Dracula - alle Hörbücher rund um den berühmten Blutsauger

Die Wandlung einer Bestie

Doch Unsterblichkeit bedeutet nicht Unveränderlichkeit. Schon bei Stoker hing dem zu ewigem Dasein verdammten Wesen ein Hauch von Traurigkeit an. In den 70ern hob die US-Schriftstellerin Anne Rice eine neue Art von Vampir aus der Taufe: den melancholischen, dekadenten Dandy.

Interview mit einem Vampir präsentierte uns die Blutsauger zwar nach wie vor als tödlich und grausam, aber diese in Rüschenblusen und Frack gekleideten, bleichen Wesen haderten plötzlich mit ihrem Schicksal. Ennui, Müdigkeit und Todessehnsucht machten die Vampire zu Erscheinungen, die im Leser neben Schrecken auch Mitgefühl erweckten. Sollte sich da etwa der Hauch einer Seele in diesen seelenlosen Kreaturen entdecken lassen?

Interview with the Vampire
Der kleine Vampir

Ebenfalls in den 70ern wurde in Deutschland ein Vampir das erste Mal Gegenstand einer Kinderbuchreihe: Angela Sommer-Bodenburg ließ darin den jungen Vampir Rüdiger zum Freund des Menschenkindes Anton werden. Verharmlost, unterhaltsam, und dennoch mit einem ganz leichten, kindgerechten Grusel versehen, wurde Rüdiger zum bisher zahmsten Vampir überhaupt – mal abgesehen von Graf Zahl der ab 1972 bei Donner und Blitz in der “Sesamstraße” Kindern das Zählen beibrachte.

Die nebeneinander koexistierenden Vampir-Variationen machen eines deutlich: Auch wenn Stokers Ur-Vampir unsterblich blieb, so wurde der beliebtesten Horror-Kreatur überhaupt immer mehr Komplexität in immer unterschiedlicheren Spielarten zugebilligt. Und Grauzonen kamen auf: In Sergej Lukianenkos Fantasy-Serie Wächter aus den späten 90ern – in Russland beliebter als „Herr der Ringe“ oder „Harry Potter“ – ist nicht ganz eindeutig, wer jetzt wirklich zu den Guten oder zu den Bösen gehört. Seine Vampire gehören zum großen Gleichgewicht zwischen Hell und Dunkel dazu und sind notwendig, um die Waage zu halten.

Superstar Vampir: Der “Twilight”-Hype

2005 war das Jahr, in dem Vampire plötzlich zum absoluten Hype wurden. Die junge amerikanische Autorin Stephenie Meyer nahm ein Teenager-Mädchen namens Bella und einen gequält dreinblickenden, umwerfend aussehenden Vampir namens Edward und stürzte die beiden in eine unfassbar romantische Stoßseufzer-Liebesgeschichte, die die (vor allem weibliche) Jugend weltweit in ihren melodramatischen Bann schlug. Die Twilight-Filme mit Robert Pattinson und Kristen Stewart in den Hauptrollen setzten dem Ganzen noch eins drauf.

Bis(s) zum Morgengrauen

Meyer hatte nicht nur den Vampir für die Young-Adult-Literatur entdeckt, sondern mit Edward auch gleich einen neuen Subtypus geschaffen: Zur Melancholie kam ein moralischer Kompass. Die seelenlose Grausamkeit machte einem Gewissen Platz. Seine übernatürlichen Kräfte setzte dieser Vampir zum Beschützen seiner Geliebten ein. Und mit seinem Clan (auch so ein neues Vampir-Ding) passte er sich an die modernen Begebenheiten an und verzichtete sogar auf Menschenblut. Edward war ein Hybrid, dem noch Rices gequälte Existenz anhaftete, ebenso wie Stokers tödliches Potenzial, aber er war fähig zur Selbstdisziplin – und zu großer Liebe.

Das Tor war damit aufgestoßen für die Beziehung zwischen Mensch und Vampir. Im Bugwasser der Bis(s)-Reihe entwickelten sich etliche neue Jugendserien, die Liebes-, Freundschafts- und Schulgeschichten mit Fantasy vereinten: Von House of Night über Vampire Diaries bis zu Vampire Academy. Auffällig: Taffe Mädchen rückten in den Mittelpunkt. Ob selbst Vampire, in einen solchen verliebt oder aber auf der anderen Seite - als Vampirjägerin - wurden Vampirgeschichten unter Teenagern in den 2000ern zur weiblichen Domäne.

Gezeichnet
Blutsschwestern
Im Zwielicht

Und ging es in den Jugendromanen zwar teils romantisch, aber noch ziemlich keusch zu, so entdeckte auch die volljährige Damenwelt den Vampirroman für sich. Buchserien mit heftigem Erotikfaktor erschienen, in denen in der Regel eine menschliche Frau ihr Herz an einen vampirischen Kerl verliert. An einen richtigen Kerl: viril, gutaussehend, stark, aber meistens belastet mit einer dunklen Vergangenheit, mit emotionalem Gepäck und danach schreiend, aus seinem seelischen Elend von zarten Frauenhänden errettet zu werden.

Im Gegenzug bekommt die Dame in Nöten einen quasi unbesiegbaren Beschützer, der für sie sogar sein unsterbliches Leben riskieren würde und im Bett nicht zu toppen ist. Eine 180-Grad-Drehung zu Polidoris und Stokers grausamer Bestie – auch, wenn der prickelnde Hauch der Gefahr erhalten geblieben ist.

Verliebt in einen Vampir
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„Die Scharfrichterin“ – so wird Anita Blake hinter vorgehaltener Hand genannt. Denn sie arbeitet als sogenannte „Animatorin“ in St. Louis. Ihre Hauptaufgabe: Sie erweckt Tote zum Leben – um laufende Gerichtsverfahren aufzuklären, aber auch, damit sich trauernde Angehörige von ihren Liebsten verabschieden können. Gleichzeitig berät sie die Polizei in Kriminalfällen, die die Grenzen zwischen „normal“ und „paranormal“ überschreiten. Zudem hat sie eine Lizenz als Vampirhenkerin. Bis den Blutsaugern nämlich die gleichen Rechte wie Menschen zugestanden wurden, jagte Anita die Vampire.

Anita Blake - Bittersüße Tode

Doch jetzt wendet sich das Blatt. Reihenweise werden hochrangige Vampire Opfer einer grausamen Mordserie. Und ihr Anführer, der attraktive Jean-Claude, bittet Anita um Hilfe. Sie soll das Morden nicht nur stoppen, sondern auch klären, wer für die Taten verantwortlich ist. Dabei taucht „die Scharfrichterin“ nicht nur tief in die Welt von übernatürlichen Kreaturen wie Werwölfen und Zombies ein, sondern kommt auch Jean-Claude näher. Anita Blake - Bittersüße Tode ist der erste Teil der „Vampire Hunter“-Serie von Laurell K. Hamilton – und ein gelungener Genre-Mix aus Krimi, Shapeshifter-Romance und Horror-Roman. Spannend, rasant und heiß.

Die Saat
Der Vampyr

Guillermo del Torro ließ 2009 eine besonders eklige und hässliche Vampir-Armee in New York einfallen. In seiner Saat-Trilogie, geschrieben zusammen mit Chuck Hogan, kommt das Böse wie gehabt in Kisten voller Erde in die Stadt - allerdings nicht als Einzelgänger sondern als sich mehrende Brut und gleich einer Epidemie.

Und auch im Fantasy-Genre konnte man weiterhin fündig werden. In Deutschland zog Wolfgang Hohlbein in seiner Chronik der Unsterblichen alle Register und versetzte die Vampire in ein Fantasiereich mit Drachen, Schwertkämpfern und Rittern.

Doctor Sleep

Und auch Stephen King griff in seinem Sequel zu Shining zurück auf die guten alten Vampire - und verpasste ihnen als umherziehende Sekte einen neuen, ebenso furchteinflößenden Spin.

Während die einen Vampire modernisierten, sie in Jeans steckten und ihnen Tattoos verpassten, blieb die Lust am Retro-Vampir erhalten. Zurück in die Vergangenheit, mit nebligen, historischen Schauplätzen, altmodischem Flair und eleganter Sprache ging es zum Beispiel in The Historian von Elizabeth Kostova oder The Quick von Lauren Owen. Gegenwart und Vergangenheit kann man auch apart vermischen, so wie Deborah Harkness das in ihrer frisch verfilmten All-Souls-Trilogie um die Historikerin und Hexe Diana Bishop und den Vampir Matthew Clairmont gemacht hat. Matthew ist ein mysteriöser Gentleman alter Schule und Diana eine moderne “damsel in distress”. Romantik und Fantasy paaren sich mit dem Reiz uralter Geheimnisse. Und dennoch dürfen wir den Vampir emanzipiert bei einer Yoga-Stunde erleben.

The Historian
The Quick
Die Seelen der Nacht

Draculas Comeback

Es ist also ganz schön viel passiert seit damals. Die einstige Horrorgestalt hat sich zu einer komplexen Figur entwickelt, die in vielen literarischen Genres zu Hause und in komplett konträren Versionen zu haben ist. Nach der Schwemme von Vampirromanen und - serien durch Twilight schien sogar ein Punkt der Sättigung erreicht.

Als die Zombies mit „The Walking Dead“ das Horror-Genre neu aufrollten, schienen die Vampire erledigt. Aber falsch gedacht: Reihen wie Midnight Breed von Lara Adrian oder Black Dagger von J.R. Ward sind nicht totzukriegen, und auch dem guten alten Grafen steht - zumindest auf dem Bildschirm - ein Comeback bevor:

Die “Sherlock”-Macher Mark Gatiss und Steven Moffat haben sich gerade an eine Neuverfilmung des Bram Stoker-Klassikers gewagt, und spätestens nach der Ausstrahlung der Mini-Serie wird wohl auch der Roman wieder abgestaubt und ans Sonnenlicht geholt werden. Ob der dann zu Staub zerfällt oder – wie Edward aus „Twilight“ – vielmehr das Glitzern anfängt, wird sich zeigen. So oder so: Dracula ist und bleibt unsterblich.

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