Um dazu mehr zu erfahren, haben wir sieben sehr unterschiedliche Personen im Alter zwischen 16 und 26 Jahren befragt. Es sind Schülerinnen, Cheerleader, Mechaniker, Musicaldarsteller, Ökologinnen und Wirtschaftsingenieure. Sie alle gaben verblüffende Antworten über ihren nuancierten Nachrichtenkonsum, bei dem sie sehr konkrete Anforderungen an ein breit gefächertes Spektrum von Portale stellen. Und an Influencer, denen sie ihr Vertrauen – bis auf Widerruf! – schenken.

Es gibt heutzutage unendlich viele Möglichkeiten, sich zu informieren. Wo holt ihr euch im Laufe eines Tages eure Nachrichten?

Hana (20), Cheerleaderin aus Regensburg mit einer Mutter aus Vietnam und einem Vater aus Jordanien: Normalerweise schaue ich als erstes bei Instagram, was es so Aktuelles gibt. Zum Beispiel folge ich den Kanälen von Nachrichtensendern. Die bringen Posts mit Schlagzeilen zu relevanten News.

Leonie (19), Abiturientin aus Berlin-Schöneberg: Ich informiere mich auch über Social Media, was gerade passiert. Manchmal gibt's auf Instagram Posts zu Politik, die Leute reposten, denen ich folge. Wenn mich etwas näher interessiert, recherchiere ich via Google weiter, ob die teils krassen Geschichten wirklich stimmen.

Pascal (26), Musicaldarsteller aus Osnabrück: Bei Instagram gibt's einige tolle Leute, die aktivistisch unterwegs sind, zum Beispiel Kerstin Kassner (für Die Linke im Bundestag). Sie postet fast jeden Tag Nachrichten, vor allem zu feministischen und LGBT-Themen. Ihr folge ich, um als überzeugter Feminist die neuesten Informationen zu bekommen. International folge ich noch einem Queer-Aktivisten aus den USA, der täglich Sachen auf Instagram postet. Meistens verweisen diese Leute mit Links auf andere Seiten, wo man sich weiter informieren kann.

Kennt man dich?

Hana (20): Wenn es über solche Insta-Kurzmeldungen hinausgehen soll und ich mich beispielsweise im Vorfeld der Bundestagswahl ausführlicher zu den Parteien informieren will, dann nutze ich TikTok. Weil dort Sachen leicht erklärt werden.

Hana will demnächst eine Ausbildung bei der Polizei in Berlin beginnen. Leonie ist mit ihr zusammen in einem Cheerleading-Team, das zu einer erfolgreichen American-Football-Mannschaft gehört.

Hana (20): TikTok ist ja bei Jugendlichen momentan „in“. Es gibt da eine „For You“-Page, da werden zufällige Videos angezeigt. Je mehr Leute ein Video angucken, desto öfter landen sie auf meiner „For You“-Page. Wenn ich entsprechende Beiträge nicht „like“ und bei bestimmten Themen weiterscrolle, wird mir weniger davon angezeigt. Wenn TikTok allerdings merkt, dass mich bestimmte Dinge interessieren, wird mir mehr davon angezeigt. So habe ich zum Beispiel eine Person gefunden, die das Wahlprogramm der Parteien vorstellt und erläutert. Und zwar so, dass es für uns Jugendliche verständlich ist.

Leonie (19): Ich schaue noch regelmäßig „Tagesschau“ und bei RBB die „Abendschau“ im Fernsehen, weil meine Mutter das guckt und ich einfach mitschaue, wenn ich zuhause bin. Früher in der Schule haben wir uns im Geschichtsunterricht über die neuesten Sachen unterhalten, die in der Welt passiert sind. Das fand ich spannend; seither verfolge ich die Nachrichten im Fernsehen und im Radio sehr aufmerksam. Besonders in der Corona-Lockdownzeit habe ich auch viel RBB-Radio gehört, weil da jede Stunde die neusten Details zu Pandemie-Maßnahmen vermeldet wurden. Ansonsten werde ich von verschiedenen Familienmitgliedern auf Ereignisse in der Weltgeschichte hingewiesen. Das nervt zwar manchmal, ist aber nützlich.

It's A Nerd's World

Maxime (24), hat einen französischen Vater und studiert Wirtschaftsingenieurwesen. Er wohnt in Berlin-Moabit: Früher gab’s in meiner Familie das 20-Uhr-Ritual mit der „Tagesschau“, das fand ich gut, als ich noch bei meinen Eltern wohnte. Aber inzwischen gucke ich das nicht mehr, weil ich die meisten Nachrichten bis 20 Uhr schon anderswo mitgekriegt habe. Und dann stört mich, dass bei der „Tagesschau“ ewig lange über Fußball berichtet wird. Das sind keine Nachrichten, die ich brauche.

Hana (20): Auf Instagram folge ich zwar der „Tagesschau“, aber direkt Fernsehen schaut in meinem Freundeskreis niemand mehr. Mir sind kurz und knackig zusammengefasste Posts lieber. Die kann ich auch weiterteilen, wenn ich sie interessant finde.

Leonie (19): Dass Nachrichten vertrauenswürdig sind, ist mir wichtig. Deshalb mag ich die Öffentlich-Rechtlichen. Wir haben in der Schule mal besprochen, welche Zeitungen es gibt und welchen man trauen sollte, da ging es unter anderem um die BILD-Zeitung und die vielen Fake News, die da verbreitet werden. Allerdings lese ich sowieso keine Zeitungen.

Reich und Berühmt mit Tik Tok

Liest irgendjemand sonst von euch Zeitungen?

Maxime (24): Ich benutze die Nachrichten-App „Simply“. Die ist kostenlos und trotzdem ohne Werbung. Da werden deutschsprachige Kurznachrichten zu verschiedenen Themen aus verschiedenen Zeitungen präsentiert. Wenn einen etwas interessiert, kann man weiterklicken auf die vollständigen Artikel. Etwas blöd ist, dass man zum Weiterlesen auf manchen Zeitungsportalen ein Abo braucht für den Volltext. Aber für mich ist es wichtig, erstmal die Schlagzeilen wahrzunehmen. Auf die App schaue ich im Laufe eines Tages mehrmals, nur um zu checken, was sich so alles tut.

Judith (23), Ökologie-Studentin aus Buchholz und derzeit im Rahmen eines Auslandsemesters in Nicaragua: Ich habe auf meinem Handy die „Spiegel“-App und „Die Zeit“, aber ohne Plus-Abo. Trotzdem bekomme ich da einen groben Überblick zur Nachrichtenlage. Die beiden Apps habe ich ausgewählt, weil „Spiegel“ und „Zeit“ als seriöse Leitmedien gelten und ich das Gefühl habe, dass die Nachrichten dort möglichst neutral präsentiert werden. Natürlich weiß ich, dass beide Zeitschriften eher links orientiert sind, aber da würde ich mich auch verorten, also stört mich das nicht. Die „taz“ würde mir vermutlich auch gefallen, aber die scheint mir doch noch ein bisschen voreingenommener. In meiner Familie lagen früher „Spiegel“-Wochenmagazine rum, „Die Zeit“ habe ich erst in der Uni entdeckt, wo ich Ökologie und Umweltplanung studieren, da hat mal jemand von den Lehrkräften „Die Zeit“ empfohlen.

Pascal (26): Ich hatte mal zum Testen ein Abo für die „Zeit“-Printausgabe, aber da fand ich meine Lebenswelt nicht wirklich abgebildet und habe das Abo auslaufen lassen. Da war viel mit Wirtschaft – weil’s ja in unserer Gesellschaft sowieso nur ums Geldverdienen geht –, und das hat mit meiner Lebensrealität als Künstler wenig zu tun. Und bei anderen Themen spürte ich noch so einen Zeitgeist des Patriarchats bei der „Zeit“, der mich nervt.

SPIEGEL Daily - Der Podcast (Original Podcast)

Arturo (24), Anlagenmechaniker Apparate und Behälterbau: Ich habe die Apps von klassischen Zeitungen wie „FAZ“, „Welt“ oder „Spiegel“. Meine Mutter kauft regelmäßig die „taz“, da schmökere ich manchmal drin rum und fühle mich dann bestätigt, dass ich mir diese Zeitung nie selbst kaufen würde.

Arturos Vater stammt aus Argentinien, wo Arturo selbst als Kind aufwuchs, bevor er im Alter von vier Jahren mit seiner deutschen Mutter zurück nach Deutschland zog. Er lebt heute in Berlin-Treptow.

Arturo (24): Nachrichten in sogenannten Leitmedien formen unsere Sprache und generell auch, was „okay“ und „vertretbar“ ist als Meinungsspektrum. Oder andersrum: Sie definieren, welche Meinungen einen sehr schnell ins soziale Abseits befördern. Und da habe ich den Eindruck, dass momentan immer mehr vorgegeben wird (beispielsweise beim Thema Gendern). Die Meinungen, die man sich „erlauben“ kann, werden immer weiter eingegrenzt, scheint mir. Da hat in einigen Bereichen eine gewisse Radikalisierung stattgefunden, und es gibt immer weniger produktiven Diskurs. Deshalb sehe ich die Zukunft von „offiziellen“ Nachrichten nicht so rosig und besuche zunehmend alternative Portale.

Lissi (16), Gymnasialschülerin aus Berlin-Reinickendorf: Ich kriege von Apps wie „Spiegel Online“, „Tagesschau“ und „ZDF heute“ täglich sicher 20 Mal Push-Benachrichtigungen (pro App). Dadurch weiß ich sofort, wenn etwas vorgefallen ist. Da lese ich dann die Überschriften, und wenn mich etwas interessiert, klicke ich drauf. Bei „Spiegel“-Online ist oft das Problem, dass es Artikel sind, für die man Geld braucht, was ich als Schülerin im Moment nicht habe. Auch viele Podcasts, die mich interessieren, sind kostenpflichtig. Deshalb höre ich derzeit wenige.

Die Kanzlerin

Sind Podcasts für euch eine wichtige Informationsquelle?

Maxime (24): Ich höre morgens beim Zähneputzen und auf dem Fahrrad zur Uni immer „Das war der Tag“, das ist eine Zusammenfassung der Nachrichten vom Vortag, die der Deutschlandfunk bereitstellt. Diesen Podcast rufe ich über Spotify ab. Er dauert 50 Minuten, wobei ich die letzten Minuten meist weglasse, weil’s da um Sport und die Presseschau geht, was mich nicht so interessiert. Den Podcast über meinen Spotify-Premium-Account anzuhören ist praktischer als über die DLF-Audiothek, weil man da nicht anhalten oder vorspulen kann. Das ist bei DLF ziemlich schlecht gemacht, finde ich. Weil dieser Podcast von einem öffentlich-rechtlichen Sender stammt, vertraue ich darauf, dass die dort seriöse Nachrichten fabrizieren.

Judith (23): Eine meiner wichtigsten Informationsquellen ist der Podcast „Lage der Nation“. Weil da auf Themen im Detail eingegangen wird. Da gibt’s eine kostenpflichtige Version und eine, die ist frei, aber mit Werbung. Das finde ich voll fair, denn die müssen ja auch Geld verdienen. Aber da es möglich ist, sich auch kostenlos zu informieren, nehme ich die Werbung in Kauf. Ich kann mir allerdings gut vorstellen, später als Berufstätige mehr Geld in Abos zu investieren. Jetzt, mit meinem knappen Studenten-Budget, geht das nicht. Bei Podcasts finde ich super, dass ich nebenbei etwas anderes tun kann – zum Beispiel die Wohnung putzen! (lacht)

Maxime (24): „Lage der Nation“ habe ich mir auch mal angehört und fand das schrecklich. Überhaupt finde ich solche Zwei-Personen-Podcasts, die wie ein Wohnzimmer-Talk daherkommen, schrecklich. In meinen Nachrichten möchte ich möglichst gar keine persönliche Meinung hören, das hat mich an „Lage der Nation“ unglaublich gestört. Die sagen selbst, dass es keine neutralen Nachrichten sind. Und ich möchte mir lieber selbst meine Meinung bilden.

Judith (23): Ich finde eine politische Einordnung der Nachrichten schon gut, aber es sollte klar erkennbar sein, wo die Nachrichten aufhören und wo die Meinung anfängt.

Arturo (24): Es gibt viele Autoren, die haben eine flotte Schreibe und denken anders als ich. Das ermöglicht mir neue Sichtweisen, was ich erfrischend finde. So etwas lese beziehungsweise höre ich gern. Denn ich will nicht immer nur trockene Fakten auf den Tisch bekommen, weil das langweilig wäre. Aber Meinungen sollten klar gekennzeichnet sein.

Noch haben wir die Wahl

Lissi (16): Man sieht meistens schon an den Überschriften, ob Themen reißerisch aufbereitet sind. Und wenn ein Artikel nicht halbwegs sachlich geschrieben ist, nehme ich den auch nicht ernst. Das gilt auch für Quellenverzeichnisse, die belegen, worauf sich ein Autor beruft. Manchmal google ich Autoren, um zu schauen, ob er oder sie vertrauenserweckend scheint.

Judith (23): Man hört aktuell von einigen Querdenkenden, dass sie sich nur über soziale Medien informieren und nur in ihrer „Bubble“ bewegen, wo sie in ihrer Meinung bestärkt werden. Was zu einer Spirale führt, wo man gar keine anderen Meinungen mehr mitkriegt. Das sehe ich kritisch, wenn Leute nur noch mitbekommen, was ihnen der Algorithmus vorschlägt. Und wenn sie nicht kontrollieren, ob gepostete Beiträge eine seriöse Quelle sind.

Lissi lebt mit ihrer Mutter und älteren Schwester in einem Haushalt zusammen. Die ältere Schwester studiert im zweiten Semester Politikwissenschaft und ist damit, natürlich, ein Vorbild.

Lissi (16): Ich stelle fest, dass die Generation meiner Mutter nicht so mit Online-Medien aufgewachsen ist und oft nicht checkt, dass bestimmte Nachrichten im Netz nicht vertrauenswürdig sind. Also erkläre ich meiner Mutter öfter: „Schau dir die Quellen an, die sind nicht so cool!“ Sie ist dann immer ganz erstaunt, dass man sowas herausfinden kann und dass es so viele Fake News gibt. Als junger Mensch ist man da stärker sensibilisiert, um so was zu hinterfragen.

Arturo (24): Ich tausche mich mit Freunden und Kollegen auf der Arbeit viel zu Themen aus, die aktuell sind. Die Leute um mich herum, die in meinem Alter sind, sind recht versiert in ihrer Nutzung von digitalen Formaten und ganz gut informiert. Leute mit Zeitung in der Hand, die ich sehe, sind alle über 50. Und die hinterfragen Nachrichten kaum.

Schluss mit der Meinungsfreiheit

Apropos Hinterfragen: Wie wichtig ist euch der Meinungsaustausch und das Debattieren mit anderen?

Lissi (16): In der Schule gibt’s viele Personen, die andere Wertvorstellungen haben als ich. Auch in den Online-Kommentaren sehe ich viele, die anders ticken als ich. Leider habe ich die Erfahrung gemacht, dass es oft unmöglich ist, ernsthaft zu diskutieren, weil viele Personen in ihren Meinungen festgefahren sind. Das bin ich leider oft auch. Deshalb klafft Theorie und Praxis etwas auseinander, wenn ich sage, dass ich gern diskutiere mit Leuten, die andere Meinungen haben. Mir ist klar, dass es die „eine“ und „richtige“ Meinung nicht gibt. Und Diskussionen mit komplett verschiedenen Lagern führen meistens zu nichts. Trotzdem ist es wichtig, dass man diese Diskussionen führt. Bei Videos der Öffentlich-Rechtlichen zu politischen Themen schreibe ich auf YouTube regelmäßig meinen Kommentar drunter. Und wenn jemand darauf antwortet, tausche ich mich gerne aus. Das tue ich aber fast ausschließlich auf YouTube, nicht auf Twitter oder Facebook. Facebook nutze ich gar nicht. Das ist das Social Media für die alten Leute, ums mal so zu sagen. (lacht)

Facebook - Weltmacht am Abgrund

Arturo (24): Wenn jemand eine andere politische Meinung hat als ich, finde ich das okay. Das gehört zur Demokratie. Das bedeutet Toleranz für die Meinung von anderen. Ich gehe gern in einen Austausch und versuche meine Sicht darzulegen. Aber das ist von meiner Seite aus nur ein Angebot. Mein Gegenüber muss meine Meinung nicht annehmen. Das respektiere ich, egal wie emotional geladen ein Thema ist – und Politik ist schnell sehr emotional geladen. Wenn mir aber jemand sagt, ich sei „rechts“, dann stößt mir das mittlerweile sauer auf. Da werden komische Gedanken im Kopf erzeugt, von Dritten Reich und Querdenkern oder Homophobie. Mich haben Leute in letzter Zeit ziemlich oft komisch behandelt, was ich nicht korrekt finde.

Lissi (16): Mir ist aufgefallen, dass in dem Moment, wo Leuten bei Online-Diskussionen die Argumente ausgehen, fangen sie an, mich zu beleidigen. Ich breche das dann meist ab. Face-to-Face ist das anders. Da verhalten sich Menschen nicht so.

Gegen den Hass

Arturo (24): Wenn ich bei YouTube sehe, dass bei einzelnen Sachen die Kommentarfunktion ausgeschaltet wurde, stellen sich mir die Nackenhaare hoch. Die Freiheit, sich im Internet anonym auszudrücken, halte ich für wichtig. Außerdem hat das einen riesigen Unterhaltungswert, bei dem ich nicht möchte, dass er verloren geht.

Judith (23): Ich lese gern die Kommentare bei YouTube und anderswo. Weil ich wissen will, was andere Leute denken. Aber ich hinterlasse selbst keine Kommentare, weil ich es besser finde, von Angesicht zu Angesicht mit Freunden zu diskutieren, statt das Online mit Fremden zu tun.

Maxime (24): Kommentare hinterlasse ich auch nicht. Und auf sozialen Medien bin ich überhaupt nicht unterwegs. Bei Facebook schaue ich höchstens einmal im Monat rein.

Ist keiner von euch bei Facebook?

Pascal (26): Doch, ich. (lacht) Ich bin da in verschiedenen Gruppen, wo Sachen gepostet werden: Dadurch werde ich recht umfassend über die neuesten Entwicklungen zu Themen informiert, die mich interessieren. Was mir im Vorfeld der Bundestagswahl superwichtig ist, sind LGBT-Themen, die in solchen Gruppen geteilt werden. Da schaue ich jeden Tag als erstes nach. Denn das ist auch das erste, worauf man als schwuler Mann reduziert wird. Ich habe immer das Gefühl, in der Gesellschaft bin ich kein Mann, sondern direkt und ausschließlich ein „schwuler“ Mann. Entsprechend gucke ich in den Nachrichten, was von den Parteien für schwule Männer getan wird.

Mehr Glitzer! Der Podcast mit Candy und Bambi (Original Podcast)

*Als Dachbegriff für Schwule und Lesben sowie Homosexuelle wird heute oft das Wort „queer“ benutzt oder die Buchstabenreihe LGBTIQ+, die für lesbian, gay/schwul, bi, transgender, intersexuell, queer steht. *

Lissi (16): Ich bin durch TikTok auf die LGBTIQ+-Thematik aufmerksam geworden. Da bin ich über gut recherchierte Beiträge zu einer Bubble gekommen, wo ganz viele Leute aus der LGBTIQ+-Community sind und aufklären, unter anderem indem sie Begriffe erläutern, darüber informieren, ob man bestimmte Begriffe akzeptieren sollte oder nicht. Ansonsten sind in meinem Schuljahrgang auch sehr, sehr viele Leute, die der LGBTIQ+-Community angehören. Deshalb finde ich, dass sich heutzutage nicht nur die, die schwul sind, für schwule Themen einsetzen sollten. Sondern dass es jeder machen sollte.

Pascal (26): Ich glaube für TikTok bin ich schon zu alt. (lacht) Das ist gefühlsmäßig etwas für die Generation unter mir. In meinem Freundeskreis gibt’s keine Person, die auf TikTok unterwegs ist. Und Twitter hatte ich mal, aber das war mir zu unübersichtlich. Da finde ich Facebook einfach ein bisschen einfacher von der Bedienung her.

queer einsteigen: Von A bis LGBTQIA+ (Original Podcast)

Hana (20): Bei TikTok kann jeder alles posten, außer Sachen mit Blut und so. TikTok-Videos sind entweder 15 Sekunden, eine Minute oder drei Minuten. Bei Drei-Minuten-Videos klicke ich meist „weiter“, weil ich keine Lust habe, so lange zu schauen. Eine Minute finde ich perfekt, da kann man anschließend noch Kommentare lesen. Wir Jugendliche wollen nicht in unserer Freizeit so viel lesen und schauen oder hören, weil wir das schon die ganze Zeit in der Schule machen mussten.

"Wir Jugendliche wollen nicht in unserer Freizeit so viel lesen und schauen oder hören, weil wir das schon die ganze Zeit in der Schule machen mussten."

Hana, 20-jährige Cheerleaderin aus Regensburg

Lissi (16): Ich würde TikTok jetzt nicht als Nachrichtenportal bezeichnen. Aber es ist ein Portal, wo man Nachrichten hochladen kann. Und die konsumiere ich täglich. Da werden in wenigen Sekunden keine komplexen Themen behandelt, sondern Sachen stark heruntergebrochen und dann verlinkt, so dass man sich bei Bedarf Dinge auch ausführlicher anschauen kann. TikTok ist eher so eine Sprungplattform, würde ich sagen.

Dieses Weiterklicken über eine Sprungplattform ist für euch alle wichtig?

Hana (20): Unbedingt. Ich habe die deutsche Staatsbürgerschaft und bin in Deutschland aufgewachsen – mit einer typisch strengen vietnamesischen Erziehung. (lacht) Ich würde sagen, dass ich gut Deutsch spreche, im Gegensatz zu meiner Mutter. Deshalb ist es wichtig, dass ich Informationen an sie weiterzugebe. In meiner Kindheit musste ich viel für meine Mutter übersetzen. Wenn’s zuletzt um Corona ging, dann verstand sie nicht alles, was hier im deutschsprachigen Raum berichtet wurde. Das musste ich ihr erklären. Das heißt ich muss mich selbst erstmal durch die Nachrichten klicken.

Hat Corona euer Nachrichtenverhalten verändert?

Lissi (16): Dass ich mich so extrem für Nachrichten interessiere, ist ein Resultat der Pandemie, ja. Davor war ich auch schon politisch interessiert, aber seit ich 14 bin, bin ich zunehmend aktiver in dem Bereich. Dazu kam die Klimakrise, die ich ganz gegenwärtig als Bedrohung für meine Generation wahrnehme. Deshalb finde ich es wichtig, sich einzubringen und politisch einzusetzen gegen das politische Versagen der letzten Jahre.

Hana (20): So intensiv wie seit Corona habe ich mich noch nie vorher in meinem Leben über Nachrichten informiert. Das finde ich aber sehr, sehr gut.

Unwiderstehlich

Und wie wichtig ist euch das Thema Wahlkampf?

Leonie (19): Da ich jetzt zum ersten Mal wählen darf, ist es mir total wichtig, mich vorab über die verschiedenen Parteien zu informieren. Dabei lese ich nicht gerade Wahlprogramme, aber Beurteilungen und Übersichtsberichte von anderen.

Arturo (24): Während der Oberstufe war eines meiner Leistungsfächer Politik. Damals hatte ich generell mehr Zeit und habe deutlich mehr Nachrichten konsumiert als jetzt. Wenn man ins Arbeitsleben einsteigt, ändert sich die Perspektive ganz grundlegend. Zum einen, weil man älter geworden ist. Zum anderen, weil man den politischen Zirkus in Deutschland schon eine Weile mitgekriegt hat. Irgendwann versteht man, dass sich bestimmte Sachen wiederholen. Versprechen werden gemacht, die nach der Wahl sofort wieder einkassiert werden. Das führt zu einer gewissen Ernüchterung.

Heißt das, du gehst als Frust darüber nicht mehr wählen?

Arturo (24): Mein Vater kommt aus Argentinien, wo es – wie in ganz Südamerika – öfter heftige politische Turbulenzen gibt. Ich weiß es sehr zu schätzen, dass wir hier in Deutschland (trotz aller Fehler) eine gut funktionierende Demokratie haben, die darauf beruht, dass so viele Leute wie möglich sich beteiligen. Das möchte ich ungern verlieren. Deswegen werde ich selbst mich auch immer beteiligen, egal wie mich die Parteien und Politiker frustrieren.

In der Männerrepublik

Maxime (24): Klar interessiert mich alles rund um die Wahl in Deutschland, auch wenn ich als Franzose hier nicht wählen darf. In Frankreich darf ich zwar wählen, aber mit französischer Politik beschäftige ich mich nicht wirklich, weil ich dazu keinen Bezug habe. Ich lebe schon mein ganzes Leben in Deutschland und würde entsprechend viel lieber hier meine Stimme abgeben. Aber ich habe das hier mit der Einbürgerung ein bisschen verpeilt (lacht). Vielleicht klappt das noch bis zur nächsten Wahl.

Maxime bekam bei seiner Geburt automatisch die Staatsangehörigkeit seines Vaters. Wegen seiner deutschen Mutter kann er auch eine deutsche Staatsbürgerschaft beantragen. Doch dieser Vorgang dauert bei den Behörden teils lange, besonders in Corona-Zeiten. Deshalb wurde sein Antrag noch nicht bearbeitet.

Hana (20): Mein Freund ist Football-Spieler, halb Russe und halb Türke. In seiner Mannschaft sind viele US-Amerikaner. Neulich habe ich in seiner Gruppe gesehen, dass die intensiv über die Bundestagswahl gesprochen haben. Das sind alles Jungs. Und mir fiel auf, dass die in ihren Meinungsäußerungen sehr direkt sind. Die haben sich gegenseitig aggressiv aufgefordert, wählen zu gehen oder sich auch konkreter lustig gemacht, wenn man gesagt hat, man sei für die eine oder andere Partei. Mit meinen Freundinnen werden solche Fragen viel umsichtiger besprochen. Mir scheint, dass Männer ihre Meinung mehr herausposaunen, auch wenn sie kontrovers ist. Und weil sie in einem Team unterwegs sind, besteht so was wie Gruppenzwang. Und gerade weil viele Spieler dabei sind, die nicht in Deutschland wählen dürfen, versuchen sie, ihre Kollegen zu beeinflussen, in ihrem Sinn zu stimmen.

Lissi (16): Ich kann auch noch nicht selbst wählen, aber ich bin so drauf, dass ich alle möglichen Menschen um mich herum versuche zu beeinflussen, dass sie in meinem Sinn wählen. (lacht) Mit meiner Omi kann ich zwar nicht über Nachrichten reden, dafür ist sie einfach nicht mehr fit genug. Wenn sie wählt, dann wählt sie nicht, weil die Partei krass ist, sondern weil sie ihr ganzes Leben lang eine bestimmte Partei gewählt hat. Da kann ich auch schwer gegenargumentieren. Außerdem vergisst sie alles, was ich sage, gleich wieder. Deshalb werde ich das erst kurz vorm Wahltermin tun, in der Hoffnung, sie ein bisschen zu beeinflussen – so dass sie quasi für mich ihre Stimme abgibt.

Die Audible Morningshow (Original Podcast)

Wie wichtig sind euch Nachrichten von außerhalb Deutschlands?

Maxime (24): Wenn mir langweilig ist, schaue ich Al Jazeera International und BBC. Bei Al Jazeera finde ich die App gut gemacht, da sind die Nachrichten nach Weltregion unterteilt und übersichtlich. Ich finde auch, dass die Berichte gut geschrieben sind. Im Vergleich zur „Tagesschau“ ist Al Jazeera sowie BBC viel internationaler. Und das erlaubt eine andere Perspektive. Das finde ich interessant. Ich hatte auch mal überlegt, eine russische und eine chinesische Nachrichten-App runterzuladen, aber da habe ich bislang nichts gefunden, was ich gut fand.

Judith (23): Ich finde es echt cool und wichtig, auch Nachrichtenportale wie BBC oder Al Jazeera zu benutzen und eine andere – nicht europäische – Perspektive zu bekommen. Ich selbst lese manchmal spanischsprachige Nachrichten, besonders jetzt wo ich in Nicaragua bin. Aber grundsätzlich komme ich natürlich aus Europa, insofern stört mich eine europazentrierte Perspektive nicht so sehr.

Lissi (16): Ausländische Nachrichtenportale benutze ich nicht, aber ich folge verschiedenen Kanälen, wo Material aus ausländischen Portalen einbezogen wird. Wo also gezeigt wird, dass manche Sachverhalte in anderen Ländern ganz anders dargestellt werden. Das finde ich superspannend.

Deutschland

Arturo (24): Al Jazeera verfolge ich auch auf YouTube, weil die wirklich gute Reportagen haben. Manchmal bringen auch „Vice“ und ähnliche Outlets interessante internationale Dokus. Weil ich diese Formate so gern schaue, weiß ich teils besser Bescheid, was in den USA passiert als in Deutschland, wo es nichts Vergleichbares gibt. Das liegt auch daran, dass die Masse von englischsprachigen Menschen, die auf populären Seiten unterwegs ist, gigantisch ist. Deshalb rutschen auf Ranking-Seiten Themen, die für sie interessant sind, weit nach oben. Und was in den USA passiert, schwappt sowohl politisch als auch sozial in vielen Fällen in abgeschwächter Form meist zu uns rüber.

Welche Portale nutzt ihr sonst so, um international auf dem Laufenden zu bleiben?

Arturo (24): Um mal bei Ranking-Seiten zu bleiben. Es gibt Reddit, wo ich gern Zeit verbringe. Deren Untertitel lautet: „Dive into anything.“ Da können Leute private Sachen erzählen oder Artikel von anderen Portalen hochladen bzw. crossposten, manchmal mit einer kurzen Einleitung, in der eine Meinung kundgetan wird. Da kann man als User Artikel als gut oder schlecht bewerten, dementsprechend steigen die Posts im Ranking auf. Deshalb werden sie dann anderen ausgespielt, weil die „hochgevoted“ wurden. Da kann ich mich also nicht gezielt zu einem Thema informieren, sondern da stolpert man eher querfeldein über Nachrichten.

Hana (20): Die Personen, denen ich auf TikTok folge, verbinden solche Querfeldein-Nachrichten meist mit Comedy. Natürlich können solche Videos Themen – oder Wahlprogramme – ins Lächerliche ziehen oder übertreiben, womit Zuschauer beeinflusst werden. Jugendliche sind ja allgemein sehr beeinflussbar, deshalb sollte man aufpassen, was man schreibt und wie man was sagt.

Lissi (16): Bei den Öffentlich-Rechtlichen gibt’s im Fernsehen diverse Satiresendungen wie „Extra 3“ oder „Heute Show“, die ich gern schaue. Da werden die links-grünen Parteien genauso hopsgenommen wie die rechten Parteien. Solche Ausgewogenheit finde ich wichtig.

Arturo (24): Bei den Öffentlich-Rechtlichen bin ich wenig unterwegs. Aber ich finde „arte“ hat hochqualitative Dokus in der Mediathek, die ich gern schaue, um mich zu informieren. Grundsätzlich finde ich es wichtig und richtig, dass es eine unabhängige staatliche Presse gibt. Und dass da keine externen Interessen reinspielen, sondern dass frei berichtet werden kann für alle. Dafür bin ich auch bereit, Gebühren zu bezahlen. Aber so wie es im Moment gehandhabt wird mit den GEZ-Gebühren und was die Öffentlich-Rechtlichen als Output bieten, finde ich es deutlich überzogen. Mit dem Steuergeld werden irgendwelche fragwürdigen Serien wie „Tatort“ oder „Lindenstraße“ finanziert, ebenso Fußballübertragungen. Meiner Meinung nach sollte das umstrukturiert werden. Wenn ich Filme oder Serien schauen will, oder Comedy, tue ich das lieber bei Netflix und YouTube.

No Rules Rules

Pascal (26): Auch wenn ich nicht direkt Nachrichtenportalen folge, weiß ich, wo ich in kürzester Zeit Informationen rund um Themen finden kann. Da hat die Flut von Internetseiten und Apps in den letzten zehn Jahren viel verändert. Und Netflix hat – besonders was die Sichtbarkeit von LGBT angeht – nochmal wahnsinnig viel verändert mit Serien, Filmen und Dokus, was die Öffentlich-Rechtlichen nicht geschafft oder nicht probiert haben. LGBT sind Teil der Bevölkerung, wo es nicht nur Heterosexualität gibt, und deswegen sollten „wir“ ganz selbstverständlich in den Mainstreamnachrichten vorkommen, genau wie alle anderen gesellschaftlichen Gruppen auch. Und das gilt für Podcasts, Dokus, Reportagen genauso.

Judith (23): Zum Thema LGBT würde ich mir vermutlich einen spezifischen Podcast anhören, um mir Informationen zu holen. Denn in den Mainstreamnachrichten muss viel komprimiert werden, da ist es nicht möglich, auf alles einzugehen. Wie der Fokus gelegt wird, das ist schon manchmal gruselig.

Lissi (16): Über LGBTIQ+-Themen informiert zu werden ist mir total wichtig. Das sollte in unserer Gesellschaft auch komplett normal sein. In den Satireshows der Öffentlich-Rechtlichen kommen diese Themen regelmäßig vor unter dem Motto „Don’t shame it!“ Wenn das anderswo nicht so ist, sollte man fleißig mit Kommentaren dagegen protestieren.

Willkommen in Neuland

Fühlt ihr euch alle mit euren verschiedenen Identitäten und Interessen in den Nachrichten repräsentiert?

Hana (20): Das Thema Rassismus und Ausgrenzung bewegt mich sehr, und ich finde, dass es das in einer neuen modernen Gesellschaft nicht mehr geben sollte. Dass darüber in den Mainstream-Nachrichten jetzt öfter berichtet wird, finde ich super.

Arturo (24): Man sieht mir ganz gut an, dass ich Ausländer bin. Die meisten denken: schwarzer Bart, etwas größer…. vielleicht türkisch-arabisch? Wenn ich zu einem neuen türkischen Friseur gehe, werde ich automatisch auf Türkisch angesprochen. In der Berufsschule wurde ich gleich am ersten Tag von der Lehrerin gefragt, ob ich Deutsch spreche. Wenn ich mit Leuten ins Gespräch komme, ist immer eine der ersten Fragen: „Wo kommst du eigentlich her?“ Das fragen mich quer durch die Bank Kollegen, egal ob sie selbst türkisch oder deutsch sind. Es ist irgendwann anstrengend. Aber es ist auch eine relativ plumpe Form, um Interesse am anderen zu zeigen – basierend auf Aussehen. Ich nehme es inzwischen hin als Interesse an meiner Person. Als Rassismus würde ich das nicht beschreiben, wie es auf manchen Nachrichtenseiten lang und breit behauptet wird. Was ansonsten politisch oder sozial in Lateinamerika los ist, wo mein Vater und meine Großeltern leben, interessiert mich ehrlicherweise nicht so wirklich. Weil ich hier in Deutschland lebe und wählen gehe.

Hana (20): Obwohl ich Halb-Vietnamesin bin, interessiert es mich im Allgemeinen nicht, was in Vietnam passiert. Außer es geht um größere Krisen. Da frage ich dann Familienmitglieder, weil die besser Bescheid wissen. Grundsätzlich will ich wissen, was hier passiert, wo ich lebe.

exit RACISM

Maxime (24): Das gilt für mich auch. Neben Politik und Wirtschaftsnachrichten zu Deutschland habe ich viele Podcasts abonniert zu Allgemeinwissen, Sachen wie „SWR2 Wissen“, „Deutschlandfunk Nova“ oder „Ted Talks“. Die meisten davon höre ich auf Empfehlung von Bekannten, um mich möglichst umfassend zu bilden.

Arturo (24): Podcasts gehen ein bisschen an mir vorbei (lacht). Das liegt auch daran, dass ich momentan mit meiner Zeit deutlich mehr haushalten muss, seit ich in Vollzeit arbeite. Da habe ich nicht mehr so viel Zeit wie als Schüler, durch alle möglichen Formate zu surfen.

Hana (20): Podcasts sind mir einfach zu lang. Außer wenn ich Autofahre… da würde das passen (lacht). YouTube finde ich besser, weil ich da gezielt nach Themen suchen kann und mir dann verschiedene Videos anschauen kann. Mein Freund zum Beispiel guckt sich immer die Videos von Bundestagsdebatten an. Mir raubt das zu viel Zeit, aber er erzählt mir dann von den Streitereien im Parlament. Und den Austausch mit ihm darüber mag ich sehr. Wenn ich was Interessantes auf YouTube entdecke, schicke ich die Videos an meine Freundinnen. Meist tue ich das über WhatsApp. Denn das ist für mich das Portal, über das ich am meisten mit anderen kommuniziere. Gerade in der Corona-Zeit und jetzt vor der Wahl tue ich das intensiver als früher.

Lissi (16): Videos, wo neue wissenschaftliche Phänomene erklärt werden, finde ich auch toll. Mich interessieren auch psychologische Sachen, zum Beispiel im Zusammenhang mit dem Wahlkampf. Ich würde selbst satirisch von mir sagen, ich bin „links-grün versifft“. Natürlich ist jeder Mensch in seiner eigenen Bubble, auch was den Freundeskreis angeht, insofern entspricht die Haltung der Öffentlich-Rechtlichen – wenn sie wirklich so „links-grün versifft“ sein sollten, wie ihnen oft vorgeworfen wird – durchaus meinem Weltbild. Weswegen ich damit kein Problem habe.

Judith (23): Was macht man mit den ganzen Fakten, die einem da täglich entgegenschwappen? Da ist es bei Portalen oder Podcasts schon wichtig, Haltung zu zeigen und Dinge einzuordnen. Aber das sollte immer klar markiert sein als Kommentar oder Meinungsstück.

Sagen, was ist. Der SPIEGEL-Podcast (Original Podcast)

Seid ihr selbst politisch aktiv in einer Partei oder bei Organisationen?

Lissi (16): Ich haben diverse Internetseiten abonniert, damit mir Organisationen Emails für Petitionen zuschicken können zum Unterschreiben: Change.org oder Greenpeace und ein paar andere.

Maxime (24): Ich bin selbst nicht in politischen Gruppen und gehe auch kaum zu Demonstrationen. Weil es da selten um politische Punkte geht, hinter denen ich voll und ganz stehe. Manchmal nehme ich an „Sternfahrten“ teil, wo für mehr Rechte für Fahrradfahrer demonstriert wird, einfach, weil das ein Event ist. Und weil ich das gut finde. Aber bei Fridays for Future wäre ich nie dabei.

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Lissi (16): Mein Klimabewusstsein kam nicht über die Schule. Ich hatte sogar einen Erdkundelehrer, der den Klimawandel geleugnet hat. Das kam bei mir über Social Media. Und ich würde auch sagen, dass ich 95 Prozent meiner Nachrichten über Social-Media-Kanäle zuerst wahrnehme. Ich zähle hier in erster Linie YouTube dazu. Auf den ersten Blick würde man nicht glauben, dass das Social Media ist, aber es gibt da diverse Kanäle, wo es große Online-Communities gibt, die sich austauschen. Die Kommentare geben mir oft nochmal einen anderen Standpunkt, auch von Menschen, die aus anderen Ländern kommen. Dadurch ändert sich oft nochmal meine Meinung. Oder mir wird klar gemacht, dass Sachen in den Videos nicht stimmen. Dass Fehler drin sind. Heutzutage ist es extrem wichtig, sich vielfältig zu informieren und Nachrichten zu vergleichen. Die Zeiten, wo Leute wie meine Omi nur eine bestimmte Zeitung jeden Tag lasen und sonst nichts, sind definitiv vorbei. Ich empfinde das als Befreiung und auch Demokratisierung.

"Die Monopole einzelner Medienhäuser und Redaktionen wurden gesprengt."

Arturo, 24-jähriger Mechaniker aus Berlin

Arturo (24): Genau. Die Monopole einzelner Medienhäuser und Redaktionen wurden gesprengt. Vielfach wird über Votes abgestimmt, was als relevant oder interessant angesehen wird und in Listen hochrutscht. Da kann kein einzelner Chefredakteur mehr mit einer Schlagzeile die Agenda setzen, zumindest nicht mehr im Alleingang.

Lissi (16): Meine Mutter hat sich in ihrem Nachrichtenverhalten mit über 50 Jahren inzwischen an mich angepasst, lässt sich Sachen zeigen, achtet viel mehr darauf, wer genau etwas veröffentlicht. Und ich selbst lerne ständig dazu, über Learning-by-doing, aber auch über Influencer, die mich auf Sachen hinweisen. Das, was für die ältere Generation Redakteure und Nachrichtensprecher waren, sind für meine Generation Influencer. Und da muss man immer hinterfragen, inwieweit so ein Influencer bezahlt wird – und von wem. Letztlich kann heute jeder Influencer werden. Das ist gut so. Das ist in einer Demokratie überlebenswichtig. Nur wenige schaffen es, eine große Reichweite aufzubauen und wirklich etwas zu beeinflussen. Influencer sind abhängig von ihren Followern. Und sie kriegen oft gigantische Shitstorms ab. Wer es da schafft, sich über Wasser zu halten, hat gerade bei jungen Usern gute Karten.

So wird man Influencer

Darfst du, Lissi, als 16-Jährige nicht zumindest an der Landtagswahl teilnehmen?

Lissi (16): Ja, und darauf freue ich mich sehr, weil es meine erste Möglichkeit ist, Repräsentation für mich auszuwählen.

Judith (23): Ich bin zwar derzeit nicht in Deutschland, aber ich habe meine Briefwahlunterlagen schon längst abgegeben. Und werde von Nicaragua aus genau verfolgen, was am Wahlabend passiert. Das ist ja das Tolle an unserer Zeit: man kann überall an fast jede Information rankommen.

Arturo (24): Es hat auf jeden Fall eine Demokratisierung der Nachrichten gegeben. Im Endeffekt kann heute jeder seine Nachrichten im Netz verbreiten. Wie viel Aufmerksamkeit er dann dafür kriegt, ist eine andere Frage. Dadurch kommt man an Geschichten ran, die teils im Nachrichten-Mainstream nicht vorkommen. Solche „anderen“ Perspektiven findet man auch bei Seiten wie „Abgeordneten-Watch“, wo’s die Rubrik „Wer tickt wie?“ gibt. Das finde ich super.

Lissi (16): Ich sehe die Zukunft optimistisch. Wenn Menschen in der heutigen Zeit uninformiert sind bezüglich Politik, Klimawandel, gesellschaftlichen Umwälzungen oder sonst was, dann sind sie selbst schuld. Zumindest wenn sie hier in Europa leben, wo so viele Informationen leicht und umsonst zugänglich sind.

Arturo (24): Es gibt den Spruch „Nach der Wahl ist vor der Wahl“. Ich habe den Eindruck, das wird auch diesmal zutreffen. Deshalb: Je mehr Informationen und Perspektiven es gibt, desto besser für unsere Gesellschaft und für unsere Demokratie.