Der Fanfiction-Bestseller Shades of Grey hat es gezeigt: Was als erotische Twilight-Fanfic im Internet begann, endete erst auf internationalen Bestsellerlisten und dann auf der Kinoleinwand. Und diese Erfolgsstory soll keine Ausnahme bleiben, wenn es nach den Verlegern geht. Viele von ihnen lecken sich die Finger nach dem nächsten Bestseller, der ursprünglich als Fanfiction begann.

Das Verkaufspotenzial von Fanfiction in Buchhandlungen ist auch traditionellen Medien wie dem Wall Street Journal oder der Washington Post nicht entgangen. Nachdem Anna Todd für After, ihre Fanfiction über One Direction, einen lukrativen Buchdeal mit US-Verleger Simon & Schuster abschloss, schrieb die Post: “Was einst ein wenig angesehener Urheberrechts-Alptraum war, bietet Verlegern nun eine neue, jugendfreundliche Herangehensweise”. Probleme mit dem Copyright lassen sich einfach lösen, in der Regel indem Namen geändert werden. Bei “real person fiction”, also Fanfic, die sich um reale Personen dreht, ist das im Grunde alles, was zu bedenken gilt. Einen Plot oder Charakter, der von anderen Autoren adaptiert wird, gibt es ja nicht.

Fanfiction-Bestseller: Von verpönt zu vermarktet

Selbst wenn die Frage des Copyrights mitunter einfach zu klären ist, bleibt eine gewisse Abschätzung bestehen. Fanfic, für viele bleibt das schlicht geistloses Abschreiben. Autoren wie George R.R. Martin, Anne Rice oder Diana Gabaldon verurteilen die literarische Form aufs Schärfste. Martin nennt es “faul” sich seiner Charaktere zu bedienen und Anne Rice warnt auf ihrer Webseite, dass sie Fanfiction nicht zulässt. Die Outlander-Autorin Gabaldon urteilt, dass Fanfic-Autoren ein Publikum stehlen, auf das sie kein Anrecht haben. Jedoch gibt es auch einige Autoren, die eine ganz andere Meinung vertreten.

Twilight Autorin Stephanie Meyer und Harry-Potter-Schöpferin J.K. Rowling haben in der Vergangenheit Fanfic unterstützt, letztere unter der Bedingung, dass sie nicht gewinnbringend veröffentlicht wird. Orson Scott Card, der Autor von Enders Game, war zunächst abgeneigt und hat Fanfic-Autoren in der Vergangenheit auch juristisch belangt. Inzwischen hat er den Mehrwert ihrer Werke erkannt uns sogar zu einem Wettbewerb aufgerufen. Die beste Fanfic-Einsendung wurde in den “Kanon” der Ender’s-Game-Reihe aufgenommen. Card sagte dem Wall Street Journal dazu, dass jedes Fanfic-Werk, dass sich seiner Geschichte bedient, Werbung für sein Buch sei. “Was wäre ich für ein Idiot, wenn ich wollte dass das verschwindet?“ Karl Olsberg, der mit Würfelwelt selbst einen Fanfic-Roman veröffentlicht hat, hält die abschätzende Haltung von Verlagen für überholt. Bei einer Konferenz von epubli, einem Verlag der unter anderem darauf spezialisiert ist Fanfic zu veröffentlichten, erinnerte er daran, dass selbst die Ilias und die Odysee “Fanfiction” gewesen wären. Mit deren Charakteren waren die Griechen und Fanfiction damals schließlich auch schon vertraut. Er wies zudem ebenfalls daraufhin, wie gut sich mit Fanfic werben ließe.

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Testfeld für neue Talente

Selbst wenn es sich nicht um Storys handelt, die bereits vorhandenen Romanwelten oder Charakteren einen neuen Spin geben, wie beispielsweise bei Fanfic über One Direction, gibt es auch in diesem Fall einen Vermarktungswert. Sony Music zum Beispiel hat schon 2012 zum Valentinstag eine Autorin der Plattform Wattpad dafür engagiert eine Fanfic-Story über die Boyband zu schreiben, um deren US-Publikum zu erweitern. Die digitalen Plattformen, die nach vielversprechender Fanfic durchsucht werden, liefern gleich wichtige Informationen über Reichweite und Beliebtheit gratis mit dazu. Schließlich lässt sich auf Wattpad, Kindle Worlds und Co. einfach nachvollziehen wie viele Leute die Geschichten gelesen, bewertet und kommentiert haben. Somit haben Entscheidungsträger mehr Anhaltspunkte, über das Potenzial eines neuen Romans oder einen neuen Serie zu entscheiden. Die Fanfic-Seiten sind ihr Testfeld.

Literatur-Agentin Lorella Belli sagte gegenüber der Vanity Fair, dass Fanfic-Autoren ihre Bücher zuweilen überzeugender präsentieren als ihre Konkurrenten, da sie ihre Geschichten bereits an einem strengen Publikum testen und dessen Feedback verarbeiten konnten. Ein Zauberrezept ist das nicht, denn im Buchhandel entscheiden natürlich auch andere Zielgruppen. Doch die Fanfic-Gemeinde ist trotzdem ein guter Weidegrund für die Talentscouts der Verlagshäuser. Viele Fanfic-Autoren sind ebenfalls klassische “self publisher”, die originale Werke veröffentlichen und bereits einen beachtlichen Kreis eigener Fans aufgebaut haben. Diese anzuwerben und ihnen einen Buchdeal zu gewähren, erlaubt Verlegern den Anschluss an “digital natives” nicht zu verlieren und Talente zu rekrutieren, die ihre Fähigkeiten bereits unter Beweis gestellt haben. Das Genre birgt also viele Schnittstellen und Anknüpfungspunkte, die es Fans erlauben Autoren zu sein, die es Autoren ermöglicht weitere Fans zu gewinnen und Verlegern und Vermarktern neue profitable Titel bringt.