Homers „Odyssee“, die „Aeneis“ von Vergil, Ovids „Metamorphosen“: In griechischen und römischen Mythen, Legenden und Epen wie diesen werden starke männliche Heldenfiguren wie Herakles beziehungsweise Herkules oder Odysseus gefeiert. Figuren wie Achilles werden darin so beeindruckend dargestellt, dass sie auch nach Jahrtausenden noch Menschen inspirieren.
Natürlich gibt es auch wichtige, einflussreiche und starke Frauen in antiken griechischen und römischen Erzählungen. Darunter Göttinnen wie Artemis, solche mit übernatürlichen Kräften wie die Zauberin Medea, die Weissagerin Kassandra oder Antigone – Hauptfigur in Sophokles‘ gleichnamiger Tragödie. Nichtsdestotrotz sind antike griechische und römische Gedichte, Dramen und Epen ein Spiegel ihrer Zeit – und verraten etwas über antike Gesellschaften und die in ihnen geltenden Vorstellungen von Identität, Moral und Beziehungen.
Da sowohl in der antiken römischen als auch in der griechischen Gesellschaft patriarchale Strukturen stark ausgeprägt waren, stehen männliche Helden, Krieger und Könige, die große Taten vollbringen, in vielen zentralen Erzählungen der Antike im Mittelpunkt. Obwohl Frauen in diesen Geschichten oft wichtige Rollen spielen, werden sie anstatt für Stärke oder kriegerische Fähigkeiten für andere Eigenschaften gelobt – zum Beispiel für ihre Weisheit, Klugheit, moralische Integrität oder Selbstlosigkeit. Das heißt nicht, dass weibliche Charaktere in antiken Erzählungen eindimensional sind. So ist Medusa zum Beispiel gleichzeitig Zauberin, Verräterin und verletzte Mutter und Ehefrau.
Trotzdem, und weil sich kulturelle Werte und Normen im Laufe der Zeit verändern, erzählen einige Autorinnen und Autoren antike Heldengeschichten neu. Dabei stellen sie zum Beispiel Beziehungen zwischen Charakteren nuancierter dar als in ursprünglichen Darstellungen und zeigen Seiten von Figuren, die in antiken Epen nicht erwähnt werden. So eröffnen sie uns neue Perspektiven auf altbekannte Geschichten.
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Mythologie mit frischem Blick neu erzählt: Unsere Buchempfehlungen
Götter, mystische Kreaturen wie geflügelte Pferde, Sirenen, Harpyien – und jede Menge Drama: Mythologie liefert Autorinnen und Autoren jede Menge Stoff, um antike Epen wie Homers „Ilias“ neu zu erzählen oder modern umzuinterpretieren. Eine Autorin, die Expertin für moderne Adaptionen antiker Mythologie ist, ist Madeline Miller.
In Das Lied des Achill definiert Miller die Beziehung zwischen zwei Charakteren, die an anderer Stelle nicht eindeutig geklärt ist. So erzählt der Roman die Geschichte rund um den Krieg von Troja auf eine neue Art und Weise. Hier ist die Beziehung zwischen Achilles und Patroklus anders als zum Beispiel in Homers „Ilias“ mehr als nur kameradschaftlich.
Achill, anmutiger und schöner Sohn der Meeresgöttin Thetis und des Königs Peleus, und Patroklus, ein unbeholfener, aus seinem Heimatland verbannter junger Prinz, verlieben sich ineinander. Während Achill sich als Krieger beweisen will, weicht Patroklus, getrieben von Sorge, im Krieg gegen die Trojaner nicht von seiner Seite. Der Konflikt verlangt den beiden ein schreckliches Opfer ab … Emotional, gefühlvoll, tragisch.
Römische Helden: Unsere Top 10 historischen Antike-Romane
Medusa ist ein Monster. Zumindest war sie davon lange Zeit überzeugt. Schließlich hat sie die Göttin Athene höchstpersönlich zu einem abscheulichen Wesen mit Schlangenhaaren gemacht. Und das vollkommen zu Unrecht. Denn der Gott Poseidon sie im Tempel bedrängt – und nicht andersherum. So oder so: Aufgrund von Athenes Zauber genügt ein einziger Blick Medusas, um alle, die sie ansehen, in Stein zu verwandeln.
Um Menschen vor diesem schrecklichen Schicksal zu bewahren, verbannt sich Medusa selbst ins Exil – auf eine Insel am Ende der Welt. Dort führt sie ein einsames Leben. Bis eines Tages Perseus, Sohn von Göttervater Zeus und Danaë, auftaucht. Sein Ziel: Medusa enthaupten. Doch Medusa hat es satt, dass alle sie als Monster sehen. Stone Blind - Der Blick der Medusa von Natalie Haynes ist tragisch, gleichzeitig humorvoll und überraschend.
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Die Geschichte von Ariadne, Theseus und dem Minotaurus ist einer der beanntesten Mythen des antiken Griechenlands und hat viele Künstler, Dichter und Schriftsteller in verschiedenen Kulturen und Epochen inspiriert – so auch Jennifer Saint. In Ich, Ariadne wird Ariadne, Prinzessin von Kreta und Tochter von König Minos, von Athen nach Kreta gebracht.
Hier soll sie ihren Bruder opfern, indem sie ihn dem Minotaurus, ein von ihrer Mutter Pasiphae geborenes Monster mit dem Körper eines Mannes und dem Kopf eines Stiers, zum Fraß vorwirft. Aber Ariadne will sich diesem Schicksal nicht einfach ergeben. Gemeinsam mit dem athenischen Helden Theseus und ihrer Schwester Phädra besiegt sie die Kreatur und reist mit Theseus auf die Insel Naxos. Doch der vermeintliche Traumtyp Theseus stellt sich eher als Enttäuschung heraus. Wird Ariadne, die sich weder Göttern noch Männern unterordnen will, ihren Platz in der Welt finden?
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Treu, loyal, ihrem Mann ergeben – auch wenn dieser 20 Jahre lang Krieg in Troja führt und anschließend eine epische Irrfahrt antritt. Für diese Eigenschaften wird Penelope, Ehefrau von Odysseus und Königin von Ithaka, unter anderem in Homers „Odyssee“, gefeiert. Schließlich beweist sie sich als gute Ehefrau, die in Odysseus‘ Abwesenheit alle an ihr interessierten Männer abwehrt. Bei seiner Wiederkehr nach langen Jahren besteht sie sogar seine Probe, wodurch sie sich als würdig erweist, an seiner Seite Königin zu sein.
Aber war Penelope ihrem Mann wirklich so treu ergeben, oder hat sie sich auch über sein Verhalten geärgert? Und welche Meinung hatte Penelope tatsächlich von Paris und der schönen, aber fiesen Helena? Schließlich waren diese beiden für den Krieg zwischen Troja und den Griechen und damit dafür verantwortlich, dass ihr Mann viele Jahre lang nicht da war.
Aus der Unterwelt blickt Penelope auf ihr Leben zurück und reflektiert ihre Ehe sowie ihr eigenes, aber auch das Leben ihrer zwölf ihr treu ergebenen Mägde, die nach Odysseus‘ Rückkehr zum Tod verurteilt wurden. Dabei denkt sie, die ihr Leben lang im Schatten ihres Mannes stand, auch über ihre Rolle als Frau in der griechischen Gesellschaft nach und darüber, wie sich das Leben der einfachen Mägde von ihrem eigenen unterscheidet. Penelope und die zwölf Mägde von „Der Report der Magd“-Autorin Margaret Atwood ist modern, klug und pointiert.
Auch The Silence of the Girls von Pat Barker erzählt die Geschichte des trojanischen Kriegs neu. Dabei liegt das Augenmerk dieses Mal aber nicht auf heldenhaften Kriegerinnen oder Kriegern, sondern auf den oft übersehenen Frauen, die im Hintergrund des Krieges leiden und überleben. Auf Sklavinnen, Prostituierten, Krankenschwestern und anderen, die in traditionellen Erzählungen oft stumm bleiben.
In diesem Werk erfährst du mehr über die finalen Wochen des Trojanischen Kriegs aus der Perspektive von Briseis. Diese Königin wird zur Kriegsbeute von Achilles, nachdem der ihre Stadt geplündert und ihren Ehemann und Söhne ermordet hat. Ein kraftvolles Werk über Krieg, Leid und die Resilienz von Frauen in Zeiten extremer Umstände. Perspektiverweiternd, grausam und gleichzeitig poetisch.
Für Jugendliche und Heranwachsende, die Lust auf modern interpretierte und neu erzählte antike Mythologie haben, könnte Fluch der Aphrodite von Marah Woolf genau das Richtige sein. Apoll, der Gott des Lichts, hat in der Vergangenheit durch seine Schwäche für Frauen seine Pflicht vernachlässigt, Troja vor den Griechen zu schützen. Als Troja fällt, gibt die Göttin der Liebe, Aphrodite, ihm die Schuld. Und sie verflucht ihn, sodass sich keine Frau jemals wieder in ihn verliebt. Aber das ist noch nicht alles.
Göttervater Zeus verbannt Apoll von Mytikas, der Heimat der Götter. Ab sofort muss er als gefallener Gott unter den Menschen leben. Trotz seines göttlichen Status' muss Apoll deshalb auf moderne Mittel zurückgreifen, um Liebe zu finden. Er versucht sein Glück auf Tinder, liest kitschige Liebesromane und bekommt von seinen Freunden gut gemeinte Ratschläge. Doch dann tauchen alte Feinde auf, die verhindern wollen, dass Apoll in den Olymp zurückkehrt. Wird es ihm gelingen, trotz dieser Umstände Liebe zu finden? Das Buch ist charmant, witzig und nimmt im Verlauf an Fahrt auf.
Die Welt der antiken griechischen Kriegsführung war eine Männerwelt. Eigentlich. Denn es gab auch die Amazonen – einen Stamm kriegerischer Frauen, die den Männern in ihrer Brutalität und Härte in nichts nachstanden. Die Erfolgreichsten unter ihnen: die Dominantesten und Gnadenlosesten. Und weil die Göttin Artemis vorhergesagt hat, dass die Amazonen nach dem Fall Trojas die Welt beherrschen werden, sind sie von Kriegslust beseelt.
Aber leider hat Artemis ausgerechnet Areto mit göttlichen Kräften ausgestattet – eine Frau, die keine Kriegerin ist. Nicht alle Amazonen sind von der Erwählung dieser Frau begeistert. Es folgt ein Konflikt, der den Untergang des Amazonenstammes im Krieg um Troja bedeuten könnte … Die Götter müssen sterben von Nora Bendzko ist schonungslos, queer und intensiv.
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