Wer meint, der von Bella und Edward ausgelöste Teenager-Vampir-Hype sei inzwischen verpufft wie Blutsauger in der Sonne, irrt sich: Vampire sind als Trend so unsterblich wie die untoten Wesen selbst. Ob in den Neunzigerjahren mit "Bram Stoker's Dracula"-Klassiker und "Buffy", dann mit dem großen "Twilight"-Erfolg von Stephenie Meyer oder mit den unzähligen Dark Romantasy-Romanreihen, in denen Liebe, Tod und Leidenschaft nah beieinander liegen - Vampire faszinieren als zwiegespaltene wie gefährliche (Anti-)Helden immer wieder neu.

Das weiß auch Netflix, das in acht Episoden ab dem 10. Juni 2022 "First Kill" zeigt - eine dramatische Lovestory zwischen einer Vampirin und einer Vampirjägerin. Die Serie basiert auf einer Kurzgeschichte der Fantasy-Autorin V. E. Schwab aus der Anthologie "Vampires Never Get Old". Der Streamingdienst trifft damit den Zeitgeist, denn die Serie vereint Teenager-Drama mit Queerness und Diversity.

Juliette, gespielt von Sarah Catherine Hook, verliebt sich in die Neue an ihrer Schule - Calliope (Imani Lewis). Dass die eine weiß und die andere schwarz ist, und sich hier zwei Mädchen zueinander hingezogen fühlen, ist eher ein kleines Problem. Es gibt ein viel größeres: Juliette ist eine Vampirin, Cal eine Vampirjägerin. Und beide sollen, als Reifeprüfung für ihre Familienclans, zum ersten Mal töten.

"First Kill" ist aufgrund seines queeren, leidenschaftlichen Liebespaares eine zeitgemäße Antwort auf das keusche Hetero-Pärchen aus "Twilight". Doch Juliette und Cal werden sicher keine Fanclubs durch Keuschheitsgelübde nach sich ziehen, und ihre sexuelle Orientierung ist nicht das, was ihnen Schwierigkeiten bereitet. Es ist die Loyalität zu ihren Familien und die Veränderungen, die sie durchlaufen, die sie auf eine harte Probe stellt. Coming of Age steht für beide auf dem Programm, und das findet in "First Kill" auch mit Blut und Action statt.

Bei V. E. Schwab ist Diversity zwar ein wichtiges Element. Aber es geht vor allem um eine fantastische Geschichte und eine aufregende Welt, in die Lesende tief und detailreich eintauchen.

Netflix-Serie "First Kill": Die Autorin V.E. Schwab

V. E. Schwab, mit vollem Namen Victoria Schwab, ist die Tochter einer englischen Mutter und eines amerikanischen Vaters. Im tiefsten Süden der USA aufgewachsen, wird die 1987 geborene Autorin früh vom Reisefieber getrieben, und dem gibt sie gerne nach. Die reich beschriebenen Schauplätze und das fantasiereiche World building in ihren Romanen sind ein Resultat davon, und entführen die Lesenden an dunkel schillernde, bis ins Detail ausgeschmückte Schauplätze. Sie erinnern mal ans alte Europa, mal an böse Märchen, dann wieder beschwören sie eine erschreckend plastische Zukunft herauf.

Dass V. E. Schwab in ihrer Schriftstellerinnen-Karriere immer mehr LGBT-Figuren in ihre Geschichten einbaute, kommt nicht von ungefähr. Lange suchte sie nach der eigenen sexuellen Verortung. Sie outete sich erst mit Ende zwanzig als homosexuell. Ihr persönliche Reise beschrieb sie in einem bewegenden Essay für das Online-Magazin von Oprah Winfrey. Sie verglich ihren Weg darin mit einer Reise durch ein Haus, in dessen Räumen sie sich nie richtig zuhause fühlte. Die LGBT-Figuren in ihren Büchern sind schon zuhause angekommen: Schwab lässt sie mit einer Selbstverständlichkeit und Selbstsicherheit auftreten, die sie selbst erst entwickeln musste.

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Dark Fantasy heute: queer und divers

LGBT ist deshalb ein häufiger Bestandteil in Schwabs Geschichten. Manchmal zentral, oft jedoch einfach nur im Sinne der Repräsentation, wenn queere Figuren ganz selbstverständlich in der Geschichte mitmischen. Auch auf Charaktere mit unterschiedlichen Hautfarben achtet die Fantasy-Autorin. Diversity findet statt, ohne jedesmal einen großen Wind darum zu machen - so, wie es eben sein sollte.

Die Magie, die sich durch Schwabs Erzählungen zieht, ist meist düster und bewegt sich irgendwo zwischen Dark Fantasy, Urban Fantasy, Dark Academia und sogar Science-Fiction. Unsere reale Welt - oder zumindest eine wiedererkennbare Variante davon - verwebt sich mit fantastischen Elementen. Die gehen weit über das übliche Klischee von zwei verfeindeten Königreichen hinaus, in denen sich am Ende Prinz und Prinzessin in die Arme fallen. Bei V. E. Schwab ist es komplizierter und düsterer: Monster, die kaum von Menschen zu unterscheiden sind; verschiedene Parallelwelten; die Konsequenzen von Unsterblichkeit oder das Reich zwischen Leben und Tod - die Autorin mag Grauzonen und Tiefe.

Schwabs Bücher - sowohl ihre Serien als auch ihre eigenständigen Romane - sind regelmäßig Bestseller. Für ihr jugendliches Publikum veröffentlicht sie ihre Werke unter dem Namen "Victoria Schwab", ihre Bücher für eine erwachsene Leserschaft dagegen unter "V. E. Schwab". Allerdings ist die Einordnung fließend und wird, je nach Land, unterschiedlich gehandhabt. Und dass auch Erwachsene gerne YA-Fantasy lesen oder als Hörbuch hören, ist längst kein Geheimnis mehr.

Die besten Fantasy-Bücher von V. E. Schwab

Vier Farben der Magie

Eine der erfolgreichsten Serien von V. E. Schwab ist die Weltenwanderer-Trilogie. London besteht in dieser Trilogie aus vier verschiedenen Parallelwelten, in denen Magie eine jeweils unterschiedlich starke und riskante Rolle spielt: das rote, das weiße, das graue und das schwarze London. Hauptfigur Kell ist ein Antari und Schmuggler, der zwischen den vier Welten wandern kann. Als Folge einer schief gelaufenen Übergabe, in die Taschendiebin Lila verwickelt ist, beginnt für beide ein gefährliches Abenteuer.

Die Weltenwanderer-Reihe, auch "Shades of Magic" genannt, strotzt vor aufregendem World Building. Dafür muss man im ersten Teil, "Vier Farben der Magie", etwas Konzentration und Geduld aufbringen, kann dafür aber tief eintauchen in eine Welt mit Maskenbällen, magischen Artefakten, zwielichtigen Gaunern, königlichen Festivitäten und schwarzer Magie.

Der LGBT-Faktor ist subtil, aber wichtig. Eine bisexuelle und eine homosexuelle Figur gehören zum Ensemble, ohne dass dies an die große Glocke gehängt wird. Erfrischend: Es geht zur Abwechslung nicht um eine Romanze zwischen den Hauptfiguren oder um die in Fantasy-Reihen so oft vorkommende Dreiecksgeschichte.

Vicious - Das Böse in uns

Bösewichte als Hauptfiguren: Die Fantasy-Reihe Vicious and Vengeful ist tief getränkt in Dark Academia Vibes: Zwei Studenten - Victor und Eli - finden beim Experimentieren einen Weg, um durch Nahtod-Erlebnisse Superkräfte zu entwickeln. Die sind nicht unbedingt ein Segen, für die zwei nicht, und für die normale Welt ebenso wenig. Aus den rivalisierenden Freunden werden bittere, gefährliche Rivalen.

Schwab spielt mit der Anziehungskraft von richtig gut beschriebenen Bösewichten, die ihre eigenen Grenzen wie die der Lesenden austesten. Mit Sympathie für die beiden ist das so eine Sache, aber faszinierend sind Victor und Eli ungemein. Und fürs Herz baut Schwab einfacher zu mögende (und auch wieder queere) Nebenfiguren in den ersten Teil ein, die im zweiten eine größere Rolle spielen dürfen. Weniger World Building, dafür ein verführerischer Tanz mit dem Bösen.

Dieses wilde, wilde Lied

Mit der Grauzone zwischen Gut und Böse beschäftigt sich Victoria Schwab auch in dieser Urban-Fantasy-Romanreihe. Die Stadt Verity City ist in zwei verfeindete Hälften geteilt, Menschen und Monster kämpfen gegeneinander. Das Problem: Monster sind von den Menschen nicht so leicht zu unterscheiden - und umgekehrt? Zwei Vertreter beider Arten, Kate und August, finden sich gemeinsam auf der Flucht wieder. Die Grenzen zwischen Gut und Böse verschwimmen noch mehr ...

Für Jugendliche geschrieben, und erfrischend frei von der erwarteten Romanze, sind die aufgeworfenen moralischen Fragen so spannend, dass Monsters of Verity auch von Erwachsenen gemocht wird. Ein fantastisch geschriebenes post-apokalyptisches Setting macht die Trilogie zum Pageturner.

City of Ghosts - Die Geister, die mich riefen

Geister und das Reich zwischen Leben und Tod sind der Spielplatz für die Jugendbuch-Trilogie City of Ghosts. Cassidy Blakes Eltern sind selbsternannte Geisterjäger, aber Gespenster wirklich sehen kann nur Cassidy - unter anderem ihren besten Freund Jacob. Bei einer Reise nach Schottland, wo sich die Geister nur so tummeln, trifft Cass auf ein Mädchen mit den gleichen Fähigkeiten wie sie, und eine untote Seele streckt die Krallen nach ihr aus.

Der wohlige Schauder von Geistergeschichten verbindet sich mit Schwabs Detailverliebtheit zu einer stimmungsvollen Trilogie für jüngere Jugendliche. Gleichermaßen gruselig und sympathisch.

Die besten Stand-alone-Romane von V. E. Schwab

Das unsichtbare Leben der Addie LaRue

Unsterblich - wer möchte das nicht sein? In einem verzweifelten Moment, auf einem Schlachtfeld in Frankreich im Jahre 1714, geht Addie LaRue einen Pakt mit dem Teufel ein. Sie erlangt Unsterblichkeit. Aber zu einem hohen Preis: Niemand kann sich an sie erinnern. Ihr Name verschwindet auf Papier. Wer sie trifft, vergisst sie sofort wieder. Addie führt ein Leben quer durch die Jahrhunderte, ohne Bindungen, unsichtbar - bis sie auf Henry trifft.

Wieder greift Schwab, in eine spekulative Fantasy-Geschichte verpackt, philosophische Fragen auf. Was kostet ein Leben, das nie endet? Ist es den Preis wert? Was bedeutet Unsterblichkeit, wenn man keine Spuren hinterlässt und niemanden hat, mit dem man sie teilen kann? Pathos, Romantik und die menschliche Tragödie der Mortalität verbinden sich zu einem ebenso mitreißenden wie ernsten Roman für eine erwachsene Leserschaft.

Gallant

Vorerst nur auf Englisch gibt es V. E. Schwabs neuesten Streich. In Gallant kehrt eine junge Frau, von Geburt an stumm, auf den gleichnamigen Familienlandsitz zurück. Der hat eine verborgene dunkle Seite - und Olivia findet die Tür, die hinüber führt. Auf der dunklen Seite warten Ghoule, das Haus zerfällt, und eine mysteriöse Figur herrscht über allem. Wird Olivia den Platz an der Seite des Masters einnehmen? Oder wird sie Gallant und ihre Welt davor beschützen?

Weitere Fantasy-Romane für Fans von "First Kill"

Schwabs Mischung aus Imagination, Coming of Age, Dark Fantasy, World Building und LGBT ist ziemlich einzigartig. Dennoch gibt es auf dem Fantasy-Buchmarkt einige Titel, die Elemente davon aufgreifen.

Die Wächterinnen von New York

Jede Stadt hat eine Seele, die als Avatar erwacht. In New York müssen fünf Misfits die Seelen der fünf Stadtteile vor dem Untergang bewahren. N.K. Jesmin ist eine schwarze Own Voices Autorin, die für ihre dunkle Urban-Fantasy-Geschichte einen diversen Cast gewählt hat.

Die Gemeinschaft der Dolche

Marie Lus Trilogie Young Elites vereint das post-apokalyptische Setting nach einer Seuche mit einer Hauptfigur of color und dunklen Rachegefühlen. Das Setting erinnert an Venedig zur Zeit der Renaissance.

Crave

Tracey Wolffs Reihe Die Katmere Academy Chroniken sind "Twilight" sehr ähnlich: Eine Romanze mit viel Teenager Angst, "Soll-ich-oder-soll-ich-nicht", und natürlich mit einem unwiderstehlichen Vampir.

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Das Lied der Krähen

Sechs Außenseiter haben in der Handelsstadt Ketterdam sehr unterschiedliche Motive, um einen gefährlichen Magier aus dem Gefängnis zu befreien. Leigh Bardugo bevölkert diesen Ableger der Grisha-Reihe ganz selbstverständlich mit queeren Charakteren.

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Rosen und Knochen

Eine dunkle Adaption des Märchens von "Schneeweißchen und Rosenrot" ist der Jugendroman Die Hexenwald-Chroniken von Christian Handel. Wie der Autor selbst sind auch seine Figuren auf dem LGBT-Spektrum unterwegs, und Repräsentation ist ihm ebenso wichtig wie seine Liebe zu alten Märchenmotiven, di er neu interpretiert.

Die Roten Schriftrollen

Diese Duologie konzentriert sich auf zwei queere Charaktere aus der berühmten "Schattenjäger"-Welt von Cassandra Clare: Hexenmeister Magnus Bane und Schattenjäger Alec Lightwood sind auf einem romantischen Kurztrip nach Paris, als ein dunkler Dämonenkult die Welt ins Chaos zu stürzen droht.