Gilgi - eine von uns

Kategorie: "Beste Interpretin"

Preisträgerin: Camilla Renschke

Köln in den 20er Jahren: Die 21-jährige Gilgi erfährt, dass sie nicht das leibliche Kind der gutbürgerlichen Eltern ist, die sie großgezogen haben. Sie macht sich auf die Suche nach ihren Wurzeln. Und sie verliebt sich in den Künstler und Bohemien Martin. Beides wirft sie aus der Bahn.

Der Debütroman von Irmgard Keun erschien bereits in den 30er Jahren, wurde aber bald von den Nazis verboten und ließ die Autorin in Vergessenheit geraten. Jetzt holt die preisgekrönte Lesung von Camilla Renschke ihn zurecht wieder ans Licht. Die junge Sprecherin liest frisch, eingetaucht in die aufregenden 20er und meistert auch den kölschen Dialekt. Die Jury des Hörbuchpreises bezeichnet ihren Vortrag als "leichtfüßig und mädchenhaft", aber auch als "persönlich und provozierend".

Serotonin

Kategorie: "Bester Interpret"

Preisträger: Christian Berkel

Der Titel bezeichnet den Wirkstoff des Antidepressivums, das ein vom Leben ermüdeter Agraringenieur einnimmt. Dennoch hat er vor, sich von allem zu verabschieden und zieht bittere Bilanz über das Leben, die Liebe und die moderne Gesellschaft und Politik. Ein Fazit des menschlichen Scheiterns.
Sprecher Christian Berkel ist nicht nur ein bekannter deutschter Schauspieler, sondern auch ein Frankreich-Kenner. Das hört man: Seine elegante Interpretation erfasst die Zwischentöne des französischen Originals von Michel Houellebecq. Die Preisträgerjury urteilt: "Er fasst die intellektuelle Dimension des Textes und dessen ergreifende Melancholie auf beeindruckende Weise". Seine Lesung ist unterhaltsam, intelligent und feinsinnig zugleich.

Die Jahre

Kategorie: "Bestes Hörspiel"

Die französische Autorin Annie Ernaux schrieb im Wesentlichen autobiografisch, darunter auch ihren 2008 erschienenen Roman "Die Jahre". Die Hörspielversion von 2019 setzt mit vier Frauenstimmen in unterschiedlichem Alter und mit ihrer linearen Erzählstruktur die Geschichte vom Aufwachsen in der Nachkriegszeit und vom Frausein in Frankreich in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts kongenial um. Regisseurin Luise Voigt und Komponist Björn SC Deigner machen daraus einen fließenden Strom der Erinnerungen. Die Jury hebt die "vielschichtige minimalistische Komposition" Deigners und bewundert das Hörspiel als eigenständiges Kunstwerk "in seiner klanglichen Dichte und Assoziationskraft."

Eine kurze Geschichte der Trunkenheit

Kategorie: Bestes Sachhörbuch

Der Titel des Sachbuchs von Marc Forsyth ist Programm: Komiker und Entertainer Jürgen von der Lippe führt den Hörer mit gebotenem Ernst und ebenso gebotenem Humor durch die Geschichte des Alkoholkonsums, von den alten Griechen bis in die Gegenwart, von den Einzellern bis zum modernen Homo Sapiens. Das ist kein Klamauk, sondern hoch unterhaltsame Information, in der von der Lippe zeigt, wie gut er den feinen Grat zwischen Witz und Wissen ausbalancieren kann. Die Jury formuliert das so: "Jürgen von der Lippe bewältigt diesen Parforceritt mit der ihm eigenen Leichtigkeit, ohne dabei jemals die dem Thema innewohnende Ernsthaftigkeit aus dem Blick zu verlieren."

Agatha Merkwürdens Racheblumen

Kategorie: "Bestes Kinderhörbuch"

Die brave Melissa hat eigentlich kein Problem mit Regeln. Doch als sie ein Tütchen mit Blumensamen findet, sagt ihr eine Stimme, dass sie sie aussäen muss. In einer Stadt, die von Strenge, Ordnung und grauem Beton beherrscht wird, kann das Einiges auslösen.
Eine Kinderjury hat diese Kategorie beurteilt. An diesem Titel gefiel den Kids nicht nur die Botschaft über Natur und das Bunt- und Wildsein und dessen Länge von mehr als acht Stunden, sondern auch, dass das Hörbuch sowohl Jungen als auch Mädchen anspricht. Sascha Icks ist eine lebendige und sympathisch klingende Sprecherin, genau richtig für eine aufregende Geschichte, in der eine verrückte Sache nach der anderen passiert. Für die jungen Preisrichterinnen und -richter war das Kinderhörbuch, geschrieben von Nicola Skinner, ein "magisches Hörerlebnis".

Achtsam morden

Kategorie: "Beste Unterhaltung"

Zum Wohle seiner Ehe und seiner Work-Life-Balance wird der Anwalt Björn Diemel von seiner Frau zu einem Seminar über dieses Trend-Thema gezwungen. Und siehe da: Trotz seiner Abneigung kann er das erworbene Wissen unerwartet schnell anwenden, als er einen seiner Mandanten, einen Mafiaboss, um die Ecke bringt - natürlich besonders achtsam.

Sprecher Matthias Matschke macht mit seiner amüsanten und sanften Lesung aus einem unsympathischen Mörder einen Sympathieträger. Wahnwitz und schwarzer Humor werden feinsinnig von ihm umgesetzt. Der Tod wird geradezu zum Lachen! Bei seiner Umsetzung des klugen und hoch ironischen Krimis von Karsten Dusse war sich die Jury einig: "Unterhaltung vom ersten bis zum letzten Satz!"

Sonne und Beton

WDR Publikumspreis - "Mein Hörbuch 2019"

Im Rahmen der Gala zum Deutschen Hörbuchpreis wird auch immer der "WDR Publikumspreis" verliehen und als einziger Preisträger auch an diesem Abend erst enthüllt. Diesmal musste die Bekanntgabe online erfolgen: Felix Lobrecht erhält als Autor und Sprecher seines Debütromans Sonne und Beton die Auszeichnung. Darin erzählt er frech, explizit und lebensecht von einem Sommer und vier Jungs in einer Berliner Hochhaussiedlung. Slang, Dialoge und Berliner Schnauze sind aus dem wahren Leben gegriffen: Felix Lobrecht wuchs selbst in einer solchen Siedlung auf und bringt das authentisch rüber. Das gefiel offenbar auch den Hörern: Dieser Preis wurde durch eine öffentliche Online-Abstimmung vergeben, bei der sich Lobrecht gegen etliche starke Titel, zum Beispiel Das Institut von Stephen King oder Blackbird von Matthias Brandt durchsetzte.

Kategorie: "Bester Podcast"

Preisträger: Lena Gürtler, Britta von der Heide und Volkmar Kabisch

Seit letztem Jahr hat sich der Deutsche Hörbuchpreis dem digitalen Zeitalter angepasst und zeichnet auch den "besten Podcast" aus. Diesmal ist das "Leonora" von NDR Info. Er erzählt, wie die 15jährige Leonora aus Deutschland verschwindet, um sich in Syrien den Terrormilizen des IS anzuschließen. Und vom Kampf von Leonoras Vater, Maik Messing, seine Tochter zurückzugewinnen und wieder nach Hause zu holen. Der Podcast basiert auf Filmmaterial, Chats, SMS und Tagebucheinträgen, die in originalgetreu anmutende Soundbeiträge umgesetzt wurden. Die Jury sagt: "Durch eine gelungene Mischung aus Soundelementen, authentischen O-Tönen und der Erzählperspektive entsteht ein Sog, dem man folgen will."

Sonderpreis: Axel Milberg

Alle zwei Jahre vergibt der Verein Deutscher Hörbuchpreis e.V. einen Sonderpreis an "eine Persönlichkeit (...), die das Hörbuch in einer wichtigen Weise geprägt hat". Der Preis geht in diesem Jahr an den Schauspieler und Sprecher Axel Milberg, seit Jahrzehnten erfolgreich auf der Bühne und vor der Kamera und unzähligen Zuschauern bekannt als Kommissar Borowski im Kieler Tatort. Seine Präsenz und feine Figureninterpretation hat ihn auch zu einem prägnanten Hörbuchsprecher gemacht. Schon seit 2011 leiht er den Thrillern von Max Bentow seine Stimme, und er hat mit großem Erfolg die Romane von Henning Mankell stimmlich umgesetzt. Inzwischen ist er auch selbst unter die Autoren gegangen und hat seine autobiografische Geschichtensammlung Düsternbrook gleich selbst eingelesen.

Auszug aus der Begründung für die Ehrung: "Mühelos und leidenschaftlich gestaltet er seine Rollen. Mit Enthusiasmus, Emotion und dem Einsatz unzähliger stimmlicher Facetten, erobert Axel Milberg die Vielschichtigkeit in den Charakteren bis ins kleinste Detail."

Der Federmann
Der Chinese
Düsternbrook

Deutscher Hörbuchpreis 2020: Die Gewinner im Überblick

Applaus, Applaus!

Es ist natürlich schade, dass die Preisträger dieses Jahr nicht vor großem Publikum ihre Auszeichnungen entgegen nehmen konnten, denn dazu gehört auch immer eine kurze Präsentation ihres Könnens sowie ein kurzes Interview. Ob und wie das nachgeholt werden kann? Wir werden sehen. Zollen wir den Gewinnern inzwischen Applaus, indem wir fleißig hören und davon weiter erzählen!

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