Elena Ferrante schreibt. Sie spricht nicht, sie zeigt sich nicht. Als ihr Romanzyklus Meine geniale Freundin 2016 auf Deutsch erschien, beantwortete sie Fragen dazu nur schriftlich. Ob sie eine Frau sei, war die erste Frage des Ferninterviews mit dem SPIEGEL. Ob sie verrate, wo sie geboren sei, die zweite. "Und Sie, wo sind Sie geboren? Aber vor allem: Sind Sie ein Mann?", fragte die italienische Schriftstellerin zurück.
Amüsant, gewitzt und leicht trotzig las sich das. Hatte sie nicht oft genug verständlich gemacht, dass solche Fragen nichts mt ihren Büchern zu tun haben?
Elena Ferrante zeigte indes Verständnis für die Neugier. Man erfuhr, dass sie im realen Leben ebenfalls Elena heißt, in Neapel geboren wurde und, ja, eine Frau ist. Doch sie habe mehr Vertrauen zu einer literarischen Identität als zu einer standesamtlichen, wo auch die Wissenschaft das Geschlecht gerade kritisch überdenke, schrieb sie weiter. "Man möchte ja ständig einhaken, nachfragen, doch das geht nicht. Ein großer Schwung Fragen wandert nach Italien, und irgendwann kommt ein wohlgeformter Text zurück; Karin Krieger (Anm.: Die deutsche Übersetzerin der Ferrante-Bücher) übersetzt Antworten. Es wird schnell klar, dass Elena Ferrante liebend gern über Literatur und das Schreiben schreibt und weniger gern über sich", plaudert der Journalist offenbar beeindruckt zwischen den Zeilen der Unbekannten.
Elena Ferrante sagt: Ihren Büchern gelte das Aufsehen, nicht ihr.
Dass sie selbst in ihrem engeren literarischen Kreis konsequent ist, war die überraschendere Nachricht. Mit ihrer deutschen Übersetzerin Karin Krieger kommuniziere Elena Ferrante nur per Mail. Eine Suhrkamp-Sprecherin gab zu Protokoll, man arbeite sehr gut und vertrauensvoll mit ihr zusammen - ohne sie zu kennen. Kann das sein? Klar kann das. Nur warum ist ein Mensch, von dem die britische Schriftstellerin Zadie Smith sagte, er täte mehr für die Rehabilitierung des Romans, als es sich die Literaturtheorie vorstellen kann, nicht gewillt, sein Schaffen mit seiner Person zu verbinden?
Und umgekehrt: Was ist so hart daran zu akzeptieren, dass jemand eine scharfe Linie zieht zwischen seiner Privatheit und seiner Arbeit? Dass er sagt, seinen Büchern gelte das Aufsehen, nicht ihm selbst, und sein Ego offenbar gut im Griff hat? Ferrantes unwiderrufliche Entscheidung erzählt am Ende auch viel darüber, welchen Status Schriftsteller in der Gesellschaft haben, und welchen Status sie sich oft selbst geben.
Wer ist Elena Ferrante wirklich?
Elena Ferrante schreibt seit einem Vierteljahrhundert Romane und Erzählungen. 1992 erschien ihr erster Roman Lästige Liebe. Er erzählt von Delia, die sich mit dem Tod ihrer Mutter beschäftigt, die entweder ertrunken ist oder ermordet worden sein soll. Ferrante führt ihre junge Protagonistin auch in eine Auseinandersetzung mit deren neopolitanischer Großfamilie.