Mit Ausnahme der Wochenenden bespricht die Literaturredaktion des Norddeutschen Rundfunks jeden Tag eine Buch-Neuerscheinung – da kommt einiges zusammen. Allerdings gefällt den Rezensierenden nicht jeder Titel. Welche Bücher lohnen sich also wirklich? Das verraten wir dir hier.

Wir haben für dich aus den Buchempfehlungen des NDR von 2023 jene Titel herausgesucht, die die NDR-Redaktion besonders gelobt hat. Alle genannten Buchempfehlungen sind außerdem bei Audible als Hörbuch erhältlich. Hier kommen die besten Buchtipps des NDR für 2023 – von der literarischen Newcomerin bis zum Autoren-Urgestein, vom historischen Krimi bis zum gefühlvollen Liebesroman.

Menschen am Wendepunkt: Aktuelle Belletristik, die der NDR empfiehlt

„Das kann nicht gutgehen!“, wirst du bei diesen Romanen vielleicht denken. Geht es auch nicht – oder doch? Die Menschen in den folgenden, sehr unterschiedlichen Buchempfehlungen haben alle eines gemeinsam: Sie erleben die bisher schwerste Krise ihres Lebens – und finden einen überraschenden Weg hindurch.

Frankie

Frank ist knapp 14 und wächst allein bei seiner Mutter auf. So schnell macht dem altklugen Teenager keiner was vor – bis unvermittelt sein Großvater in sein Leben platzt. Der hat mehr als 20 Jahre wegen eines Kapitalverbrechens im Gefängnis gesessen. Ferdinand, weit vom Klischeebild eines gemütlichen Opas entfernt, zieht Frankie in seine skrupellose, von Gewalt und Kriminalität geprägte Welt hinein.

Dass es in Michael Köhlmeiers Roman Frankie unweigerlich zur Katastrophe kommen muss, ist bei dieser explosiven Ausgangslage von Anfang an klar. Aber wie das Duell zwischen Frankie und seinem Opa endet, bleibt bis zum Schluss unvorhersehbar. Daraus bezieht dieser so finstere wie witzige Coming-of-Age-Roman eine enorme Spannung. Alexander Solloch, der den Roman für den NDR rezensiert hat, hat ihn mit großem Vergnügen gelesen:

Ein Roman, so schnörkellos, schön und ungebärdig wie ein Song von Johnny Cash.

(Alexander Solloch, NDR)

Neue Stimmen: Mehr zeitgenössische Literatur aus Österreich entdecken

Mindset

„Ein Diamant ist ein Stück Kohle, das Ausdauer hatte.“ Oder: „Es ist immer zu früh, um aufzugeben.“ Mit derlei Phrasen beglückt Motivationscoach Maximilian Krach aus Gütersloh seine Follower und Kunden. Was keiner weiß: Tatsächlich quälen den vermeintlichen Erfolgsguru Zweifel und Panikattacken. Denn seine Selbstsicherheit ist genauso gefakt wie seine Patek Philippe und die Urlaubsbilder auf seinem Insta-Kanal.

Dass Maximilians fragiles Lebenskonstrukt spektakulär in sich zusammenkrachen wird, ist ausgemachte Sache. Aber wie und wann? NDR-Redakteurin Alexandra Friedrich hat Mindset, das Debüt von Sebastian Hotz, mit einer Mischung aus Schadenfreude und Mitgefühl gelesen. Vor allem aber fühle man sich beim Lesen oder Hören ertappt, so die Rezensentin. Der Autor wird einigen unter seinem Twitter-Nutzernamen „El Hotzo“ bekannt sein. Dass er mehr kann als scharfzüngige Tweets, hat er mit seinem Roman über den Selbstoptimierungzwang unserer Zeit bewiesen, findet die NDR-Redakteurin:

Sebastian Hotz erzählt mit viel Ironie, mehr scharfzüngigem Witz als feingeistigem Humor, immer pointiert, treffsicher und scheinbar mühelos.

(Alexandra Friedrich, NDR)

Gut genug! Von der Selbstoptimierung zur Selbstakzeptanz

Keine gute Geschichte

Arielle hatte nicht die besten Startchancen: Sie wurde von ihrer Großmutter in einem prekären Umfeld großgezogen. Trotzdem hat sie sich hochgekämpft und arbeitet jetzt erfolgreich als Social-Media-Managerin. Bis sie ein Anruf aus Essen-Katernberg erreicht: Sie soll sich um ihre Großmutter kümmern. Arielle muss sich mit ihrer Vergangenheit auseinandersetzen – mit dem Verschwinden ihrer Mutter, mit dem Schweigen ihrer Großmutter, mit den Fragen nach ihrem Vater.

Lisa Roys Debüt Keine gute Geschichte schildert in realistischen Szenen und mit pointierten Dialogen eine Suche nach Herkunft und Familie. Rezensentin Annemarie Stoltenberg vom NDR hat das gut gefallen. Wobei sie warnt, dass die „deftige, kaputte Sprache“ der Autorin nichts für schwache Nerven sei.

Lisa Roy hat einen rauen, Ruhrpott-typischen Tonfall für ihre ruppige Heldin und deren bizarre Abenteuer gefunden.

(Annemarie Stoltenberg, NDR)

Die spürst du nicht

Die Familien Binder und Strobl-Marinek machen Urlaub in der Toskana. Damit sich Teenager-Tochter Sophie Luise nicht langweilt, darf sie eine Freundin mitnehmen: Aayana, die mit ihrer Familie aus Somalia geflohen ist. Doch es kommt zu einem schrecklichen Unglück. Zurück in Österreich muss Sophie Luise allein mit ihrer Trauer und Wut klarkommen. Dabei hilft ihr Pierre, den sie in einem Chat kennenlernt.

Daniel Glattauer montiert schnelle, direkte Chat-Dialoge und Pressemitteilungen in seinen neuen Roman Die spürst du nicht. So entsteht eine zweite Ebene, die die Geschehnisse kommentiert und aus einer anderen Perspektive spiegelt. Rezensentin Maren Ahring liest den Roman als Sittenbild unserer privilegierten Gesellschaft, deren Doppelmoral der Autor entlarven will. Dafür zeichne er seine Figuren so scharf, dass sie manchmal am Rande der Karikatur entlangschrammen, so Maren Ahring. Erzählen könne der Autor, bekräftigt die Rezensentin, die „fast atemlos“ an diesem kurzweiligen Roman drangeblieben ist.

Daniel Glattauer schaut ganz genau hin, legt oft den Finger in die Wunde.

(Maren Ahring, NDR)

Climate Fiction: Buchempfehlungen vom NDR

Wie gehen Menschen mit der Bedrohung durch den Klimawandel um? Darauf finden diese beiden Climate-Fiction-Romane sehr unterschiedliche Antworten.

Blue Skies

Kalifornien brennt, Florida steht unter Wasser. Da hilft es auch nicht, dass Coopers Mutter seit Neuestem frittierte Heuschrecken statt Steak serviert. Seine Schwester Cat hat sowieso andere Sorgen als die Klimakatastrophe: Ihre Tigerpython, ein potenziell tödliches Biest namens Willie, ist aus ihrem Terrarium entkommen. Und nun?

Wie lebt man weiter im Angesicht der ultimativen Katastrophe? Darüber hat sich der in Kalifornien lebende Autor T. C. Boyle Gedanken gemacht. In seinem aktuellen Roman Blue Skies beschreibt er mit bitterbösem Witz und Sinn für die groteske Tragik der Situation, wie Menschen im Angesicht des ökologischen Kollapses ihrem ganz banalen Alltag nachgehen. Flotte Plot Twists und Cliffhanger kennzeichnen den Stil des amerikanischen Autoren-Urgesteins – unterhaltsamer ist der Weltuntergang 2023 noch nicht beschreiben worden, findet Severine Naeve, die den Roman für den NDR rezensiert hat.

Unfassbar komisch beschreibt T.C. Boyle, wie seine Figuren in unserer Gegenwart um ihre Leben und ums Überleben kämpfen.

(Severine Naeve, NDR)

Top 10: Die besten Romane zum Thema Klimawandel

Und dann verschwand die Zeit

Als das Wasser unablässig steigt, fliehen Caro und ihr Halbbruder Pauly ins High House. Das einstige Sommerhaus ihrer Stiefmutter liegt auf einer Anhöhe abseits einer kleinen Stadt am Meer. Hier kümmern sich der pensionierte Pastor Grandy und seine Enkeltochter Sally liebevoll um die Kinder. Dank Gezeitenbecken, Gemüsegarten und einer Scheune voller Vorräte sind die vier vorerst versorgt. Doch das Leben im High House ist hart. Wie lange bietet es der kleinen Gemeinschaft noch Schutz?

Die Britin Jessie Greengrass erzählt aus mehreren Blickwinkeln eine Geschichte über Elternschaft, Aufopferung, Liebe – und über das Überleben. Ihr emotional präziser Roman Und dann verschwand die Zeit hat Rezensentin Annemarie Stoltenberg sehr berührt:

Jessie Greengrass erzählt davon, dass es sich bis zum allerletzten Tag, ehe die Welt in Scherben fällt, lohnt, Liebe und Glück miteinander zu empfinden und sich um alle Dinge des Lebens sorgsam zu kümmern.

(Annemarie Stoltenberg, NDR)

Buchempfehlungen vom NDR: Bewegende Romane über Liebe, Trauer und Neuanfänge

Es darf mitgeliebt, mitgeweint und mitgelitten werden: In diesem Romanen dreht sich alles um große Gefühle.

Die Liebe an miesen Tagen

Das ist sie, die große Liebe. Das ist Clara und Elias von der ersten Begegnung an klar. Die beiden werden ein Paar – trotz des großen Altersunterschieds, trotz der unbewältigten Trauer um Claras verstorbenen Mann und trotz der Beziehung, in der Elias eigentlich noch steckt. Doch auf eine Phase großen Glücks folgt eine schwere Bewährungsprobe.

Dass Ewald Arenz ein Romantiker ist, wissen Fans seiner Spiegel-Bestseller „Alte Sorten“ und „Der große Sommer“ bereits. Mehr noch als in den Vorgängern geht es in seinem neuen Roman Die Liebe an miesen Tagen um starke Emotionen und die Frage, wie man mit ihnen umgeht. Dabei vermeide der Autor den Griff in die Kitschkiste, lobt NDR-Rezensentin Andrea Gerk. Vielmehr scheine er „genau zu beobachten, was seine Figuren zueinander hinzieht, aber auch, was sie voneinander wegtreibt.“

Es ist auch eine Art Lebensroman, der mit so beeindruckender Leichtigkeit von den schwersten und den schönsten Momenten des Lebens so erzählt, dass man Lust bekommt, sich selbst immer wieder unerschrocken ins Getümmel der Gefühle zu werfen.

(Andrea Gerk, NDR)

Flirts, Romantik, große Gefühle: Die besten Romance-Bücher 2023

Apfeltage

Amande muss einen schweren Verlust verkraften: Kurz vor der Hochzeit ist ihr Bräutigam auf dem Motorrad verunglückt. Der Schock hat die junge Schwangere mit solcher Wucht getroffen, dass sie ihr ungeborenes Kind verlor. Nun verkriecht sie sich in einem abgelegenen Haus in der Auvergne vor der Welt. Bis sie den Gartenkalender der verstorbenen Vorbesitzerin findet und beschließt, das verwahrloste Grundstück wieder zum Leben zu erwecken. Dabei lernt sie zweierlei. Zum einen, dass Trauer auch verbinden kann. Und zum anderen, dass der Lebenswille trotz allem irgendwann zurückkehrt – in ihrem Fall Samenkorn für Samenkorn.

Die französische Autorin Melissa da Costa hat mit Apfeltage einen einfühlsamen Roman über Trauerbewältigung geschrieben, der dazu auffordert, den kleinen Freuden des Alltags mehr Beachtung zu schenken. Die Literaturkritikerin Annemarie Stoltenberg empfiehlt das Buch:

Melissa da Costa ist ein besonderes Buch über Trauer und Glück gelungen, das ganz leicht, bisweilen heiter daherkommt und doch diesen Themen gerecht wird.

(Annemarie Stoltenberg, NDR)

Bibliotherapie: Bücher, die helfen können, Herz und Seele zu heilen

Buchempfehlungen des NDR: Historische Krimis, die unter die Haut gehen

Unter den Buchempfehlungen des NDR für 2023 sind auch zwei historische Krimis – beide haben Rezensentin Katja Eßbach großes Lesevergnügen beschert.

Der treue Spion

Im Jahr 1896 verschwindet ein französischer Diplomat. Hat er Informationen über die gefährliche neue Erfindung, mit der man telegrafische Meldungen manipulieren kann, besessen? Der junge Kriminalist Major Wilhelm Freiherr von Gryszinski folgt einer heißen Spur, die ihn bis nach Paris und Sankt Petersburg führt.

Zwanzig Jahre später wütet der Erste Weltkrieg. Gryszinskis Sohn Fritz ist als Meldegänger an der Front in Verdun eingesetzt. Dort stößt er unverhofft auf die Spur des verschwundenen Diplomaten. Fritz beschließt, die Mission seines Vaters zu Ende zu bringen.

Uta Seeburg hat mit Der treue Spion einen vielschichtigen, atmosphärischen Historienkrimi geschrieben, aus dem die NDR-Rezensentin Katja Eßbach einiges über die damalige Lebensart und die noch junge Wissenschaft der Kriminalistik gelernt hat. Besonders gefallen haben ihr die farbenprächtige Atmosphäre und die ungewöhnlichen Protagonisten des mittlerweile dritten Bandes der Krimi-Reihe. Dass Autorin Uta Seeburg Literaturwissenschaftlerin sei, merke man an der Kunstfertigkeit des Romans:

Ihre Sprache ist ausnehmend elegant, der Plot kunstvoll auf zwei Zeitebenen gebaut.

(Katja Eßbach, NDR)

Von Longseller bis zur Neuerscheinung: Die besten historischen Krimis

Altes Leid

Im Frühjahr 1947 ist es im zerbombten Hamburg so gut wie unmöglich, Lebensmittel aufzutreiben. Also betteln die Hamburgerinnen bei den Bauern im Umland. Dabei kommt es immer wieder zu sexuell motivierten Überfällen. Doch die Verbrechensserie wird von der Hamburger Polizei kaum zur Kenntnis genommen. Nur eine nimmt sich diesen Fällen an: die junge Streifenpolizistin Ida Rabe. Doch damit überschreitet sie ihre Befugnisse deutlich.

Es gab tatsächlich ein Vorbild für die mutige Ida Rabe. Nämlich Rosamunde Pietsch, Lea Steins Protagonistin aus dem historischen Krimi Altes Leid. Sie wurde direkt nach dem Krieg von den Briten ausgebildet und übernahm in den 1950er-Jahren die Leitung der weiblichen Schutzpolizei in Hamburg. Ida Rabes ersten Fall hat die Autorin geschickt in das historische Setting eingebettet. Katja Eßbach, die den Krimi für den NDR gelesen hat, freut sich schon auf den zweiten Band der Reihe, der bereits in Arbeit sei:

Historische Krimis können Atmosphäre und Lebensrealitäten längst vergangener Zeiten zurückholen. Lea Stein gelingt das in ‚Altes Leid‘ vorzüglich.

(Katja Eßbach, NDR)

Hamburg-Krimis: Mord in der Hafenstadt

Buchempfehlungen für 2023: Weitere Neuerscheinungen entdecken

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