Christine Westermann wurde unter anderem im Jahr 2000 für die Moderation der 2016 eingestellten WDR-Sendung „Zimmer frei“ mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet. Doch die 74-Jährige ist nicht nur Moderatorin, sondern gibt als Journalistin zudem regelmäßig Buchtipps. So zum Beispiel wöchentlich im Radiosender WDR2.

Auch in ihrer alle zwei Wochen erscheinenden Literaturkolumne „Westermann liest“ im Stern stellt sie literarische Neuentdeckungen vor. Als Literaturexpertin war sie von 2015 bis 2019 Teil des Literarischen Quartetts im ZDF.

Westermann ist außerdem selbst Autorin. Die in Köln lebende gebürtige Erfurterin schreibt zum Beispiel Ratgeber zum Thema Elternschaft & Familienleben, aber auch Belletristik. Ihr Debüt „Baby, wann heiratest du mich?“ erschien 1999. Es folgten unter anderem 2017 Manchmal ist es federleicht. Von kleinen und großen Abschieden und im Jahr 2000 Ich glaube, er hat Schluss gemacht. Bei Audible plaudert sie seit 2021 im Podcast „Jung und Jünger“ mit Edin Hasanovic darüber, was das Leben lebenswert macht.

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Im Klappentext ihres zuletzt erschienenen Werkes, ihrer 2022 veröffentlichten Biografie mit dem Titel Die Familien der anderen, heißt es:

Bücher sind aus (Christine Westermanns) heutigem Leben nicht wegzudenken, sie sind für sie ein Fenster in ein fremdes Leben (Die Familien der anderen – Mein Leben in Büchern)

Die Familien der anderen

Doch welche Werke, die 2023 und 2022 erschienen sind, empfiehlt Christine Westermann? Hier findest du einige ihrer Buchtipps, die sie in ihrer Literaturkolumne im Stern und im WDR2 gibt.

Buchempfehlungen von Christine Westermann: Romane von 2023

Die Hände hinter den Rücken und dann geht’s runter, mit dem Kopf zuerst – vom Dreier, vom Fünfer, vom Siebener. Das ist der „Seemann“. Die Kopfsprung-Art, die für den Titel von Arno Franks Seemann vom Siebener verantwortlich ist. Der 2023 erschienene Roman spielt an einem einzigen Tag im Sommer im beschaulichen Örtchen Ottersweiler in der Pfalz. Genauer gesagt: im örtlichen Freibad.

Hier sind die unterschiedlichsten Menschen angestellt, vom Bademeister Kiontke über die kettenrauchende, an der Kasse stehende Renate. Und zu Gast: Starfotograf Lennard aus New York zum Beispiel oder die beiden Geschwister, die unbedingt den Seemann vom Siebener machen wollen. Das ist aber nicht so einfach möglich – denn der Siebener ist seit der Tragödie, die sich vor einigen Jahren im Freibad ereignet hat, gesperrt.

Seemann vom Siebener

Seemann vom Siebener weckt nostalgische Gefühle an Schwimmbadbesuche an vor Hitze flirrenden Sommertagen. Gleichzeitig werden die Dramen und Konflikte der Gäste und Angestellten aufgerollt – ganz nebenbei, ohne großes Aufsehen. Gefühlvoll und gleichzeitig locker passt dieser Roman zur Sommerzeit wie ein Eis zum Freibad. Das findet auch Christine Westermann:

Wenn nicht jetzt, wann dann ein Buch lesen, das einen mittenrein schiebt in die Sonne, den Sommer, die Ferien? (Christine Westermann)

Frankie

Frankie ist ein Dorfkater – er gehört niemandem. Eines Tages wird er Zeuge eines versuchten Selbstmordes. Denn Richard – der Mann, den Frankie beobachtet – „spielt“ nicht einfach nur mit einem „Faden“ wie es Frankie selbst manchmal gerne tut. Stattdessen ist Richard im Begriff, sich zu erhängen. Zum Glück spricht Frankie unter anderem „menschisch“ und kann Richard erst einmal von seinen Plänen abbringen. Nach und nach entsteht eine Freundschaft zwischen zwei ungleichen Außenseitern.

Frankie vom Autoren-Duo Jochen Gutsch und Maxim Leo ist ein Roman über die großen und kleinen Dinge im Leben – Glück, Tod, aber vor allem über Freundschaft. Frankie ist berührend, tieftraurig und gleichzeitigt unbeschwert, sagt Literaturkritikerin Westermann:

Humor entsteht aus der Tragödie, sagt der Autor Jochen Gutsch. Es gelingt ihm in seinem Roman nahezu perfekt, die schwierige Balance zu halten zwischen Lebensfreude und Todessehnsucht, zwischen unbeschwert und tieftraurig. (Christine Westermann)

Und welche Bücher empfiehlt Elke Heidenreich? Eine Auswahl von Elke Heidenreichs Buchtipps aus dem Spiegel

Lichte Tage

Ellis arbeitet in einer Autofabrik, in einem Arbeiterviertel in der ansonsten für ihre Eliteuni bekannten britischen Stadt Oxford. Der 45-Jährige ist Experte darin, Dellen in Autos auszubeulen. Mehr als das: Er hat die Fähigkeit, selbst das verdellteste Material wieder ganz glatt zu machen – so, als würde es ganz frisch aus der Walze kommen. In Lichte Tage erzählt Autorin und Schauspielerin Sarah Winman aber nicht nur von dieser besonderen handwerklichen Fähigkeit, die wie eine Kunst anmutet, sondern auch von Verlust.

So arbeitet Ellis nicht rein aus Freude an der Arbeit Tag und Nacht in der Autofabrik, sondern vor allem, weil er nachts nicht schlafen kann. Der Grund für die Insomnie: Er hat die zwei wichtigsten Menschen in seinem Leben, seine Frau Annie und seinen besten Freund Michael, bei einem Autounfall verloren. Ellis lebt in seinen Erinnerungen an sorglose, glückliche Tage. Und er denkt auch daran zurück, dass er eigentlich mal Maler werden wollte.

Lichte Tage wirft die Frage auf: Wie lebt man nach einem solchen Verlust weiter? Lässt sich die Einsamkeit, die mit einem großen Verlust einhergeht, überhaupt überwinden? Christine Westermann ist von diesem berührenden Roman überzeugt.

Nach 20 Seiten: Der Nebel lichtet sich, langsam entwickelt sich eine richtig gute Geschichte. (Christine Westermann)

Das Café ohne Namen

Ein Marktplatz in Wien. Es ist das Jahr 1966. Hier, 20 Jahre nach Ende des zweiten Weltkriegs, ist Hilfsarbeiter Robert Simon auf der Suche. Nach Beschäftigung, nach Veränderung, nach Neuem. Als er davon erfährt, dass der Pächter eines kleinen Cafés am Markt aufgibt, übernimmt er kurzerhand das Café ohne Namen.

Der in einem Heim aufgewachsene Waise – sein Vater ist im Krieg gefallen, die Mutter starb kurze Zeit später an einer Blutvergiftung – schuftet dort Tag und Nacht, zehn Jahre lang. Er schafft einen Zufluchtsort für alle, die hart arbeiten, um die Stadt nach dem Krieg neu aufzubauen. Doch dann wird das Haus, in dem sich das Café befindet, verkauft und Robert der Mietvertrag gekündigt. Was bleibt übrig? Das Café ohne Namen von Robert Seethaler ist unaufgeregt und melancholisch. Christine Westermann ist überzeugt:

(Man ist) gierig (…) bereit (…), aufzusaugen, was einer wie Robert Seethaler schreibt. Dabei ist es so viel besser, sich beim Lesen Zeit zu nehmen, damit man spüren kann, wie fein Seethaler seine Figuren zeichnet. Mit wie viel Wehmut er ihr Leben betrachtet. (Christine Westermann)

Bachmann, Bernhard, Handke – und ihre Nachfolger: Wer Österreich verstehen will, muss hören

Christine Westermanns Buchtipps: Romane aus dem Jahr 2022

Hennig kommt aus einfachen Verhältnissen – einer Arbeiterfamilie im Ruhrgebiet. Aber er hat es geschafft. Er hat in München studiert, sich einen Namen als Feuilletonist gemacht und ist nun das, was man einen „Intellektuellen“ nennen kann. Seine Freunde: Künstler. Doch die eigene Herkunft, das, was einen als Kind geprägt hat und wie man aufgewachsen ist, kann man nie ganz hinter sich lassen. Das wird dem Mitte 50-Jährigen auf einer Romreise schlagartig bewusst. Denn während seiner Reise erreicht ihn eine Nachricht, die ihn mehr als nur nachdenklich macht.

Die schweigsamen Affen der Dinge

Sein Vater, der Mann, zu dem er nie ein gutes Verhältnis hatte, ist tot. Dadurch ist Henning dazu gezwungen, sich nach langer Zeit wieder mit seiner Herkunftsfamilie auseinanderzusetzen. In Rückblenden erfährt man mehr über die unglückliche Ehe seiner Eltern, erzwungene Fußballspiele, aber auch über Abenteuer in den Resten stillgelegter Förderanlagen.

Der Vater blieb Henning immer fremd. Doch als er auf der Beerdigung in Recklinghausen Jochen, dem Jugendfreund seines Vaters, begegnet, stellt er fest: Einige andere Seiten hatte der Vater doch. Die schweigsamen Affen der Dinge von SZ-Journalist Hilmar Klute ist eine beeindruckende Aufarbeitung einer schwierigen Vater-Sohn-Beziehung. Christine Westermann ist (fast) sprachlos vor Begeisterung.

(…) Hilmar Klute ist einer der Autoren, vor denen ich mich manchmal morgens beim ersten Kaffee innerlich verneige. (Christine Westermann)

Der fürsorgliche Mr Cave

Der 14-jährige Reuben klettert, angestachelt von seinen Freunden, auf eine Laterne. Doch der Junge kann sich nicht halten – die Kraft verlässt ihn und er stürzt metertief. In den Tod. Es ist ein Schicksalsschlag, der das Leben seines Vaters Terence Cave für immer verändert. Obwohl der Antiquitätenhändler bereits einige Verluste erleben musste – unter anderen den seiner Frau, die Opfer eines Mordes wurde – ist der Tod seines Sohnes das Zünglein an der Waage, das aus dem einst fürsorglichen Vater nach und nach einen tyrannischen und aggressiven Kontrollfreak macht.

Hinter seinem Verhalten steckt eine psychische Erkrankung, die mit Depressionen und schweren Panikattacken einhergeht. Sein Zwang, alles kontrollieren zu wollen, richtet sich vor allem gegen Bryony, seine wunderschöne Tochter, die mitten in der Pubertät steckt. Sie leidet unter seinen immer extremer werdenden Regeln und Vorschriften. In der Der fürsorgliche Mr Cave von Matt Haig adressiert Terence seine Tochter direkt und in Briefform, erinnert sich an sein altes Ich, ist besorgt und steigert sich dann wieder in seine Wut hinein. Eine verstörende emotionale Achterbahnfahrt.

Die Ewigkeit ist ein guter Ort

Elke ist davon überzeugt: Gott existiert. Die 30-Jährige will Pastorin werden und engagiert sich als Sterbebegleiterin in einem Seniorenheim. Doch von einer Minute auf die andere überkommt sie das große Vergessen. Sie kann sich an nichts mehr erinnern, das auch nur im Entferntesten mit Kirche zu tun hat. Weder an Psalmen noch an Kirchenlieder – noch nicht einmal an das Vaterunser.

Elke rutscht in eine Sinnkrise, fragt sich, warum Gott sie auf diese Art und Weise testet und stellt ihr gesamtes Leben in Frage, darunter auch die Beziehung zu ihrem Freund. In Die Ewigkeit ist ein guter Ort von Tamar Noort nimmt sie ihr Schicksal aber alles andere als demütig in Kauf. Stattdessen wird sie wütend und provoziert Gott. Ein Lesevergnügen, nicht nur für Gläubige.

Christine Westermann sagt über Die Ewigkeit ist ein guter Ort:

Die Autorin Tamar Noort schreibt mit feinem Humor und gelegentlichem Tiefgang. Sie schreibt, sie predigt nicht. Der Plot ist fein ausgedacht. (Christine Westermann)

„Gott ist Feministin“: Interview mit Pastorin Mira Ungewitter

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