Januar 2017: Ein 68 Jahre alter Roman schießt bei Amazon auf Platz 1 der meistverkauften Bücher. Es ist George Orwells Dystopie-Klassiker 1984. Ein Roman, den die meisten Erwachsenen zuletzt vor Jahren oder Jahrzehnten im Schulunterricht gelesen haben. Sein merkwürdiges Revival verdankt die wohl bekannteste aller literarischen Dystopien Trump-Beraterin Kellyanne Conway. Ihre Formulierung „alternative Fakten“ erinnerte Journalisten an die in 1984 beschriebenen Manipulationstechniken „Neusprech“ und „Doppeldenk“. Prompt fragten sich Leser und Hörer: Hat George Orwell Donald Trump vorausgesehen?

Spätestens seit diesem Ereignis berichten Medien von einem wahren Dystopie-Boom. Dystopien denken gesellschaftliche Entwicklungen konsequent weiter, sie sind Warnungen vor dem „Weiter so“. Wurden diese Dystopien vor Jahrzehnten geschrieben, wird es besonders gruselig. Denn einige Visionen, die die Autoren entwickelten, sind zumindest teilweise eingetroffen. Diese dystopischen Klassiker schärfen unseren Blick für die Gegenwart.

Auch im Magazin: Die besten Dystopien vom Klassiker bis zur Neuerscheinung.

Schaurige neue Welt: Die berühmtesten Dystopie-Klassiker

1984

Im Jahr 1984 ist die Welt ein Gefängnis. Der Diktator „Big Brother“ ist unsichtbar und doch überall. Er kontrolliert die Vergangenheit, die Gegenwart, die Gedanken der Menschen. Winston Smith – der im Auftrag der Partei geschichtliche Aufzeichnungen manipuliert – will sich trotzdem ein Fitzelchen Privatsphäre sichern. Als er sich verbotenerweise in die engagierte Julia verliebt, glimmt Hoffnung in ihm auf: Gibt es im politischen Untergrund Hoffnung auf ein freies Leben?

George Orwell prophezeite in seinem Meisterwerk der dystopischen Literatur den totalen Verlust der Privatsphäre. Ob es heute bereits soweit ist? Tipp: Gleich im Anschluss „Permanent Record“ von Edward Snowden hören.

Schöne neue Welt

Im Jahr 2540 sind alle gesund, sexuell befriedigt und dank der nebenwirkungsfreien Droge Soma permanent gut drauf. Menschen werden in staatlichen Brut- und Aufzuchtszentren produziert und so konditioniert, dass sie klaglos die Anforderungen erfüllen, die ihre jeweilige gesellschaftliche Kaste an sie stellt. In diese Schöne neue Welt platzt der „Wilde“ John, der in einem Reservat fernab der Zivilisation aufwuchs. Er stellt die perfekt schnurrende Gesellschaftsmaschine in Frage: Welchen Sinn hat ein menschliches Leben, wenn es Gefühle, Individualität und Freiheit nicht mehr gibt?

Ist Aldous Huxleys Klassiker von 1932 wirklich eine Dystopie? Oder handelt es sich – zumindest in Teilen – in Wahrheit um eine Utopie? Darüber haben sich Schriftsteller wie Michel Houellebecq den Kopf zerbrochen. In jedem Fall ist dieser dystopische Roman wieder erschreckend aktuell. Sprecher Matthias Brandt bekam für seine fesselnde, prägnante Interpretation den Deutschen Hörbuchpreis verliehen.

Fahrenheit 451

Bei 451 Grad Fahrenheit entzündet sich Papier von selbst und geht in Flammen auf. So ist es jedenfalls in dem dystopischen Roman Fahrenheit 451 von Ray Bradbury. Der Feuerwehrmann Guy Montag geht darin – zunächst kritiklos – seinem Job nach: Er wendet die „Gefahren“ ab, die von Büchern ausgehen könnten, indem er sie mit einem Flammenwerfer vernichtet. Denn Bücher regen nach Ansicht des Staates zu selbständigem Denken an und führen damit zu antisozialem Verhalten. Eines Tages muss Guy mitansehen, wie sich eine alte Frau freiwillig in die Flammen stürzt, um mit ihren Büchern zu verbrennen. Sein Weltbild gerät ins Wanken…

Ray Bradbury entwarf in seiner Dystopie eine Gesellschaft, die durch permanente mediale Berieselung davon abgehalten wird, kritische Fragen zu stellen oder sich gar gegen die politische Führung aufzulehnen. Klingt glaubwürdig, oder? Intelligent und spannungsreich gelesen von Rufus Beck.

In diesen postapokalyptischen Romanen ist der Weltuntergang nicht das Ende.

Dystopie-Bücher von 1895 bis 1920: Hier haben Orwell und Huxley gespickt

Wir

Der Raketeningenieur D-503 lebt im „Einzigen Staat“ nach den pedantischen Regeln eines übermächtigen „Wohltäters“. Hier zählt nur das Kollektiv. In seinem Tagebuch verherrlicht D-503 das Regime – bis er auf die Untergrundaktivistin I-330 trifft. Die bringt Ds wohlgeordnete Welt mächtig durcheinander: Sex, Alkohol, Phantasie und schließlich auch die Liebe brechen in seine Realität ein. Nichts davon wird im „Einzigen Staat“ geduldet.

Unglaublich: Jewgenij Samjatins Klassiker Wir ist fast hundert Jahre alt. Die Zukunftsvision des Bolschewisten inspirierte Orwell und Huxley zu ihren Dystopien, ist selbst aber weit weniger bekannt. Samjatin sah in seinem visionären dystopischen Roman das Schreckensregime Stalins voraus. Heikko Deutschmann arbeitet in seinem klaren Vortrag die literarischen Qualitäten des dystopischen Romans heraus.

Die Zeitmaschine

Im Jahr 802.701 gibt es zwei Menschenrassen: die oberirdisch lebenden, kindlich-naiven Eloi. Und die hässlichen, affenartigen Morlocks. Letztere betreiben unter der Erde riesige Maschinen, um den Eloi ihr sorgenfreies, paradiesisches Leben zu ermöglichen. So jedenfalls stellt sich die Situation einem namenlosen Zeitreisenden dar. Doch bald muss er erkennen, dass der Schein trügt.

Die Zeitmaschine von H. G. Wells erschien bereits 1895 und ist damit der älteste dystopische Roman in unserer Liste. Sprecher Götz Otto beamt den zeitlosen Klassiker geradewegs in die Gegenwart. Mit dieser Dystopie läutete H. G. Wells die moderne Science-Fiction-Literatur ein.

Die Maschine steht still

In einer unbestimmten Zukunft leben die meisten Menschen unter der Erde. Ihre Bedürfnisse werden von einer gigantischen Maschine befriedigt. Über einen Video-Messaging-Dienst tauschen sie Ideen und Erfahrungen aus zweiter Hand aus. Ansonsten sind sie völlig voneinander isoliert. Protagonist Kuno jedoch rebelliert gegen diese allgegenwärtige Ordnung. Er riskiert einen Ausbruch zur Erdoberfläche ¬– mit gravierenden Folgen.

In seiner Kurzgeschichte Die Maschine steht still aus dem Jahr 1909 (!) sah E. M. Forster moderne Techniken wie das Internet und Videotelefonate voraus. Dabei war zu diesem Zeitpunkt der Rundfunk gerade mal drei Jahre alt. Nach dieser Dystopie – umgesetzt als kurzweilige Hörspiel-Produktion – werdet ihr WhatsApp und Co. mit anderen Augen betrachten.

Die besten Techno-Thriller: Hochspannung nicht nur für Technik-Nerds.

Böse Menschen, träumende Maschinen: Dystopie-Klassiker aus den 50ern und 60ern

Blade Runner

Nordamerika im Jahr 1992. Die Erde wurde durch einen Atomkrieg verwüstet. Die Überlebenden sind größtenteils auf den Mars ausgewandert. Der Kopfgeldjäger Rick Deckard liquidiert Androiden, welche er mithilfe eines Empathie-Tests von echten Menschen unterscheiden kann. Als er eine Affäre mit der Androidin Rachael beginnt, stürzt Deckard in eine Sinnkrise: Was genau unterscheidet Androiden eigentlich von Menschen? Und: Träumen Androiden von elektrischen Schafen?

Ridley Scotts Meisterwerk „Blade Runner“ basiert lose auf Philip K. Dicks Science-Fiction-Klassiker. Hier verschmilzt eine technologische Dystopie mit der Vision eines totalitären Systems. Damit gilt der dystopische Roman als Vorläufer des Cyberpunk-Genres. Zahllose popkulturelle Referenzen zeigen bis heute, wie aktuell das Werk noch immer ist. Fesselnd gelesen von Torben Kessler.

Auch in diesen Top 10 Romanen über den Mars ist der rote Planet bereits kolonisiert.

Clockwork Orange

Zusammen mit drei Freunden zieht der jugendliche Alex durch die Straßen Londons. Spaßeshalber verprügeln sie wehrlose Passanten und rauben Geschäfte aus – bis Alex gefasst wird. Anstatt jedoch seine 14-jährige Haftstrafe anzutreten, wird er einer neuartigen Gehirnwäsche unterzogen, welche ihn zu einem guten Bürger machen soll.

Der philosophische Klassiker A Clockwork Orange von Anthony Burgess stellt die Frage: Sollte ein Mensch frei sein, selbst wenn er ebenjene Freiheit für böse Taten nutzt? Sprecher Benno Fürmann entführt in eine dystopische Welt voller Gewalt und spannender Fragen.

Lord of the Flies

Eine Gruppe Jungen stürzt mit einem Evakuierungsflugzeug ab, das die Kinder vor einem Atomkrieg in Sicherheit bringen sollte. Sie landen auf einer malerischen Insel. Fernab jeglicher Zivilisation formieren sich zwei Lager: Das eine wird von Jack angeführt. Seine Mitstreiter bezeichnen sich selbst als Jäger. Ihm gegenüber steht Ralph mit seinen Freunden. Sie wollen die anerzogenen Grundsätze der Zivilisation bewahren. Schnell geraten die beiden Banden in einen Konflikt, in welchem die Jäger ihrem Namen alle Ehre machen.

Sind Menschen von Natur aus gewalttätig? Dieser Frage nimmt sich William Golding in Lord of the Flies an. In seiner erfolgreichsten Geschichte wählt er als Protagonisten Kinder – doch von infantiler Unschuld sind diese weit entfernt. In der englischen Originalfassung gibt Sprecher Martin Jarvis die bedrückende Stimmung und die konstante Spannung dieses Jugendbuchklassikers wieder.

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