Eine verlassene Lungenheilstätte mitten im brandenburgischen Wald. Regen tropft unaufhörlich von den Blättern, den ganzen Tag schon kommt er literweise vom Himmel. Es ist längst dunkel. Außer dem Regen hört man: nichts. Doch. Ein dumpfes Knallen, so als würde eine schwere Holztür zufallen. Als würde jemand Holzbalken aufeinanderstapeln. Hier ist aber niemand, der Holzbalken aufeinander stapeln würde. Schon gar nicht nachts, schon gar nicht ohne Licht – und schon gar nicht hier, in dieser verlassenen Heilanstalt.

„Das sind Präsenzen“, erklärt Geisterjägerin Minckee Gerhold scheinbar unbeeindruckt. „Spirits, die noch nicht mitbekommen haben, dass sie tot sind, und weiter ihre Arbeiten verrichten.“ Soso, auch im Jenseits hört die Arbeit also nicht auf.

Minckees Arbeit hat sie schon das ein oder andere Mal in die Lungenheilstätte am Grabowsee geführt. Sie kennt die Anlage gut, war schon öfter und hat die verschiedensten „Spirits“ gesehen und gespürt. Und heute Abend nimmt sie uns mit auf die Geisterjagd.

Von Immobilien zum Paranormalen

Minckee heißt eigentlich Ariane, ist gelernte Immobilienkauffrau, war mal als Rapperin unterwegs und ist jetzt Ghosthunter, spirituelles Medium und Reiki-Meisterin. Wer glaubt, es spuke in den eigenen vier Wänden, der wendet sich vertrauensvoll an Minckee. Sie rückt dann mit ihrem Equipment an – dazu gehört ein K-II EMF-Messgerät, das elektromagnetische Felder misst – und findet heraus, ob es sich wirklich um einen Geist handelt oder die elektrischen Energien einer Wohnung einfach auf Grund zu vieler an den Strom angeschlossenen Geräte ungünstig sind.

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Manchmal ist es auch einfach die Energie der Bewohner, die aus dem Lot geraten ist, denn, so Minckee: „Die Leute wissen gar nicht, wie viel sie mit ihren eigenen Energien bewirken können.“ Gibt es tatsächlich eine Präsenz aus dem Jenseits, die durch die Wohnung spukt, redet Minckee mit ihr, versucht sie dazu bewegen, ins Licht zu gehen. Außerdem zündet Minckee Weihrauch und ähnliches an. Ausräuchern, das neutralisiert nämlich negative Energien, erklärt sie.

Uns geht es an diesem verregneten Oktoberabend aber nicht darum, irgendwen oder irgendwas auszuräuchern. Wir wollen erleben, wie Minckee Geister aufspürt – und herausfinden, ob wir sie dank Minckees Equipment auch sehen können.

Auf Geisterjagd am Grabowsee

Also machen wir uns – dick eingepackt, denn am Grabowsee ist es locker zehn Grad kälter als in Berlin, warnt uns Minckee vor – auf den Weg nach Brandenburg. Dort kommen wir in der Dämmerung an, können gerade noch die Umrisse des Verwaltungsgebäudes und des Behandlungstraktes erkennen, in die uns Minckee gleich führen will.

Bepackt mit einer Go Pro-Kamera, einem K-II, einer SLS-Kamera, einem Ghost Radio und mehreren Bewegungsmeldern machen wir uns auf Geisterjagd. Die Türen zum ehemaligen Verwaltungstrakt stehen eh schon offen, hängen schief in den Angeln und gewähren Einblick in eine Vorhalle, gefliest in aufmunterndem Krankenhaus-Gelb und Türkis. Was ehemals Sitzbänke sein sollten, liegt jetzt halb zerlegt im ganzen Raum verteilt.

Spuk in Hill House

Danach kommen wir in eine große Halle – wohl früher so etwas wie ein Konzertsaal. Auf einer verstaubten Bühne, umrahmt von schmutzig-roten Samtvorhängen, steht ein Flügel, dessen schwarzer Lack längst sämtlichen Glanz verloren hat.

„Hier in dem Raum war mal ein kleiner Junge, der mit den Murmeln gespielt hat, die ich ihm mitgebracht habe“, erzählt Minckee. „Aber der wurde mittlerweile abgeholt.“ Sie redet von einem Geist – logisch. Der hatte sie einmal gebeten, Murmeln mitzubringen, was sie dann beim nächsten Besuch auch tat. Als sie die Murmeln im Raum verteilte, rollten sie wieder zu ihr zurück – und das lag nicht etwas daran, dass der Boden so abschüssig ist, sagt sie.

Der kleine Junge spukt hier also nicht mehr herum, wir gehen weiter. Vorbei an kleinen, bis unter die Decke gekachelten Räumen, an Putz, der in dicken Fetzen von der Wand hängt, an Holztüren, die so solide aussehen, dass einem fast Zweifel ob des wahren Zweckes dieser Anstalt kommen.

Rückzugsort für Kranke und Kriegsverletzte

Die Heilstätte in der Nähe von Oranienburg wurde 1896 vom Deutschen Roten Kreuz gegründet und war die erste Einrichtung für Lungentuberkulose in Norddeutschland. Knapp 200 leicht bis schwer erkrankte Männer fanden hier Platz, bis die Kapazitäten später auf 450 Betten erweitert wurden. Während des Krieges kamen hier auch Kriegsverletzte unter, von 1945 bis etwa Mitte der Neunziger funktionierten die Sowjets die Heilstätte als Lazarett um. Besonders bizarr: Die Sowjets waren es auch, die aus der ehemaligen Leichenhalle eine Sauna machten.

Da will Minckee mit uns später auch noch hin. Klasse Idee.

Doch bis jetzt ist alles ruhig – bis auf die Fledermaus, die, aufgescheucht vom Licht unserer Taschenlampe, wütend über unsere Köpfe hinwegflattert. Weder das EMF-Messgerät noch die SLS-Kamera zeigen irgendetwas Außergewöhnliches.

Während wir durch die Gänge streifen, stellt Minckee sich und uns den Geistern vor, bittet sie, sich zu zeigen. Aber: nichts da. „Hier ist heute wirklich nichts los“, stellt Minckee fest und schlägt vor, dass wir es in einem anderen Gebäude versuchen.

Das Haus in Cold Hill

Wir gehen also zurück durch die dunklen Gänge, leuchten mehr oder weniger kunstvolle Graffitis an, klettern durch krude durchbrochene Wände, bis wir wieder im Freien stehen. Es regnet immer noch. Der Wald um uns herum knistert und tropft. In die Dunkelheit leuchten wir mit unserer Taschenlampe lieber nicht, konzentrieren uns stattdessen auf den Eingang des anderen Gebäudes. Das, in dem wir uns etwas mehr Action erhoffen.

Ambitionierte Zukunftspläne

Dieser Gebäudetrakt ist in einem genauso desolaten Zustand wie der andere. Seitdem die Sowjets das Gelände in der Mitte der neunziger Jahre verlassen haben, modert die Anlage vor sich hin. Verwalter Bernhard Hanke tut zwar sein Bestes, um die Häuser instand zu halten, hat aber eine wahre Mammutaufgabe vor sich.

Zusammen mit dem Verein Kids Globe will er hier eine Musikakademie für Kinder eröffnen. Allerdings braucht er dafür erstmal Sponsoren. 50 Millionen Euro für eine mögliche Sanierung sollen im Raum stehen.

Ob das reicht? Der Blick auf lose Holzdielen, die nur erahnen lassen, wie schick die Heilanstalt einst von Innen aussah, auf mutwillig geköpfte Statuen, herausgebrochene Fensterrahmen und sich vom Putz lösende Fliesen lassen Zweifel aufkommen.

Gespenstische Ruhe – und dann …

Jetzt, im Dunkeln, nur im Schein unserer Taschenlampe, passt der stetig voranschreitende Verfall zum morbiden Charme, den die Anlage ausstrahlt. Hier und da bläst ein leichter Windhauch die wenigen zerfetzten Vorhänge, die vor fensterlosen Wandöffnungen hängen, gespenstisch auf. Wir wagen uns weiter hinein in den sich dahin windenden Gebäudekomplex, auf der Suche nach einer Treppe. Runter in die Leichenhalle. Doch alle Treppen, an denen wir auf unserem Weg vorbeikommen, sind mit einem Baustellenzaun abgesperrt.

Der böse Ort

Und dann hören wir es zum ersten Mal: dieses Geräusch. Holz auf Holz. Es klingt so, als käme es aus dem ersten Stock.

Plötzlich spinnt Minckees SLS-Kamera. Die, die sie gerade erst mit frischen Batterien gefüttert hat. Der Bildschirm flackert schwarz, bis er ganz ausgeht. Fast gleichzeitig schlägt das EMF-Messgerät aus, blinkt nun Rot statt wie zuvor noch Grün.

Die SLS-Kamera funktioniert übrigens per Infrarot, indem ein Sensor einen Infrarotstrahl in den Raum wirft, der von einem zweiten Sensor empfangen wird. Dabei werden Personen – oder paranormale Entitäten – reflektiert. Heißt es unter Geisterjägern. Alles Unfug, sagen Kritiker. Die Kamera sei darauf ausgelegt, in allem Möglichen menschliche Formen zu erkennen.

Minckee legt neue Batterien in die Kamera. „Kann sein, dass sich ein Spirit hier Energie gezogen hat“, mutmaßt sie. Und plötzlich tut sich etwas auf dem Bildschirm ihrer SLS-Kamera: Da steht doch tatsächlich ein Strichmännchen und wippt mit dem Fuß. Seltsam, denn Schaut man hinter die Kamera, in den Raum, steht da: nichts und niemand. Doch auf dem Bildschirm ist sie glasklar zu erkennen, die menschliche Form.

„Die ich rief, die Geister / Werd ich nun nicht los.“

Aus „Der Zauberlehrling“ von Johann Wolfgang von Goethe

Wir stehen in einer verlassenen Klinik mitten in Brandenburg, um uns herum tiefste Nacht, es knarzt und krächzt … als wäre das alles nicht schon unheimlich genug, erscheint da plötzlich etwas, das Minckee als alten Mann identifiziert. Als eine von uns in seine Richtung geht, bricht er in sich zusammen, scheint sich zu erschrecken und auf dem Boden zusammen zu kauern, bevor er wieder aufsteht – und verschwindet.

Minckee ist begeistert: „Das ist eine der krassesten Aufnahmen, die ich je gemacht hab!“ Eine Aufnahme übrigens, die später aus dem Speicher von Minckees Kamera verschwindet. Zum Glück haben wir uns das Video noch einmal angeschaut und währenddessen mit dem Handy abgefilmt sodass wir einen Beweis für das mysteriöse Männlein mit dem wippenden Fuß haben.

Immer dem Geräusch nach

Ihre Kamera gibt danach jedenfalls endgültig den sprichwörtlichen Geist auf. Wir hören noch zwei, drei Mal das hölzerne Krachen. Und wie wir es aus Horrorfilmen gelernt haben, folgen wir dem Geräusch natürlich. Was man eben so macht, wenn man nachts in einer verlassenen Lungenheilanstalt unterwegs ist. Wir gehen in den ersten Stock, wo wir das Krachen noch ein letztes Mal – und dieses Mal sehr laut – hören. Woher es kommt, können wir nicht ausmachen. Alle Fenster und Türen in den Zimmern, in die wir todesmutig hineinleuchten, stehen still in ihren komplett verrosteten Angeln.

Irgendwann besinnen wir uns aber doch (endlich, möchte man beinahe sagen) und beschließen, den Rücktritt anzutreten. Genug gespukt.

Geistergeschichten weltberühmter Autoren

Im Auto versuchen wir, das Erlebte auszuwerten. Für Minckee ist es keine Frage: Wir haben einen Geist gesehen und aufgezeichnet. Und wir, tja, was denken wir als Journalistinnen und berufsbedingte Skeptikerinnen? Glauben wir jetzt an Geister?

Sobald wir eine Antwort darauf haben, melden wir uns.

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