Klimawandel, Rechtsruck, Armut: Die reale Welt zeigt sich aktuell nicht von ihrer besten Seite. Wer sich eine Auszeit von der Realität nehmen will, findet in Hörbüchern unzählige Welten, in die man sich flüchten kann. Sei es in die Vergangenheit, wo ja bekanntlich alles besser war oder in Fantasy-Bücher, in denen man weit weg ist von den Problemen des Alltags.
Möchtest du aber nicht nur flüchten, sondern auch mögliche Zukunftsvisionen erkunden, die dir zeigen, wie eine bessere, gerechtere Welt aussehen kann, dann ist das Genre der Utopie eine gute Wahl. Aber was ist eine Utopie eigentlich und wie unterscheidet sie sich von einer Dystopie? Wir bringen dich auf den neuesten Stand zu dem Thema und stellen dir spannende utopische Hörbücher vor.
Was ist eine Utopie?
Der Begriff Utopie stammt aus dem Altgriechischen und besteht aus den beiden Wörtern oú und tópos. Übersetzt heißt Utopie „Nicht-Ort“. Seine Bedeutung als Entwurf einer möglichen, zukünftigen Gesellschaftsordnung hat das Wort aber erst im 16. Jahrhundert erhalten. Entlehnt ist er dem Roman Utopia von Thomas Morus aus dem Jahre 1516.
Aber was macht eine Utopie nun aus? Erkennungsmerkmal für Werke aus diesem Genre ist eine fiktive Gesellschaftsordnung, die in Harmonie und Frieden lebt. In der heutigen Zeit spielen viele utopische Bücher, Filme und Theorien in der Zukunft. Sie spinnen zum Beispiel aktuelle gesellschaftliche Diskurse weiter.
Utopien …
beschreiben eine ideale, perfekte Welt oder Gesellschaft, die erstrebenswert erscheint.
sind ein Gegenentwurf zur bestehenden Gesellschaft, verbunden mit Ideen von Gerechtigkeit, Gleichheit, Frieden und Fortschritt.
umfassen die unterschiedlichsten Bereiche von Politik und Wirtschaft über Kultur und Bildung bis hin zum allgemeinen Zusammenleben.
Doch auch wenn Utopien wie bloße Träumereien wirken, sollen sie mehr sein. Die Autorinnen und Autoren möchten mit utopischen Werken dazu anregen, über Alternativen nachzudenken, sich von gesellschaftlichem Fortschritt inspirieren zu lassen und die Gegenwart kritisch zu reflektieren.
Utopische Themen
In der Moderne behandeln Utopien eine Vielzahl von Themen. Grob erfolgt dabei die Einteilung in gesellschaftliche, politische und wissenschaftlich-technische Utopien.
Gesellschaftliche und politische Utopien
Politische Utopien finden sich insbesondere im Sozialismus sowie im Kommunismus, die für viele Autorinnen und Autoren als utopisches Vorbild dienen. In politischen Utopien, die in sozialistischen Gesellschaften spielen, gibt es keine Ausbeutung und Güter werden gerecht umverteilt. Oft gibt es in diesen kein Geld mehr und die Bewohnerinnen und Bewohner leben bedürfnisorientiert. Eine bekannte sozialistische Utopie ist Das Recht auf Faulheit: Widerlegung des Rechts auf Arbeit des französischen Sozialisten und Arztes Paul Lafargues aus dem Jahr 1880. Wer des Französischen mächtig ist, kann sich das Werk im Original auch als Hörbuch anhören.
Zur Mitte des 20. Jahrhunderts gab es auch neoliberale Utopien, die von der Vorstellung einer marktgesteuerten Welt ohne politische Eingriffe dominiert wurden. Ein bekannter Vertreter war Friedrich August von Hayek mit seinem Werk Die Verfassung der Freiheit. Darin zeichnet er ein Idealbild einer Gesellschaft, in der die individuelle Freiheit maximal geschützt ist und der Staat nur eine sehr begrenzte Rolle spielt.
Wissenschaftlich-technische Utopien
In Utopien, die sich auf Wissenschaft und Technik konzentrieren, ist der technologische Fortschritt die Lösung aller Probleme. Prinzipiell sind viele Science-Fiction-Bücher Ausdruck utopischer Gedanken wie der Besiedlung des Weltalls und der Existenz fortschrittlicher Gesellschaften.
Ein anderes klassisches Thema wissenschaftlich-technischer Utopien: die weltweite Zusammenarbeit, um Krankheit, Hunger und Tod durch Gentechnik oder Künstliche Intelligenz zu überwinden. Ein bekanntes Werk zu diesem Thema ist etwa Neu-Atlantis von Francis Bacon. Der Autor hat schon 1627 eine Gesellschaft beschrieben, die durch Wissenschaft und Technik zur Bildungsgerechtigkeit gekommen ist. Das englische Hörbuch dazu findest du bei Audible.
Spannend ist auch Ein Rückblick aus dem Jahre 2000 auf 1887 von Edward Bellamy aus dem Jahr 1888. In seiner Utopie erwacht der Protagonist im Jahr 2000 in einer sozial gerechten und technologisch fortschrittlichen Gesellschaft. Diese ist geprägt von automatisierter Produktion, gerechter Ressourcenverteilung und einem Bildungssystem, das alle Bürgerinnen und Bürger einbindet.
Moderne Utopien
In unserer heutigen Welt spielen Themen wie Feminismus, Identität und Ökologie eine große Rolle. Dabei finden sich erste Werke zu diesen Themen bereits im frühen 20. Jahrhundert. Charlotte Perkins Gilman hat 1915 mit Herland (im Deutschen stellenweise auch Ihrland) einen Klassiker geschrieben, in dem es um eine isolierte Gesellschaft ganz ohne Männer geht. Diese besteht mithilfe der Parthenogenese fort – eine Form der eingeschlechtlichen Fortpflanzung, bei der sich Nachkommen aus unbefruchteten Eizellen entwickeln. Gilman stellt dabei Gleichheit, Bildung und ökologische Harmonie in den Fokus.
Als queere Utopie kann Der lange Weg zu einem kleinen zornigen Planeten von Becky Chambers bezeichnet werden. Der Debütroman der Autorin erschien 2014 und ist eine Space Opera mit queeren Charakteren und alternativen Familienmodellen in einer Multispezies-Gesellschaft. Chambers kombiniert hier die klassische Tech-Utopie mit queeren Themen. Das Erstlingswerk hat den Grundstein für Chambers‘ Wayfarer-Reihe gelegt.
Eine ökologische Utopie ist Ecotopia von Ernest Callenbach aus dem Jahr 1975. Callenbach beschreibt darin eine Welt, die auf nachhaltigen Technologien – wie Solarstrom und Recycling – und Gemeinschaftsgeist basiert. Dabei schafft der Autor eine Symbiose zwischen Mensch und Natur mithilfe grüner Innovationen.
Utopie versus Dystopie: Was ist der Unterschied?
Bekannter als die Utopie dürfte bei vielen Menschen die Dystopie sein. Werke wie 1984 von George Orwell, Schöne neue Welt von Aldous Huxley, Fahrenheit 451 von Ray Bradbury, Wir von Jewgenij Samjatin oder auch Die Tribute von Panem von Suzanne Collins beschreiben düstere Zukunftsvisionen und warnen vor Tyrannei oder Missbrauch von Technologien.
Gut zu wissen: Viele der hier aufgezählten Dystopien sind in den USA verbannt.
Und hier liegt auch der große Unterschied zwischen Utopien und Dystopien. Letztere dienen als Warnung vor einer unterdrückerischen oder katastrophalen Zukunft und möglichen Fehlentwicklungen. Utopien hingegen zeichnen idealisierte Gesellschaften, die als perfektes Gegenmodell zur Gegenwart dienen. In utopischen Werken dient Technologie dem Gemeinwohl, während in Dystopien Technik zur Überwachung und Kontrolle missbraucht wird.
Ferner rebelliert die Protagonistin oder der Protagonist in dystopischen Büchern gegen das System und versucht, Veränderung herbeizuführen. In Utopien hingegen ist das gar nicht nötig, da die Gesellschaft bereits für optimal ist – alle haben die gleichen Rechte und Bildungsmöglichkeiten, das Konzept „Reichtum“ existiert nicht.
Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal: Utopien zeigen Lösungen für reale Probleme auf und wollen als Inspiration für gesellschaftlichen Fortschritt dienen. Dystopien hingegen warnen vor Totalitarismus, dem Klimakollaps oder dem Missbrauch von Technologie. Dabei beschreiben Autorinnen und Autoren von Dystopien oft vermeintlich utopische Gesellschaften, die sich später als Täuschung entpuppen. Solche Werke – wie auch Schöne neue Welt – werden als „Scheinutopien“ bezeichnet.
Auf einen Blick:
Utopien sind positive Zukunftsszenarien mit Idealvorstellungen der Gesellschaft.
Dystopien warnen vor Fehlentwicklungen, die zu Unterdrückung und Ausbeutung führen.
In Dystopien rebellieren die Protagonistin oder der Protagonist gegen das System.
Zwei Klassiker der Utopie
Zwei utopische Bücher möchten wir dir gern noch etwas genauer vorstellen: Utopia von Thomas Morus als Begründer des Genres und Die linke Hand der Dunkelheit von Ursula K. Le Guin, die das Genre revolutionierte.
Utopia von Thomas Morus
Der humanistische Gelehrte Morus trifft in Antwerpen seinen Freund Peter Ägidius und einen Fremden. Dieser Fremde soll selbst mit Amerigo Vespucci gereist sein. Er berichtet Morus von seiner Reise zur Insel Utopia und der dort lebenden Gesellschaft. Eine Gesellschaft mit demokratischen Grundzügen, die auf rationalen Entscheidungen, Gleichheitsgrundsätzen, Arbeitsamkeit und dem Streben nach Bildung basiert. Dabei wird „Utopia“, so der Name des Landes, als Republik regiert. Aller Besitz ist hier gemeinschaftlich, Anwälte sind unbekannt. Kriege, die sich nicht verhindern lassen, werden mit Hilfe von Söldnerinnen und Söldnern aus dem Ausland geführt.
Libellus vere aureus, nec minus salutaris quam festivus, De optimo rei publicae statu deque nova insula Utopia ist der Originaltitel des 1516 in Latein erschienenen Buches von Thomas Morus. Übersetzt heißt das Buch: Ein wahrhaft goldenes Büchlein, nicht minder heilsam als unterhaltsam, von der besten Verfassung des Staates und von der neuen Insel Utopia. (Glücklicherweise hat sich die Kurzform Utopia für eines der prägendsten Werke der Literatur durchgesetzt.) Inspiriert haben den Autor Erzählungen über indigene Gruppen, die auf Hispaniola lebten.
Utopia gilt als Grundstein für Romane, die fiktive idealen Gesellschaft beschreiben. Heute zählen utopische Romane meist zur Science-Fiction.
Die linke Hand der Dunkelheit von Ursula K. Le Guin
Der terranische Gesandte Genly Ai soll den Planeten Gethen für die Ekumen gewinnen – ein interplanetarer Staatenbund. Gethen ist ein Eisplanet und zwischen dem Königreich Karhide und seinem Nachbarland Orgoreyn ist die politische Lage angespannt. Hinzu kommt, dass Genly Ai weder mit den Regeln noch den Konventionen vor Ort vertraut ist. Es irritiert ihn, dass die Gethens ambisexuell sind und kein festes biologisches Geschlecht haben. Das bedeutet: Monatlich entwickeln die Glethens temporär entweder Männern oder Frauen zugeschriebene Geschlechtsmerkmale. Kann Genly Ai in dieser Welt seine Mission aerfolgreich abschließen oder scheitern seine Bemühungen?
Die linke Hand der Dunkelheit von Ursula K. Le Guin ist 1969 erschienen. Darin definiert die US-amerikanische Autorin den Begriff der Utopie neu. Denn: Die Autorin entwirft hier dynamische, fehlbare Gesellschaftsmodelle, die Widersprüche zulassen. Mit ihrer feministischen Perspektive, der Dekonstruktion traditioneller Utopie-Konzepte und kritischen Gesellschaftsentwürfen gilt Ursula K. Le Guin als eine der prägendsten Autorinnen der utopischen Literatur.
Mit ihren Werken hat sie die Grundlage für die Entwicklung von ambivalenten, selbstreflexiven Utopien geschaffen, die Machtstrukturen und ideologische Fallstricke hinterfragen. Für ihre Bücher wurde sie unter anderem mit dem Hugo Award sowie dem Nebula Award ausgezeichnet.
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