Offen gesagt kannte ich das Wort „Slam“ bis dahin nur aus meiner Zeit als Basketballspieler: Bei einem „Slam“ versenkt man den Ball im Korb.

Aber auch beim „Poetry Slam“ spielen sich Leute gegenseitig Bälle zu. Auf einer Bühne kann jeder, der möchte, selbstgeschriebene Texte vor einem Publikum vortragen. Im Unterschied zur offenen Bühne wird anschließend abgestimmt. Wer ist der beste Teilnehmer? Wer der Schlechteste? Das Publikum entscheidet…

Kampf der Poeten, made in USA

Soweit, so gut. Doch woher kommt eigentlich diese Form des modernen Dichterwettstreits? Hier lohnt ein Blick über den großen Teich: Bereits 1986 fand in den USA der erste „Slam“ statt, ausgerichtet vom Perfomance-Künstler und Poeten Marc Kelly Smith. Dieser wollte mit dem Wettstreit die Begeisterung des Publikums für vorgetragene Literatur neu entfachen.

Ein Erfolgsrezept, das bald weltweit Nachahmer fand. Auch in Deutschland: Seit Mitte der Neunziger gibt es in fast allen großen deutschen Städten Bühnen, auf denen Schreiber und Dichter gegeneinander antreten.

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Spaß an der Sprache, Gefühl für das Publikum

Michael Heide ist einer von ihnen. Ich habe ihn gefragt, wie er zur Szene gekommen ist: „Ein guter Freund von mir hatte 2008 die Moderation des Poetry Slams im Blue Shell in Köln übernommen und bat mich vorbeizuschauen. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich davon allerdings ein völlig falsches Bild. Ich lag so was von daneben! Anstatt Herumgeprolle waren dort lustige, nachdenkliche und unterhaltsame Slammer mit Spaß an der Sprache und Gefühl für das Publikum. Bald stand ich selbst mit unglaublichem Lampenfieber auf der Bühne. Seitdem mache ich das regelmäßig!“

Ob es schwierig ist, seinen Text vor unbekanntem Publikum vorzutragen? Michael lächelt: „Jedes Publikum ist anders. Manchmal wollen die Gäste lachen, manchmal nachdenken, manchmal clevere Sprachspielereien. Ich habe schon Favoriten mit zig Trophäen im Regal in der ersten Vorrunde scheitern sehen, während ein unbeschriebenes Blatt an ihnen vorbei ins Finale zog.“

Spontan daneben: Was beim Auftritt schief gehen kann

Viele finden übrigens, dass in dieser Spontanität die Stärke des „Slams“ liegt. Oft kommt es zu unfreiwillig komischen Momenten, wie mir Andrea Rambau – ebenfalls in der Szene verwurzelt – erklärt: „Einmal habe ich während des Erzählens den Vornamen der Hauptperson verwechselt. Ich wurde immer unsicherer, als ich in die verwirrten Gesichter sah. „Kann es sein, dass Du da grad was durcheinander kriegst" fragte schließlich jemand. Ich war vorher schon vor Aufregung ziemlich rot, danach wäre ich locker als Saalbeleuchtung durchgegangen!“

Schauspieler und Dichter in einem

Ich frage mich, ob es besondere Kniffe gibt, mit denen man das Publikum gewinnen kann. „Sicher haben erfahrene Slammer ihre Tricks“, glaubt Poetry Slam Autorin Regina Mengel, die wie Michael und Andrea auch schon zu Gast bei der Audible Poetry Night war und regelmäßig „Slams“ besucht. „Mancher gibt den Brummelbär, ein anderer stellt sich bewusst tollpatschig an, andere rappen ihre Texte. Es ist ja nicht nur der Text, sondern die Gesamtperformance, die am Ende den Sieger ausmacht. Man kann das vielleicht ein bisschen mit einem Theaterschauspieler vergleichen, nur dass Slammer ihre Texte selbst schreiben.“

Talentschmiede: Marc-Uwe Kling und seine Wurzeln

Beim Poetry Slam gibt es viele Talente zu entdecken! Hättet ihr gedacht, dass Kabarettist und Autor Marc-Uwe Kling ebenfalls aus der Szene kommt? Jahrelang moderierte der Erfinder des lakonischen Kängurus den Kreuzberg Slam in Berlin und räumte bei den deutschen Poetry-Slam-Meisterschaften gleich zweimal ab!

Natürlich kann man die streitbaren Literaten nicht nur in der Hauptstadt erleben...Tipp: Für Hamburg empfiehlt Andrea den Kampf der Künste, allen Kölnern legt Regina das Blue Shell ans Herz. Ihr wohnt woanders? Kein Problem! Auf der Community-Seite Myslam.net findet ihr viele Veranstaltungen im deutschsprachigen Raum.