Sandra, du als Autorin, und Elke, du als Development Producerin, ihr seid Teil eines Writers‘ Rooms bei der Fiction Factory von Audible. Wie kamt ihr dazu?

Sandra Klein: Ganz einfach: Ich hab' mich als Autorin beworben. Ich habe viele Jahre lang als Dramaturgin und Autorin fürs Fernsehen gearbeitet. Von Audible wurde ein historischer Stoff ausgeschrieben, man konnte Textbeispiele oder Vorschläge zu einem historischen Thema einreichen. Auf der Basis wurde dann ein Team zusammengestellt.

Elke Koepping: Ich war schon seit einiger Zeit als Lektorin und Korrektorin für die Audible Originals tätig, kannte also auch schon Manuskripte anderer Writers' Rooms. Josi Longmuss, die zunächst als Producerin im Audible-Team unsere Ansprechpartnerin war und den Writers' Room für „Caroline“ zusammenstellte, fragte mich, ob ich mir prinzipiell die Anleitung eines solchen Autorinnenteams vorstellen könnte. Und da bin ich halt ins kalte Wasser gesprungen.

Sandra Klein: Wir hatten die Möglichkeit, einige Workshops bei Audible zu besuchen, coronabedingt fand das Anfang 2021 alles online statt. Darin wurden die Besonderheiten dieser Writers' Rooms und des seriellen Schreibens für Hörbuch und Hörspiel vorgestellt. Die eine oder andere Kollegin fiel mir da schon auf und ich hab‘ überlegt, ob die nicht eventuell mit mir in einem Team sein könnte? (lacht) Den Rest unseres wunderbaren „Caroline“-Autorinnentrios lernte ich dann aber im Prinzip erst nach Vertragsschluss kennen: Kaya Tina Büttner und Alexandra Fischer-Hunold. In Staffel 2 kam dann noch Sigrid Goddard hinzu.

Das britische Erbe

Von wem kam die Idee zu dem Königin-Caroline-Stoff?

Elke Koepping: Die Idee hat Dorothea Martin entwickelt, sie leitet als Senior Executive Producer die Fiction Factory. „Königin Caroline“ ist übrigens die erste deutsche Auftragsproduktion der Fiction Factory für eine historische Hörbuchserie bei den Audible Originals. Die Figur ist Dorothea zufällig im Zusammenhang mit einer anderen Recherche begegnet. Sie hatte vorher von Caroline von Brandenburg-Ansbach noch nie etwas gehört und wunderte sich: immerhin war Caroline ab 1727 die Frau an der Seite des englischen Königs. Dorothea fand ihre Biografie interessant und sah gleich das Potenzial für eine Serie.

Sandra Klein: Das ist etwas, was wir Autorinnen sofort unterschreiben können. Es geht um eine wahnsinnig spannende Zeit: ein Waisenkind aus Deutschland, das es bis auf den englischen Thron schafft, eine Königin, von der wenige bisher etwas gehört haben. Über sie gibt es kaum Literatur, und sie wurde auch noch nicht ausführlich in Filmen und Serien behandelt. Das ändert sich natürlich ab sofort! (lacht)

1. Die Tote in der Wand

Von welcher Zeit reden wir hier – und wer ist diese „unbehandelte“ Königin?

Sandra Klein: Wir bewegen uns im bunten, sinnenfreudigen Barockzeitalter und starten mit unserer Geschichte um Caroline von Brandenburg-Ansbach im Jahr 1714. Zu dem Zeitpunkt wird ihr Schwiegervater als König Georg I. von Großbritannien und Irland gekrönt. Er nimmt seinen Sohn und seine Schwiegertochter mit. Caroline ist selbst noch nicht Königin, sondern zusammen mit ihrem Mann, dem Thronfolger Georg August, in einer Art Warteposition.

Elke Koepping: Dem ging es ein bisschen wie Prince Charles heute mit seiner Mutter Queen Elizabeth II.: Georg August musste repräsentieren, wurde von seinem Vater jedoch von politischer Einflussnahme ferngehalten. Das führte zu dramatischen Konflikten. Wann hat man je von einem König gehört, der seinen Sohn und Thronerben drei Tage vor Weihnachten mit nichts als dem, was er am Leibe trug, aus dem Palast warf und ihm dann auch noch das Sorgerecht für seine Kinder entzog? Diese Prinzessin wurde plötzlich mit der Entscheidung konfrontiert, entweder ihre Kinder aufzugeben – oder ihren Mann!

Sandra Klein: Im Lauf der Recherche stieg unsere Begeisterung für den Stoff immer weiter: Caroline war eine hochgebildete, kluge und politisch umsichtig taktierende Frau. Eine frühe Aufklärerin, der es darum ging, das Leid in der Welt zu verstehen und zu lindern, weil sie es aus eigener Erfahrung kannte. Sie begeisterte sich für die neusten Erkenntnisse der Wissenschaft und Philosophie. Gleichzeitig veranstaltete sie prunkvolle Feste und hatte Liebhaber. Historiker und Historikerinnen vermuten, dass sie die eigentliche Regentin war, die ihrem Mann, Georg II. den politischen Kurs vorgab. Und er hörte auf sie. Nicht nur das, ihr Leben in England wurde von gravierenden historischen Umwälzungen begleitet. In dieser Zeit entstand das Britische Reich, wie wir es heute kennen.

Elke Koepping: Es ist die Zeit der beginnenden Kolonialisierung, der globale Sklavenhandel hat seinen Anfang, der Tee kommt nach England! Krieg mit Spanien: eine Armada segelt gen England, Jakobitenaufstände stellen die Rechtsnachfolge des protestantischen deutschen Königs auf dem englischen Thron in Frage, es gab einen Anschlag auf das Leben des Thronfolgers in einem Theater und einen der ersten großen Börsencrashs der Geschichte: beim Südsee-Aktienschwindel wurden vor allem Kleinanleger ruiniert – unterstützt von König und Parlament! Das erinnert ein bisschen an die Telekom-Aktie ...

Sandra Klein: Und Georg Friedrich Händel! Händel war zu der Zeit in London, dort komponierte er die Wassermusik, italienische Opern und wundervolle Oratorien. Die Kastraten und Sopranistinnen waren Superstars und zofften sich auf der Bühne. Über sein Privatleben ist wenig bekannt, möglicherweise war er schwul. Aber er war auch schon seit früher Jugend mit Caroline bekannt. Eine Liebesgeschichte zwischen der Prinzessin und dem Komponisten wird von Historikerinnen und Historikern nicht ausgeschlossen. Eine Steilvorlage für uns!

1. Eine Leiche zu viel

Es geht in Hannover los?

Elke Koepping: Genau, in Herrenhausen, der Sommerresidenz der Kurfürsten von Hannover. Queen Anne starb kinderlos in einer Zeit, als England sich bereits offiziell vom Papst abgewandt und mit der Anglikanischen Kirche eine eigene, protestantische Staatsreligion etabliert hatte. Das Parlament wollte keinen Katholiken auf dem Thron. So kam die hannoversche Erbfolge ins Spiel. Die Hannoverschen Kurfürsten aus dem Geschlecht der Welfen waren entfernt verwandt mit den Stuarts.

Sandra Klein: Wir steigen 1714 dramatisch mit dem Tod der eigentlich designierten Thronfolgerin ein: Sophie von Hannover, auch als Sophie von der Pfalz bekannt, starb bei einem Gewitter, das ist historisch überliefert, im Großen Garten von Hannover. An dieser Stelle steht heute eine Skulptur, die an sie erinnert. Kurz nach ihr starb Queen Anne in London. Dann begann der große Umzug nach London. Und das mit durchaus humorigem Culture Clash: Sophies Sohn, der frischgebackene König Georg I. von Großbritannien und Irland, sprach kein Wort englisch. Außerdem war er ein sinnenfreudiger Esser: er nahm vorsichtshalber eine Vielzahl deutscher Köche mit nach London. Wen wundert's, bei dem Ruf, den die englische Küche genießt ...

Die Geschichte habt ihr gemeinsam entwickelt?

Elke Koepping: Ja, kollaborativ, im Team. Wir haben uns in einem zweiwöchigen Entwicklungsworkshop gegenseitig die Bälle zugeworfen, Ideen entwickelt und wieder verworfen, neue Figuren ersonnen und Fiktives zum historisch Überlieferten hinzugedichtet.

Sandra Klein: Parallel haben wir damit angefangen, über diese Zeit zu recherchieren. Zuerst haben wir uns die äußeren Umstände rausgesucht, also die geschichtlichen Fakten, weil daran die inneren Konflikte der Figuren hängen. Das Wesentliche ist, dass wir versuchen, diese Geschichte mit einem Fokus auf Carolines Leben zu erzählen, auch wenn diese aus ganz unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet wird. Ein Stück weit folgen wir so dem Prinzip der Geschichtsschreibung: viele verschiedene Berichte ergeben das große Ganze, eine Gesamtdramaturgie. Wir haben historische Quellen durchforstet, um einen weiblichen Blick – der bislang wenig erzählt wurde – mit Material zu unterfüttern.

1. Der Tod der alten Dame

Elke Koepping: Caroline taucht nicht als aktive Hauptfigur in Geschichtsbüchern auf. Wir mussten also Quellen dahingehend interpretieren, wir ihr Blick auf die Geschehnisse gewesen sein könnte. Jede von uns hat sich einen Apparat mit Literatur zu Hause hingestellt, und wir haben historische Daten in einer Tabelle zusammengetragen. Dann haben wir gemeinsam besprochen, wie sich diese Details zu einer Geschichte zusammenfügen könnten, welchen Zeitraum wir genau behandeln wollen, und was unser Oberthema sein sollte.

Sandra Klein: Für Staffel 1 heißt das „Ankunft in England“. Wie ist es, als Deutsche in England anzukommen? Für Caroline, für ihren Ehemann und für ihren Schwiegervater? Wie kommen sie damit zurecht, von einer Kultur in eine andere zu wechseln? Wie werden sie von den Engländern empfangen? Das Tolle war, dass wir als Autorinnen irgendwann merkten, wie sich unser Faktenpuzzle nach und nach zusammenfügte. Das dann mit einer frischen, zeitgemäßen Perspektive anzugehen und etwas zu wagen – im Sinn von Fiktionalisierung – macht unglaublichen Spaß. Es ist allerdings sehr intensiv, was die Recherche angeht, die kostet echt viel Zeit.

Seid ihr nach London geflogen, um euch die Orte anzuschauen, wo alles spielt?

Sandra Klein: Wäre Corona nicht gewesen, wäre ich jedes Wochenende nach London geflogen. Ganz klar. (lacht) So war es ein bisschen schwierig. Aber ich war immerhin in Herrenhausen. Wir haben allerdings eine Autorin im Team, die in London lebt. Was toll ist. Sonst gibt‘s eben Google Earth, jede Menge Bildbände und alte Karten, die wir uns angeguckt haben. Es ist auch überraschend viel Originalliteratur im Internet zu finden, zum Beispiel die ganzen Oberhausprotokolle der Zeit, aber auch Tagebücher und Schriften, etwa von der Schriftstellerin und Impfpionierin Mary Wortley Montagu, einer unserer Protagonistinnen, oder John Hervey, dem engen Vertrauten und Biografen Carolines. Er war wohl schwul und hat das in seinem späteren Leben auch ausgelebt, nachdem er zuerst brav geheiratet und ein paar Erben gezeugt hatte.

Die Flüsse von London

Wie macht man aus solch einer historischen Geschichte einen Bestseller?

Elke Koepping: Ob uns das gelungen ist, muss sich noch zeigen! Als wir anfingen, war die Netflix-Serie „Bridgerton“ hoch im Kurs. Die war ein Knaller, modern, bunt und divers und einfach wahnsinnig schön anzugucken. Das haben wir uns als Vorbild genommen. Wir wollten keine historisierende Sprache. Wir wollen unsere historische Geschichte so erzählen, dass sie für moderne Menschen emotionale Anknüpfungspunkte bietet. Unsere Hörerinnen und Hörer sollen mitfiebern und sich in unseren Figuren wiedererkennen.

Sandra Klein: Wir orientieren uns prinzipiell entlang historischer Fakten. Und dichten dann etwas dazu, zum Beispiel eine Liebesgeschichte. Auch tragische Elemente sind dabei. Wir haben Figuren eingeführt, die so nicht existierten, etwa eine junge schottische Revolutionärin, Rory MacLaine: eine lesbische Frau, die in Männerkleidern unterwegs ist und eine Affäre mit der Botschaftergattin Mary Wortley Montagu anfängt. Wir erzählen zum Beispiel ein opulentes Liebes- und Sexleben. Uns ist es wichtig, im Zeitkolorit eine Story zu erzählen, die Menschen heute noch etwas angeht.

Wie wichtig war es euch mit schwulen und lesbischen Charakteren einen Akzent zu setzen, der anderswo nicht so häufig zu finden ist?

Sandra Klein: Ich empfinde einen solchen Akzent von nicht-heterosexuellen Lebensweisen als völlige Selbstverständlichkeit. Und ich finde es schön, dass wir das bei Audible umsetzen konnten. Anders als beim Fernsehen wurde uns nicht ständig gesagt: ‚Das geht nicht, da schalten die Zuschauer sofort ab.‘ Wir hatten inhaltlich völlig freie Hand, auch weil das Audible-Team Diversität in den Inhalten explizit fördert und nach außen vertritt. Ich persönlich glaube übrigens auch nicht, dass irgendeine Hörerin oder ein Hörer abschalten wird, wenn sich zwei Frauen ineinander verlieben.

Der Duke und ich

Elke Koepping: Diverse Figuren machen eine Geschichte spannender! Wir haben zum Beispiel auch einen türkischen Diener, der als Kind verschleppt wurde und in den Diensten von König Georg I. stand. Mehmet soll sogar die privaten Finanzen des Königs verwaltet haben. Er heiratete eine Deutsche – seine älteste Tochter hieß übrigens Sophie Caroline – und bekam für seine treuen Dienste vom König einen Adelstitel. Das ist alles tatsächlich passiert. Wir haben eine sehr freigeistige und freizügige Zeit in England erwischt. Anders als im prüden viktorianischen Zeitalter, in dem „Bridgerton“ angesiedelt ist, trieb es hier der Adel recht bunt. Hedonistische, bi- und homosexuelle Persönlichkeiten vorzustellen, wie Lord Hervey oder Rory MacLaine, fiel uns nicht schwer.

Sandra Klein: Zu Hervey existiert das geflügelte Wort: „Es gibt Frauen, es gibt Männer und es gibt Herveys.“ Als ich auf diesen Spruch stieß, ging mir das Herz auf. (lacht) Er war also ein Mensch, der sich keinem dieser beiden Geschlechter ganz eindeutig zuordnen ließ – oder sich zuordnen wollte. Natürlich war es für homosexuelle Menschen nicht leicht, in ihrer Zeit und Gesellschaft ihre Identität zu leben. Wir haben einen Minister in unserer Geschichte, der mit einer Frau verheiratet war, Kinder hatte, aber ein heimliches Doppelleben mit einem Mann führte und deswegen erpresst wurde. Er nahm sich das Leben.

Das Bildnis des Dorian Gray

Hörerinnen und Hörer der Serie können also ein Zeitalter neu entdecken, das moderner ist, als viele denken?

Elke Koepping: Total! Lady Mary Wortley Montagu, eine enge Freundin von Caroline, war Feministin; das ist völlig irre. Man glaubt es kaum, im 18. Jahrhundert einer Frau zu begegnen, die für die Besserstellung von Frauen Partei ergreift. Ihr Mann ging als Botschafter nach Konstantinopel, sie war neugierig auf die osmanische Kultur, stellte Fragen, berichtete in Briefen und fing an, türkische Gewänder zu tragen. Und sie trug diese auch in England, als sie nach zwei Jahren zurückkam. Während alle anderen Frauen Reifrock, Korsett und gepuderte Perücken trugen. Sie brachte übrigens das Konzept der Pockenimpfung aus Konstantinopel mit nach England.

Sandra Klein: Lady Wortley Montagu ist eine Figur, die wir durcherzählen, das heißt, sie kommt in beiden Staffeln von „Königin Caroline“ vor. Caroline lässt sich von Mary inspirieren, die eigenen Kinder impfen zu lassen. Was ein Riesenthema war. Da sagt der König nicht sofort: „Na klar, impf‘ mal meine Nachkommen mit einem tödlichen Krankheitserreger!“ Damals gab es natürlich nur einen Lebendimpfstoff. Dafür musste Caroline richtig kämpfen. Die Pockenepidemie und Wortley Montagus Impfkampagne bietet überraschend viele Parallelen zu unserer heutigen Situation. Die Ängste der Menschen sind vergleichbar, aus der Geschichte wird aber auch die Notwendigkeit deutlich, diese zu überwinden.

Wer ist euer Zielpublikum für solch eine Geschichte?

Elke Koepping: Es ist zunächst einmal ganz klar Unterhaltungsliteratur. Als Zielgruppe haben wir Frauen im Blick, oder allgemein Menschen, die sich gerne in ferne Zeiten entführen lassen, mit einem Touch Romance. Ein Stück weit gibt es bei „Königin Caroline“ unterhaltsam verpackten Geschichtsunterricht. Wir folgen den recherchierbaren Fakten, verlassen die historisch exakte Erzählung aber immer wieder zugunsten spannend erzählter Handlungsstränge. Vergleichbar ist die Geschichte etwa mit der Serie „Outlander“. „Outlander“ spielt ja zur Zeit Georgs II., also zur Regierungszeit von Carolines Mann, sie selbst ist da schon tot. Einige Figuren, die bei „Outlander“ vorkommen, sind in jüngeren Jahren auch Teil unserer Geschichte, z. B. der schottische Duke of Argyll, den wir als engen Freund von Georg August, da noch Prince of Wales, zeigen.

Feuer und Stein

Was war bei der Koordination eures Writers‘ Rooms die besondere Herausforderung?

Elke Koepping: Nachdem wir die ganzen historischen Fakten zusammengetragen hatten, mussten wir entscheiden: Welchen Zeitraum erzählen wir? Wo liegt für uns genau die Geschichte? Die Autorinnen haben zuerst für jede Folge ein Mini-Treatment geschrieben, also eine Kurzbeschreibung für jede der 15 Folgen. Dabei haben wir schon einmal gemeinsam überlegt, wer welche Folge ausschreibt. Als das stand, wurde das Mini-Treatment zu einem sogenannten „Long Pitch“ ausgearbeitet, pro Folge sind das etwa zwei Seiten. Den sind wir abermals gemeinsam durchgegangen, um zu sehen, ob wir irgendwo vergessen haben, Figuren weiterzuführen oder ob uns grundlegende Informationen fehlen. Diese Langinhalte haben bereits kleine Cliffhanger, jede Folge endet also offen mit einem Spannungselement, das zum Weiterhören verführt. Erst im dritten Schritt wurden die einzelnen Folgen ausgeschrieben. Pro Folge hat jede Autorin rund 10 Tage Zeit. Im Zweiwochenrhythmus haben wir dann fertige Folgen miteinander abgeglichen und gemeinsam durchgesprochen, damit jede immer über jede Entwicklung informiert ist. So vermeiden wir Diskrepanzen in der Figurenentwicklung oder im Handlungsverlauf.

Sandra Klein: All diese Schritte müssen sein, damit das funktioniert. Das Positive am gemeinsamen Schreiben in einem Writers‘ Room sehe ich darin, dass drei Autorinnen plus eine Development Producerin wie Elke, die ihrerseits gut recherchieren kann, gemeinsam viel mehr zusammentragen, als wenn jemand das allein tun müsste. Ken Follett, als Beispiel für einen sehr bekannten und erfolgreichen historischen Autor, verfügt über ein ganzes Team, das ihm beim Recherchieren hilft.

Elke Koepping: Der Vorteil ist, dass wir auf diese Weise unglaublich schnell produzieren können. Dadurch ist es möglich, die erste Fassung einer Hörbuchserie mit 15 Folgen – das entspricht 350 Normseiten Text! – in knapp zwei Monaten zu verfassen. Das könnte eine einzelne Autorin nicht.

Never - Die letzte Entscheidung

Was ist dann der nächste Arbeitsschritt in der Fiction Factory?

Elke Koepping: Unser Skript durchläuft drei Fassungen. Nach Fertigstellen der ersten wird der rote Faden von mir im Lektorat geprüft, mit den Autorinnen nochmals abgestimmt und an einigen Stellen verfeinert. Damit einher geht ein historischer Faktencheck. Dann kommt das stilistische Lektorat, im Prinzip ein Korrektorat, das Grammatik und Sprachfluss prüft.

Sandra Klein: Wir hatten das Glück, eine besonders aufmerksame Korrektorin zu haben, die Übersetzerin Sara Riffel, die uns auf kleine Unstimmigkeiten in der Dramaturgie hingewiesen hat. Nach der langen Beschäftigung mit einem Stoff wird man an einigen Stellen eben auch betriebsblind, der frische Blick von außen kann sehr hilfreich für den letzten Schliff sein. Daraufhin haben wir den Einstieg in Folge 1 nochmal umgeschrieben, obwohl wir dafür eigentlich keine Zeit hatten. Denn das erste Kapitel und damit der Einstieg in die Geschichte muss sitzen. (lacht)

Elke Koepping: Die Endfassung des Manuskripts wird dann an die Produktion weitergeleitet. Die Sprecherin, Lena Münchow, bekam von mir einen Aussprache-Guide dazu, denn wir haben viele englische Begriffe im Text. Wir haben eine Engländerin gebeten, diese Liste einmal runterzulesen und Lena davon eine Aufnahme zukommen lassen, damit sie sich das im Originalton anhören kann. Die Aussprache hat sie auch wirklich gut hingekriegt.

War von vornherein klar, wie viele Staffeln es geben würde?

Elke Koepping: Es war zunächst klar, dass wir zwei Staffeln in Folge produzieren. Wir haben allerdings darauf geachtet, genug Material zu haben, um mindestens vier Staffeln zu erzählen – und könnten sogar auch sechs gestalten. Und sogar noch ein Sequel und Prequel dranhängen.

Die Methode Merkel

Sandra Klein: Carolines Biografie ist so spannend, das lässt sich endlos weitererzählen. Den Raum haben wir uns gelassen. Daher erzählen wir pro Staffel immer nur so Dreijahreszeiträume aus dem Leben von Caroline. Am Ende läuft die Serie super und wir haben nichts mehr zu erzählen ... Das wäre schade!

Elke Koepping: Nach der Fertigstellung von Staffel 2 gibt es eine kleine Pause, dann schauen die Verantwortlichen auf die Abrufzahlen und entscheiden, ob es weitergeht mit Staffel 3 und 4. In dieser Zeit können die Autorinnen ihre anderen Projekte verfolgen. Etwa Romanprojekte, wie Sandra Klein, Drehbücher wie Sigrid Goddard – oder Kaya Tina Büttner arbeitete parallel an einem Theaterstück mit dem Grips-Theater zusammen.