Anton und ich sind seit zwölf Jahren ein Paar. Acht Jahre davon sind wir verheiratet, seit sechs Jahren sind wir Eltern. Unsere Ehe ist meistens harmonisch und unsere Probleme so unoriginell, dass es fast peinlich ist: Dauermüdigkeit, erotische Flaute, Quengeleien über sein herumliegendes Dies-und-Das, Genörgel über meine Spaßbefreiheit. Das Übliche.

Was wir gemeinsam haben: Wir halten „einfach laufen lassen“ nicht für das beste Lebensmotto der Welt. Vor allem nicht, wenn der Karren dabei ist, an die Wand zu fahren. Ich beschließe also, dass es an der Zeit ist, unsere Beziehung von ein paar Profis generalüberholen zu lassen. Um die Sache gleich gründlich anzugehen, möchte ich nicht nur einen Beziehungsratgeber konsultieren, sondern gleich zehn. Aus jedem will ich mir einen Tipp herauspicken, der mir besonders hilfreich zu sein scheint.

Kopf über Herz: Staffel 1 (Original Podcast)

Da ich nicht genau weiß, wo ich starten soll, entscheide ich mich Kopf über Herz, einen Podcast mit dem Untertitel „Der wissenschaftliche Beziehungsratgeber“. Einem Impuls folgend starte ich mit der vierten Folge: „Angst und Wut regulieren“. Darin gibt der Psychologe Dr. Matthias Berking mir einen simplen Tipp. Ich soll mir die Frage stellen: „Wie geht es mir gerade und warum?“ Na ja, denke ich mir, ich fühle mich diffus unwohl. Obwohl wir dauernd aufeinander hocken, sind wir uns nicht besonders nahe. Als nächstes soll ich mir angucken, welche Angst sich hinter diesem Gefühl verbirgt. Entfremdung, denke ich und bin überrascht, wie schnell mein Gehirn auf den Punkt kommt. Nächster Schritt: Ich soll das Gefühle erst mal akzeptieren. Oha, denke ich, das hier geht schneller zur Sache, als gedacht.

Raus aus dem Beziehungs-Burnout

„Zu großer Erwartungs- und Leistungsdruck tut der Liebe nicht gut. Perfektionismus in der Partnerschaft führt zwangsläufig zu Überanstrengung und Enttäuschung. Der Verlust von Leichtigkeit und Lebensfreude ist vorprogrammiert.“ Ich komme aus dem Nicken gar nicht mehr heraus: Die Berliner Paartherapeutin Daniela Bernhardt hat unserem Problem einen Namen gegeben. Raus aus dem Beziehungs-Burnout, denke ich, das ist es. In den letzten Jahren haben wir uns zwischen Elternschaft, Job und Haushalt aufgerieben. Bernhardts praxisnaher Coaching-Ansatz soll zu schnellen Erfolgen führen. Das Prinzip: „Erst ich, dann du, dann die Liebe“.

Ich beschließe, die Tipps der Autorin nach mehr Selbstliebe zu beherzigen und mich besser um mich selber zu kümmern, damit ich wieder mehr Kraft fürs Miteinander gewinne. Erste Maßnahme: Ich will jedes Wochenende drei Stunden ganz für mich allein haben – für Sport oder zum Entspannen. Komischerweise ist Anton nicht nur einverstanden, er ist richtig begeistert von diesem Vorschlag.

Die Wahrheit beginnt zu zweit

Kurz darauf weiß ich auch, warum: Er findet mich unsportlich und aus der Form geraten! Erfahren hätte ich das vermutlich nie, wenn ich nicht Michael Lukas Moellers Ratgeber Die Wahrheit beginnt zu zweit gehört hätte. „Der entscheidende Weg ist das Zwiegespräch“ – das ist das Credo des 2002 verstorbenen Psychotherapeuten, der als „Papst der Paare“ und Gründer der Selbsthilfegruppenbewegung in Deutschland bekannt wurde. Sein Ratgeber hat schon ein paar Jährchen auf dem Buckel. Das hört man am lustigen Sponti-Slang. Sein Ansatz ist aber nach wie vor aktuell: „Nur das Sich-einander-Mitteilen hält eine Beziehung am Leben“, meint der Autor und schlägt dafür regelmäßige Pärchen-Sitzungen vor – quasi Selbsthilfe zu zweit.

Anton und ich verabreden uns also für Montagabend in unserem Wohnzimmer. Erst darf mein Mann erzählen, dann ich. Ich staune, wie viel in einer Stunde auf den Tisch kommt. Es tut gut, ein paar Dinge auszusprechen, ohne, dass der andere sofort seinen Senf dazu gibt. Wir wollen unserem Beziehungsgespräch ab jetzt regelmäßig eine feste Zeit zu geben, damit es nicht im Alltags-Klein-Klein untergeht.

Wieso Frauen immer Sex wollen und Männer immer Kopfschmerzen haben

Ermutigt von diesen ersten Erfolgen stürze ich mich auf den nächsten Liebes-Ratgeber: Wieso Frauen immer Sex wollen und Männer immer Kopfschmerzen haben – schon mal ein guter Titel. Von Christian Thiel lerne ich schon nach fünf Minuten zwei Dinge: Erstens, dass ich mir Beziehungsgespräche sparen kann. Zweitens, dass gute Beziehungen Hand in Hand mit gutem Sex gehen. Das ist nicht die Meinung des Autors, sondern das Ergebnis wissenschaftlicher Studien. Demnach mutieren Männer – entgegen aller Klischees – in langen Beziehungen häufig zu Sexmuffeln. Weitaus häufiger übrigens, als ihre Frauen.

Die Lösung des Problems? Sextiming. Ein Standardtipp von Paartherapeuten, erfahre ich. Es braucht ein bisschen Überwindung, aber dann verabreden Anton und ich uns noch für denselben Abend. Anton läuft den ganzen Tag lang mit einem zufriedenen Grinsen im Gesicht herum: „Da hat man was, auf das man sich freuen kann.“ Pünktlich zur genannten Zeit liegt er im Bett. Was soll ich sagen: Es wird ein schöner Abend.

Was Liebe braucht - Das Geheimnis des Begehrens in festen Beziehungen

Der Psychotherapeutin Esther Perel ist dieser Ansatz ein wenig zu schlicht. Sie weist auf den offensichtlichen Widerspruch zwischen erotischem Knistern und kuscheliger Häuslichkeit hin: „Erotik entfaltet sich im Freiraum zwischen der eigenen Person und der des anderen.“ Ihr Buch Was Liebe braucht - Das Geheimnis des Begehrens in festen Beziehungen ist ein Plädoyer für mehr Fantasie im Bett.

"Denn Verlangen geht oft mit Gefühlen einher, die der Liebe nicht immer förderlich sind: Eifersucht, Besitzergreifen, Aggression, Macht, Dominanz, Unanständigkeit, Unfug."

Esther Perel

Oh je. Soll Anton mich jetzt fesseln? Muss ich mich in eine Schwesterntracht aus Latex quetschen und ihm den Po versohlen? „Was hältst du eigentlich von Rollenspielen?“ frage ich vorsichtig. „Die habe ich als Schüler gerne gespielt!“ sagt Anton mit leuchtenden Augen. Er denkt offensichtlich an „Das schwarze Auge“ oder „Dungeons & Dragons“. Wir blödeln ein bisschen herum und einigen uns dann darauf, dass wir uns mit unserer Fantasielosigkeit recht wohl fühlen.

Sex Dich frei - Der neue Liebestrend

Auch Polyamorie – also eine Beziehung mit mehreren Liebespartnern zugleich – scheint uns nicht das Richtige zu sein. So faszinierend ich Aino Simons sehr persönlichen Beziehungsratgeber Sex Dich frei - Der neue Liebestrend auch finde: Die Autorin gesteht selbst, dass es für diese Form der Liebe viel Zeit, eine hohe Leidensbereitschaft und Kommunikationsfähigkeit braucht. Nichts von alldem bringe ich aktuell mit. Und die Vorstellung, Anton mit jemandem zu teilen, behagt mir ehrlich gesagt auch nicht. Bin ich jetzt eine furchtbare Langweilerin?

Lob der langen Liebe

Werner Bartens beruhigt mich. „Das ist keine Langweile - das ist Liebe!“ ruft der Wissenschaftsredakteur allen zweifelnden Langzeitliebenden in seinem Beziehungsratgeber Lob der langen Liebe tröstend zu. Zwar wendet sich sein Buch eher an die Babyboomergeneration – die der Autor als selbstverliebt, unreif und gierig beschreibt. Dennoch tröstet mich die Aussicht, dass negative Gefühle mit zunehmendem Alter von alleine nachlassen, während sich Gelassenheit und Dankbarkeit einstellen. Also einfach abwarten?

Schatz du nervst!

Davor warnen Rosi Esterhammer und Peter Kuder in Schatz, du nervst. Sie plädieren für ein achtsames Miteinander und gehen ausführlich auf die Bedeutung guter Kommunikation ein. „Vorwürfe sind maskierte Bedürfnisse“ ist ein Satz, den ich mir aus ihrem Beziehungsratgeber merke. Ihr Vorschlag? Umformulieren. „Mir ist XY wichtig. Könntest du bitte Z machen?“ Das klingt ja ziemlich simpel. Ich marschiere ohne Umweg in die Küche, wo Anton gerade das große Kochmesser abwischt. Ich trompete: „Zärtlichkeit ist mir wichtig! Ich hätte gerne einen Kuss!“ Er lacht, legt das Messer weg und tut wie geheißen. Hm, so richtig gefühlvoll war das allerdings noch nicht. Vielleicht eignet sich die Strategie nicht für jede Situation gleichermaßen.

Unbox your Relationship!
Die 5 Sprachen der Liebe

Vielleicht, denke ich etwas später, sprechen wir aber auch einfach nicht die gleiche Sprache der Liebe. Auf diesen Gedanken hat mich der Speaker und Autor Tobias Beck mit seinem Ratgeber Unbox your Relationship! gebracht. Das Konzept hat er sich nicht alleine ausgedacht, es geht auf den Anthropologen und Seelsorger Gary Chapman und dessen Klassiker Die fünf Sprachen der Liebe zurück. Diese Sprachen sind: Lob, Zweisamkeit, Geschenke von Herzen, Hilfsbereitschaft und Zärtlichkeit. Konflikte entstehen häufig dann, wenn zwei Partner unterschiedliche Liebessprachen sprechen.

Das klingt logisch, finde ich. Als wir am Abend im Bett liegen, frage ich Anton, wovon er sich mehr in unserer Beziehung wünscht. „Steak“ murmelt er im Halbschlaf. Tja, denke ich, auch Essen ist definitiv eine Sprache der Liebe. Das hat Gary Chapman vielleicht einfach übersehen. Anton ist übrigens ein wundervoller Koch.