Ute:
Ich habe damals mit Hörbüchern angefangen, weil ich wenig Zeit hatte, mich hinzusetzen und gedruckte Bücher zu lesen. Ich betrachte Hörbücher also als gleichwertigen Ersatz und das bezieht sich auch auf den Inhalt. Gekürzte Hörbücher sind für mich, als würde man aus einem Buch ganze Seiten herausreißen. Mit „gleichwertig“ hat das in meinem Augen nichts zu tun.
Christian:
Ein Hörbuch ist nicht das gleiche Medium wie ein Buch – es funktioniert anders und zwar über den Klang. Es sind nicht nur die Worte, die mich durch die Geschichte tragen, sondern auch das Talent des Sprechers. Hörbücher höre ich als Alternative zum Buch vor allem unterwegs oder wenn meine Hände beschäftigt sind. Dann möchte ich aber auch direkt in die Geschichte eintauchen.
Ute:
Stimmt: Es ist ein anderes Medium. Deshalb werden Hörbücher ja auch bearbeitet. Bearbeitet, nicht gekürzt! Bei einer guten Bearbeitung fallen z.B. qualifizierende Zusätze in Dialogen weg wie „sagte er nervös“ oder „flüsterte sie leise“. Eben weil diese Emotionen und verschiedenen Rollen schon durch die Stimme des Sprechers ausgedrückt werden. Damit wird aber nichts gestrichen, sondern nur anders transportiert. Mehr Zugeständnisse an das andere Medium halte ich für unnötig.
Christian:
Das kommt auch auf das Genre an. Jugendbücher sind meist kürzer und actionorientierter und deshalb ist da ein großzügiger Einsatz des Rotstifts oft nicht so notwendig. Episch angelegte historische Romane oder Fantasy- und Sci-Fi-Wälzer verlieren sich allerdings mitunter in ausgewalzten Umgebungsbeschreibungen und in der Schilderung des politischen Hintergrunds. Wenn es drei Stunden dauert, bis klar wird, worum es in einer Geschichte überhaupt geht, kann es passieren, dass ich frustriert aufgebe.
Ute:
Interessant. Gerade beschreibende Passagen genieße ich bei Hörbüchern sehr, besonders mit einem guten Sprecher. Dadurch kommt der Rhythmus der Sprache besonders gut zur Geltung. Alliterationen, Onomatopoetische Wörter - solche Sachen.
Der gesprochene Text wird dann fast zu Musik und vor meinem inneren Auge baut sich eine immer detailliertere Welt auf. Ich erinnere mich an von Erin Morgenstern. Kaum Handlung, wahnsinnig viel Atmosphäre, wunderschöne Sprache. Das hat mich gerade beim Erledigen nerviger To Do‘s wunderbar verzaubert.
Christian:
Nicht jeder Satz, der sich auf dem Papier bezaubernd liest, klingt aber auch bezaubernd. Manches hört sich holprig und umständlich an. Oft genügt es, nur wenige Wörter aus einem Satz zu streichen und schon wirkt er flüssiger. Sieh doch mal hier:
Ute:
Es stimmt: Das Vorlesen ist ein guter Gradmesser dafür, ob ein Text flüssig geschrieben ist. Aber genau dafür zu sorgen, ist doch Aufgabe des Autors und dann des Lektors, bevor ein Buch überhaupt veröffentlicht wird.