Irgendwo abgeschottet in einem Zimmer voller Bücher sitzend, über den Laptop gebückt, ungestört, von leeren Kaffeetassen umringt – so stellt man sich den Alltag von Bestsellerautoren üblicherweise vor. Dass sie zwischendurch zum Handy greifen, einem anderen Nachrichten schicken oder kurz am Telefon neue Ideen besprechen, ist schwer vorstellbar.

Doch genau so läuft es bei Sebastian Fitzek und Vincent Kliesch, die gemeinsam die Hörbestseller-Trilogie "Auris" verfasst haben. Sebastian Fitzek gab die Idee, Vincent Kliesch hat es aufgeschrieben. Am 25. März erscheint der dritte Teil, "Todesrauschen". Im Interview verraten die beiden, wie die Zusammenarbeit tatsächlich abläuft.

Auris 3

Woher kennt ihr beiden euch?

Sebastian Fitzek: Wir sind uns sehr häufig bei Veranstaltungen von Audible begegnet. Da sind wir beim Essensstand ins Gespräch gekommen und haben immer wieder über Projekte geredet.

Vincent Kliesch: Wir sind uns aber auch schon einmal begegnet, als du noch beim Radio warst und ich noch Stand-up-Comedian war. Ich habe bei einem Comedy-Casting für eine Sendung mitgemacht, war unter den letzten drei und wusste, dass du bei dem Sender arbeitest. Ich hatte bereits „Die Therapie“ von dir gelesen und mein erstes eigenes Buch stand kurz vor der Veröffentlichung, während du schon sehr, sehr erfolgreich warst. Ich habe geguckt, ob ich dich beim Radiosender zufällig mal sehe – und tatsächlich bist du mir dann quasi in die Arme gelaufen, als du dir einen Kaffee geholt hast.

Die Therapie

Und die Chance hast du genutzt, um kurz mit Sebastian zu reden?

Kliesch: Genau, er hat seine Kaffeepause geopfert, sich total nett und freundlich mit mir über mein Buch zu unterhalten, als ob wir seit hundert Jahren Kollegen wären. Das war unsere erste Begegnung.

Fitzek: Stimmt, da hast du ein besseres Gedächtnis als ich.

Hattest du als Autor, der kurz vor seinem Debut stand, je Hemmungen, deine Ideen mit Sebastian zu teilen?

Kliesch: Das Tolle war – und das beobachte ich auch heute noch bei Sebastian, wenn er mit jemandem redet –, dass das Gespräch sofort auf Augenhöhe stattgefunden hat. Das, glaube ich, ist Sebastians Erfolgsrezept, weil Menschen das spüren. Das merken auch die Leserinnen und Leser, dass er ein Autor ist, dem wirklich etwas an ihnen liegt.

Vincent, vom Stand-up-Comedian zum Thriller-Autor, das ist ja nicht unbedingt naheliegend. Wie ist das passiert?

Kliesch: Das denken viele, aber im Grunde tun beide das Gleiche: Der Stand-up-Comedian erzählt seinem Publikum eine Geschichte und spannt es damit auf die Folter. Der Zuschauer will wissen, worauf die Geschichte hinausläuft. Am Ende gibt es eine überraschende Pointe. Beim Comedian lachen dann alle, weil sie damit nicht gerechnet haben. Der Thriller-Autor schreibt auch eine spannende Geschichte, bei der der Leser wissen will, wie es weitergeht. Auch da gibt es eine Pointe, nur das man in diesem Fall eben nicht lacht.

Die Reinheit des Todes

In Auris arbeiten zwei Leute zusammen, die eigentlich gar nicht zusammenarbeiten wollen. Können wir davon ausgehen, dass es bei euch anders ist?

Kliesch: Sagen wir mal so, es wäre dumm von mir gewesen, die Zusammenarbeit auszuschlagen (lacht).

Fitzek: In der Not … muss man eben (lacht). Nein, aber tatsächlich ist es so, dass ich das gängige Klischee, dass Autorinnen und Autoren sich gegenseitig die Butter auf dem Brot nicht gönnen, in der Form nie erlebt habe. Es ist schon so, dass man sehr uneitel sein muss, wenn man zusammen schreibt und arbeitet – gerade, wenn man kreativ ist und sonst meistens seine eigenen Gedanken durchsetzen kann.

Also könnt ihr gut zusammenarbeiten?

Fitzek: Wir haben beide die Einstellung, dass die bessere Idee gewinnen sollte. Bei uns versucht keiner, einen Gedanken für sich zu beanspruchen. Wir wollen die beste Geschichte schreiben und nicht nur unser Ego verwirklichen.

"Wir wollen die beste Geschichte schreiben und nicht nur unser Ego verwirklichen."

_Sebastian Fitzek _

Welche Vorteile hat die gemeinsame Arbeit?

Kliesch: Es ist unglaublich befruchtend, wenn man während des Schreibprozesses die Möglichkeit hat, auf einen Kollegen zuzukommen und mit ihm gedankliche Entwürfe zu besprechen, der eben in meinem Fall Sebastian Fitzek ist, der sehr viel Erfahrung hat und sehr, sehr gut darin ist, überraschende Wendungen zu finden und das Maximum aus einer Geschichte herauszuholen. Es ist eine Bereicherung für mich, dass ich der einzige Autor der Welt bin, der, wenn er nicht mehr weiterweiß, einfach sein Handy nehmen und Sebastian Fitzek auffordern kann mal nachzudenken, ob er mir helfen kann.

Läuft es immer so, dass du ihn einfach mal eben anrufst, wenn du bei Auris nicht weiterweißt, oder wie sieht euer Arbeitsablauf aus?

Kliesch: Es geht damit los, dass Sebastian sich bei mir meldet, wir telefonieren oder uns persönlich treffen, und er mir erzählt, was seine Idee ist. Denn „nach einer Idee von Sebastian Fitzek“ heißt nicht, dass er sich nur die Story über einen phonetischen Forensiker ausgedacht hat. Er liefert auch immer die Grundidee für das jeweilige Buch. Darüber sprechen wir oft stundenlang, bauen die Idee weiter aus, überlegen, wie alles laufen könnte, und haben dann so viel Material, dass ich mich ans Schreiben machen kann. Den Punkt haben wir gerade mit dem dritten Teil erreicht.

Wie geht es dann weiter, wenn du die ersten Kapitel geschrieben hast?

Kliesch: Wenn ich um die 50 bis 60 Seiten geschrieben habe, schicke ich die Sebastian, der sie sich durchliest. Dann steht das nächste Gespräch an. Wir reden über das Geschriebene, wie man es weiterentwickeln kann, was man verbessern kann und so weiter. So entsteht ein Buch, das ich zwar schreibe, das aber durch die Supervision von Sebastian und durch unser Brainstorming als gemeinsamer Gedanke reift.

Es ist also wirklich ein gemeinsames Projekt?

Kliesch: Sebastian ist als Supervisor und als Mentor immer beteiligt, hat immer Einfluss und bringt immer seine Ideen ein. Ich bin aber derjenige, der schreibt.

Auris
Auris 2

Ihr seid es als Autoren eigentlich beide gewöhnt, euer Ding zu machen und so zu arbeiten, wie ihr das wollt. Gab es an der Arbeitsweise des anderen etwas, an das ihr euch erst gewöhnen musstet?

Kliesch: Antworte du mal darauf, Sebastian. Das würde mich jetzt interessieren, was du dazu sagst (lacht).

Fitzek: Naja, Vincent, du kommst erst relativ spät in die Gänge. Ich bin jemand, der relativ früh aufsteht, und eben nicht die Nächte durchschreibt, sondern auch schon mal um acht Uhr am Schreibtisch sitzt. Da erreiche ich Vincent jetzt eher selten, aber das macht ja auch nichts, wenn er sich dann um zwölf zurückmeldet (lacht). Obwohl du in letzter Zeit, ungefähr seit Corona, auch schon früh am Start bist. Da hat sich was verändert.

Kliesch: Weil ich einfach noch nicht im Bett bin! (lacht)

Und lieber am dritten Teil von Auris schreibst, statt schlafen zu gehen?

Kliesch: Wir haben eine grobe Idee und ich fange jetzt an, die ersten Kapitel zu schreiben. Dann wird das – genau wie bei den ersten beiden Teilen – reifen. Bei uns ist es nicht so, dass wir alles schon vorher genau festgelegt haben. Wir lassen uns von den Ereignissen treiben, lassen die Geschichte passieren und die Figuren sich entwickeln. Wir haben zwar einen Plan, sind aber bereit den zu ändern, falls uns eine bessere Idee kommt.

"Wir lassen die Geschichte passieren und die Figuren sich entwickeln."

Vincent Kliesch

Das Schreiben ist bei euch also ein Prozess?

Fitzek: Es ist ja immer so, dass die Figuren ein Eigenleben entwickeln und uns dann selber verblüffen. Wir können uns theoretisch gerne ausdenken, wie sie handeln sollen. Beim Schreiben entwickeln die sich aber und dann kann man sie nicht dazu zwingen, das zu machen, was wir uns mal am Reißbrett ausgedacht haben.

Mittlerweile dürftet ihr in dem Thema der forensischen Phonetik ziemlich tief drin sein. Wie habt ihr euch dazu schlau gemacht?

Kliesch: Beim ersten Teil habe ich recherchiert, mir Fachliteratur durchgelesen, Videos angeschaut und im Internet gesucht. Nachdem der erste Teil draußen war, hat sich Oliver Niebuhr bei uns gemeldet. Das ist ein Deutscher, der in Dänemark an der Uni lehrt, und wirklich forensischer Phonetiker ist. Der hat uns seine Hilfe angeboten und die haben wir natürlich gerne in Anspruch genommen. Gegenüber dem ersten Teil wird man im zweiten noch viel mehr erfahren, wie Phonetik technisch funktioniert.

Also kommen alle auf ihre Kosten, die sich mehr für das Thema interessieren?

Kliesch: Mir war wichtig, dass auch Leser, die sich weniger für Schallfrequenzen und derartige Dinge interessieren, der Geschichte problemlos folgen können. Es ist aber ein Mehrwert für den, der gerne mehr über forensische Phonetik wissen möchte.