Dieser Text ist Teil einer Serie von Buchzusammenfassungen. Bei dieser Zusammenfassung des Buches Nathan der Weise von Gotthold Ephraim Lessing holte sich unser Redaktionsteam Unterstützung von Künstlicher Intelligenz. Alle Fakten sind von der Audible-Redaktion überprüft.
Title | |
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Autor | Gotthold Ephraim Lessing |
Erschienen | 1779 |
Umfang | ca. 160 Seiten |
Epoche | Deutsche Aufklärung des 18. Jahrhunderts |
Handlungszeitraum | Ende des 12. Jahrhunderts |
Zentrale Themen | Religiöse Toleranz Humanität Vernunft und Aufklärung Familiäre Beziehungen Vorurteile und deren Überwindung Frieden und Versöhnung Ringparabel |
Adaptionen | Stummfilm von Manfred Noa (1922) Verfilmung von Karl-Heinz Stroux (1956) Verfilmung von Hermann Lankse und Leopold Lindtberg (1964) Verfilmung von Franz Peter Wirth (1967) Verfilmung von Friedo Solter und Vera Loebner (1969, DDR) Verfilmung von Oswald Döpke (1979) Verfilmung von Friedo Solter und Margot Thyrêt (1989, DDR) Verfilmung von Uwe Eric Laufenberg (2006) |
Bewertung |
Im Heiligen Land tobt der Dritte Kreuzzug und während eines Waffenstillstands kehrt der jüdische Kaufmann Nathan von einer Geschäftsreise nach Jerusalem zurück. Direkt nach seiner Ankunft erfährter, dass seine Adoptivtochter Recha von einem christlichen Tempelherrn aus einem brennenden Haus gerettet wurde. Dieser wurde wiederum zuvor vom muslimischen Sultan Saladin begnadigt, weil er dem verstorbenen Bruder des Sultans ähnlich sieht – der Ordensritter ist der einzige von 20 Gefangenen, der vom Herrscher Jerusalems begnadigt wurde. Nathans Tochter glaubt, dass Schutzengel den Ritter zu Ihrer Rettung gesandt haben. Davon ist der rationale Nathan nicht überzeugt und überzeugt Recha, dass es schädlich sei, an Schutzengeln zu glauben.
Saladin selbst befindet sich in finanziellen Schwierigkeiten und lässt Nathan unter einem Vorwand zu sich rufen. Um Nathans oft gepriesene Weisheit zu testen, stellt ihm Saladin die Frage nach der wahren Religion. Nathan wurde von seinem Freund Al-Hafi über die Geldsorgen des Herrschers informiert und weiß um die Falle, die ihm gestellt wurde. Er antwortet mit der berühmten Ringparabel, die die Gleichwertigkeit der Religionen verdeutlicht. Beeindruckt von Nathans Weisheit erkennt Saladin das Gleichnis als Botschaft von der Gleichberechtigung der drei großen monotheistischen Religionen – Christentum, Islam und Judentum. Gerührt von Nathans Humanität bietet Saladin ihm seine Freundschaft an. Der Geschäftsmann willigt ein und gibt dem Sultan ein großes Darlehen.
Den Tempelherrn möchte Nathan seinen Dank aussprechen, doch dieser lehnt jeden Kontakt ab, da er Vorurteile gegenüber Juden hat. Durch Nathans Geduld und Weisheit entwickelt sich jedoch allmählich eine Freundschaft zwischen den beiden. Der Tempelherr verliebt sich in Recha, ohne zu wissen, dass sie nicht Nathans leibliche Tochter ist. Der Ritter möchte sie sofort heiraten, doch Nathan willigt nicht sofort ein – der Name des Ordenbruders lässt ihn zögern. Dieser erfährt später, dass Recha nicht die leibliche Tochter Nathans ist und ihre Eltern Christen waren.
Davon angespornt, sucht der Tempelherr Rat beim Patriarchen von Jerusalem – dem christlichen Oberhaupt der verschiedenen christlichen Kirchen in der Stadt. Zwar trägt der Ritter seinen Anliegen als hypothetischen Fall vor, doch der Patriarch erkennt die wahren Beweggründe und will Nathan wegen Apostasie – dem Abfall vom Christentum – auf dem Scheiterhaufen verbrennen. Dabei hat Nathan seine Adoptivtochter nicht als Jüdin aufgezogen, sondern in keinem Glauben erzogen.
Gerettet wird Nathan durch die Aufzeichnungen eines Klosterbruders, der Recha als Kleinkind zu dem Händler gebracht hatte. Dabei erfahren alle, dass Recha und der Tempelritter Geschwister sind und ihr Vater Saladins Bruder Assad sind. Dadurch wird die enge Verwandtschaft des Christentums, des Islams und des Judentums nochmals hervorgehoben. Die Charaktere setzen sich über religiöse Grenzen hinweg, umarmen sich und es herrscht eine versöhnliche Atmosphäre, die die Ideale von Toleranz, Vernunft und Humanität hervorhebt.
Übersicht aller Kapitel von Nathan der Weise
Erster Aufzug
Nathan kehrt von einer Geschäftsreise zurück und erfährt, dass seine Adoptivtochter Recha während seiner Abwesenheit aus einem Brand gerettet wurde. Der Retter war ein christlicher Tempelherr, dem Sultan Saladin zuvor das Leben geschenkt hatte. Nathan ist dankbar, aber auch besorgt über die möglichen Folgen dieser Begegnung.
Der Tempelherr, zunächst zurückhaltend, wird von Daja, Rechas christlicher Gesellschafterin, bedrängt, Recha wieder zu besuchen. Er ringt mit seinen Gefühlen für das jüdische Mädchen. Währenddessen trifft Nathan auf Al-Hafi, den neuen Schatzmeister des Sultans, der ihm von Saladins finanziellen Schwierigkeiten berichtet.
Saladin lässt Nathan zu sich rufen, angeblich um ihn um einen Kredit zu bitten. In Wirklichkeit plant er, Nathan mit der Frage nach der wahren Religion auf die Probe zu stellen. Der Aufzug endet mit Nathans Vorbereitung auf diese wichtige Begegnung.
Zweiter Aufzug
Der Aufzug beginnt mit einem Schachspiel zwischen Saladin und seiner Schwester Sittah. Sie diskutieren über Politik und Finanzen. Sittah schlägt vor, Nathan um Geld zu bitten. Saladin stimmt widerwillig zu, plant aber, Nathan mit der Frage nach der wahren Religion zu konfrontieren.
In der Zwischenzeit ringt der Tempelherr weiter mit seinen Gefühlen für Recha. Er trifft auf den Patriarchen von Jerusalem, der ihm einen zwielichtigen Auftrag gibt, den er ablehnt. Nathan kehrt zu seinem Haus zurück und trifft dort auf den Tempelherr. Sie führen ein tiefgründiges Gespräch, in dem Nathan den jungen Mann beeindruckt.
Der Aufzug endet mit Nathans Ankunft im Palast des Sultans. Saladin stellt ihm die entscheidende Frage nach der wahren Religion. Nathan bereitet sich darauf vor, seine berühmte Antwort zu geben, die das Herzstück des Stückes bildet.
Dritter Aufzug
Zu Beginn des dritten Aufzugs besucht der Tempelherr Recha und beide sprechen über ihre Gefühle zueinander und sind darüber verwirrt. Deshalb zieht der Tempelherr schnell wieder ab. Währenddessen ist Nathan im Palast des Sultans und erzählt Saladin die Parabel von den drei Ringen, um die Frage nach der wahren Religion zu beantworten. Diese Geschichte verdeutlicht, dass alle Religionen gleichwertig sind und es auf die Taten der Gläubigen ankommt – denn jeder der drei Ringe steht für eine der drei großen monotheistischen Religionen. Saladin ist von Nathans Weisheit beeindruckt und bietet ihm seine Freundschaft an.
Der Tempelherr gesteht Nathan seine Liebe zu Recha. Nathan zögert jedoch, seine Zustimmung zu geben, was den Tempelritter verwirrt und verärgert. Daja enthüllt dem Tempelritter, dass Recha in Wahrheit eine Christin ist, die von Nathan als Jüdin erzogen wurde.
Saladin und Sittah diskutieren über Nathan und den Tempelherrn. Sie planen, Recha in den Palast zu holen, um mehr über die Situation zu erfahren. Der Aufzug endet mit wachsenden Spannungen und Missverständnissen zwischen den Hauptfiguren.
Vierter Aufzug
Der Tempelherr, aufgewühlt durch Dajas Enthüllung, wendet sich an den Patriarchen von Jerusalem und fragt, ob ein Jude ein christliches Mädchen erziehen darf. Der Patriarch verneint das und fordert eine harte Bestrafung für Nathan, sollte sich die Geschichte als wahr erweisen. Der Tempelherr bereut sofort, den Patriarchen einbezogen zu haben und begibt sich zu Saladin. Dort erzählt er dem Sultan von Rechas Herkunft und Nathans Geheimnis. Beide freunden sich an und Saladin versucht den Tempelherrn zu beruhigen und zurück zum toleranten Denken zu bringen.
Nathan erfährt von einem Klosterbruder, dass Recha tatsächlich die Tochter eines Ritters ist. Er erkennt, dass der Tempelherr möglicherweise Rechas Bruder sein könnte. Währenddessen lässt Saladin Recha in seinen Palast bringen, wo sie sich mit Sittah anfreundet.
Fünfter Aufzug
Der Tempelherr besucht Nathan und gesteht, dass er dem Patriarchen von Rechas Geschichte erzählt hat und seine Tat bereut. Er bittet abermals um Rechas Hand. Nathan erzählt dem Tempelherrn, dass nun bekannt sei, wer Rechas Bruder ist und er diesen um Erlaubnis fragen müsse.
Im Palast des Sultans treffen alle Hauptfiguren zusammen. Saladin erfährt von Nathan die volle Wahrheit über Rechas Herkunft. Es stellt sich heraus, dass der Tempelritter und Recha Geschwister sind und beide die Kinder von Saladins verstorbenem Bruder Assad.
Diese Enthüllung löst eine Kette von emotionalen Reaktionen aus. Der Tempelherr muss seine romantischen Gefühle für Recha aufgeben und sie als Schwester akzeptieren. Recha erfährt von ihrer wahren Herkunft und muss ihre Identität neu definieren.
Das Stück endet mit einer großen Versöhnung. Saladin umarmt seine neugewonnenen Verwandten, Nathan wird für seine Weisheit und Güte geehrt, und alle Konflikte zwischen den Religionen werden überwunden. Die zentrale Botschaft des Stücks – religiöse Toleranz und die Bedeutung der Menschlichkeit über religiöse Unterschiede hinweg - wird in diesem bewegenden Finale bekräftigt.
Bedeutung der Ringparabel
Die Parabel handelt von einem Vater mit einem kostbaren Ring, der seinen Träger vor Gott und den Menschen angenehm macht. Seit Generationen wird der Ring vom Vater an den liebsten Sohn vererbt. Der Vater hat nun drei Söhne, die er alle gleichermaßen liebt, und verspricht jedem von ihnen den Ring. Damit er sein Versprechen halten kann und keinen seiner Söhne verletzt, lässt er zwei Kopien des Rings schmieden.
Als der Vater stirbt, erhält jeder Sohn einen Ring und niemand weiß, welcher der echte ist. Die Söhne fangen an zu streiten, wer den wahren Ring besitzt. Ein Richter soll den Streit schlichten, kann aber keinen Unterschied bei den Ringen feststellen. Er erklärt, dass es nicht wichtig sei, welcher Ring der echte sei. Stattdessen rät er den Brüdern, die Wirkung des Rings durch ihr eigenes tugendhaftes Handeln zu beweisen. Indem sie gerecht, liebevoll und tolerant leben, können sie die Kraft des Rings sichtbar machen.
Die Ringparabel symbolisiert die Gleichwertigkeit der drei monotheistischen Religionen:
Religiöse Toleranz: Jede der drei Religionen—Judentum, Christentum und Islam—wird durch einen der Söhne repräsentiert. So wie keiner der Söhne beweisen kann, dass sein Ring der echte ist, kann keine Religion für sich beanspruchen, die absolute Wahrheit zu besitzen. Die Parabel ruft dazu auf, einander mit Respekt und Toleranz zu begegnen.
Ethik und moralisches Handeln: Der Richter betont, dass die wahre Kraft des Rings (oder der Religion) sich im tugendhaften Verhalten der Träger zeigt. Lessing vermittelt damit, dass nicht dogmatische Wahrheitsansprüche, sondern ethisches Handeln und Menschlichkeit entscheidend sind.
Unmöglichkeit der absoluten Wahrheit:
Die Parabel verdeutlicht, dass es dem Menschen nicht möglich ist, die eine absolute Wahrheit zu erkennen. Glaube ist subjektiv, und der Versuch, eine Religion über die anderen zu stellen, führt zu Konflikten.
Familie als Metapher für die Menschheit:
Die drei Brüder stammen aus derselben Familie, was die Verbundenheit aller Menschen unabhängig von ihrer Religion symbolisiert. Dies unterstreicht die Notwendigkeit von Einheit und gegenseitigem Verständnis.
Kernbotschaften der Ringparabel:
Aufruf zur Toleranz: Die Parabel ist ein Plädoyer dafür, religiöse Unterschiede zu akzeptieren und friedlich miteinander zu leben.
Wert des individuellen Handelns: Die wahre "Echtheit" einer Religion zeigt sich in den guten Taten ihrer Anhänger.
Überwindung von Vorurteilen: Sie ermutigt dazu, Vorurteile abzubauen und sich auf gemeinsame menschliche Werte zu besinnen.
Ort und Zeit der Handlung
Die Handlung von Nathan der Weise spielt sich in Jerusalem ab, einer Stadt von großer Bedeutung für die drei abrahamitischen Religionen: Judentum, Christentum und Islam. Dieser Ort bildet die perfekte Kulisse für Lessings Idee der religiösen Toleranz, da hier die verschiedenen Glaubensrichtungen aufeinandertreffen. Die wichtigsten Schauplätze sind Nathans Haus, der Palast des Sultans Saladin und einige öffentliche Plätze der Stadt.
Zeitlich ist das Stück während des Dritten Kreuzzugs angesiedelt, genauer gesagt im Jahr 1192. Dies war eine historisch turbulente Zeit, in der Christen und Muslime um die Kontrolle über Jerusalem kämpften. Lessing nutzt diesen Hintergrund geschickt, um die Spannungen zwischen den Religionen zu verdeutlichen und gleichzeitig zu zeigen, dass Verständigung und Zusammenleben möglich sind. Der Waffenstillstand, der zu Beginn des Stücks herrscht, schafft dabei den nötigen Raum für die Entwicklung der Handlung und den Dialog zwischen den Charakteren.
Die wichtigsten Figuren in Nathan der Weise
Nathan
Nathan ist der Hauptcharakter des Dramas, ein wohlhabender und weiser jüdischer Kaufmann in Jerusalem. Er verkörpert Toleranz, Vernunft und Menschlichkeit. Seine Adoptivtochter Recha hat er liebevoll großgezogen, ungeachtet ihrer christlichen Herkunft. Nathan steht für religiöse Toleranz und praktiziert diese, indem er Menschen aller Glaubensrichtungen mit Respekt begegnet. Seine berühmte Ringparabel verdeutlicht seine Überzeugung, dass alle Religionen gleichwertig sind. Nathans Weisheit und Güte tragen maßgeblich zur Lösung der Konflikte bei.
Recha
Recha ist Nathans Adoptivtochter, die frei von religiöser Erziehung aufgewachsen ist. Sie ist intelligent, tugendhaft und dankbar gegenüber ihrem Ziehvater. Ihre Rettung aus einem brennenden Haus durch den Tempelherrn löst eine Kette von Ereignissen aus. Im Laufe des Stücks erfährt sie von ihrer christlichen Herkunft und ihrer wahren Identität als Nichte des Sultans. Rechas Entwicklung steht symbolisch für die Überwindung religiöser Grenzen.
Der Tempelherr
Der junge Tempelherr ist ein christlicher Ritter, der von Sultan Saladin begnadigt wurde. Er rettet Recha aus dem Feuer und verliebt sich in sie. Zunächst ist er von Vorurteilen gegenüber Juden geprägt, entwickelt sich aber im Laufe des Dramas zu mehr Toleranz. Am Ende stellt sich heraus, dass er Rechas Bruder und Saladins Neffe ist. Seine Figur verkörpert den Konflikt zwischen religiösen Dogmen und menschlicher Vernunft.
Saladin
Saladin ist der muslimische Herrscher von Jerusalem. Er wird als gerechter und weiser Regent dargestellt, der nach Frieden und Verständigung zwischen den Religionen strebt. Seine finanzielle Notlage führt zur Begegnung mit Nathan. Im Gespräch mit Nathan zeigt er sich offen für dessen Ideen religiöser Toleranz. Am Ende erweist er sich als Onkel von Recha und dem Tempelherrn, was die Verbundenheit der Religionen symbolisiert.
Daja
Daja ist Rechas christliche Gesellschafterin. Sie fühlt sich verpflichtet, Recha ihre christliche Herkunft zu offenbaren. Ihre Figur repräsentiert den Konflikt zwischen religiösem Eifer und menschlicher Zuneigung. Dajas Handeln treibt die Handlung voran, indem sie die Frage nach Rechas wahrer Identität aufwirft.
Sittah
Sittah ist Saladins Schwester. Sie unterstützt ihren Bruder in Staatsangelegenheiten und spielt eine wichtige Rolle bei der Annäherung zwischen den Kulturen. Ihre Freundschaft zu Recha symbolisiert die Möglichkeit friedlichen Zusammenlebens verschiedener Religionen.
Al-Hafi
Al-Hafi ist Saladins Schatzmeister und Nathans Schachpartner. Seine Figur dient als Bindeglied zwischen den Welten des Sultans und des jüdischen Kaufmanns. Er verkörpert Ehrlichkeit und Bescheidenheit.
Leitmotive und Hintergrund
Gotthold Ephraim Lessings Drama Nathan der Weise entstand vor dem Hintergrund der Aufklärung im 18. Jahrhundert. Als zentrales Leitmotiv zieht sich der Gedanke der religiösen Toleranz durch das gesamte Werk. Lessing plädiert dafür, Menschen nicht nach ihrer Religionszugehörigkeit zu beurteilen, sondern nach ihren Taten und ihrer Menschlichkeit. Dies spiegelt sich besonders in der berühmten Ringparabel wider, in der die drei monotheistischen Religionen symbolisch gleichgestellt werden. Weitere wichtige Themen sind Vernunft, Humanität und die Überwindung von Vorurteilen.
Die Entstehungszeit des Dramas war geprägt von religiösen Konflikten und Intoleranz. Lessing selbst geriet in Auseinandersetzungen mit der Kirche, die in einem Publikationsverbot gipfelten. Als Reaktion darauf verpackte er seine aufklärerischen Ideen in die Form eines Theaterstücks. Er wählte bewusst die Zeit der Kreuzzüge als historischen Hintergrund, um die Aktualität des Themas für seine Gegenwart zu betonen. Die Figur des Nathans basiert dabei auf Lessings Freund Moses Mendelssohn, einem jüdischen Philosophen der Aufklärung. Durch diese Verbindung von Fiktion und Realität verleiht Lessing seinem Appell für Toleranz zusätzliches Gewicht.
Sprachlich zeichnet sich das Werk durch den Blankvers und eine gehobene, aber verständliche Ausdrucksweise aus. Lessing nutzt Dialoge und Monologe, um die verschiedenen Positionen darzustellen und zu diskutieren. Zentrale Konflikte entstehen durch die Vorurteile und Missverständnisse zwischen den Anhängern verschiedener Religionen. Im Laufe der Handlung durchlaufen mehrere Figuren eine innere Entwicklung hin zu mehr Offenheit und Verständnis. Besonders der Tempelherr muss seine vorgefassten Meinungen über Juden überdenken. Mit Nathan der Weise schuf Lessing ein zeitloses Plädoyer für Humanität und vernunftgeleitetes Denken, das bis heute nichts von seiner Aktualität verloren hat.
Rezeption und Wirkung
Gotthold Ephraim Lessings Nathan der Weise gilt als eines der wichtigsten Werke der deutschen Aufklärung. Bei seiner Uraufführung 1783 in Berlin stieß das Stück zunächst auf ein geteiltes Echo. Viele Zuschauer waren von den langen philosophischen Dialogen und dem Mangel an Handlung irritiert. Erst mit späteren Inszenierungen, etwa durch August Wilhelm Iffland 1802, konnte das Drama auch auf der Bühne überzeugen.
Im 19. Jahrhundert wurde Nathan der Weise zu einem festen Bestandteil des deutschen Bildungskanons. Die Botschaft religiöser Toleranz und die humanistische Gesinnung des Werkes sprachen viele Menschen an. Während der Zeit des Nationalsozialismus wurde das Stück jedoch verboten, da es nicht mit der nationalsozialistischen Ideologie vereinbar war. Nach 1945 erlebte Nathan der Weise eine Renaissance und fand wieder Eingang in die Lehrpläne vieler Schulen.
Bis heute wird Lessings Drama kontrovers diskutiert. Einerseits wird die universelle Botschaft der Toleranz und Menschlichkeit geschätzt. Andererseits gibt es Kritik an einer zu idealistischen Darstellung der Religionen. Dennoch bleibt Nathan der Weise ein zentraler Text der Aufklärung, dessen Themen auch in der Gegenwart nichts an Aktualität verloren haben. Das Werk regt nach wie vor zu Debatten über religiöse Vielfalt und ein friedliches Zusammenleben in pluralistischen Gesellschaften an.
Wissenswertes zu Nathan der Weise
Das Drama wurde 1779 veröffentlicht, aber erst 1783 uraufgeführt. Lessing selbst erlebte die Premiere nicht mehr, da er 1781 verstarb.
Mit der Figur des Nathan setzte Lessing seinem Freund Moses Mendelssohn, einem bedeutenden jüdischen Aufklärer, ein literarisches Denkmal. Mendelssohn benannte später einen seiner Söhne nach der Theaterfigur Nathan.
Die berühmte Ringparabel im Stück geht auf ältere Quellen zurück, unter anderem auf eine Erzählung aus Boccaccios Decamerone aus dem 14. Jahrhundert. Lessing entwickelte die Parabel weiter und machte sie zum Kern seiner Toleranzbotschaft.
Das Stück spielt während des Dritten Kreuzzugs Ende des 12. Jahrhunderts in Jerusalem. Lessing wählte diese Epoche bewusst, um das Aufeinandertreffen der drei großen monotheistischen Religionen zu thematisieren.
Durch die Verwendung des Blankverses trug Nathan der Weise maßgeblich dazu bei, diese Versform als klassischen deutschen Dramenvers zu etablieren. Zuvor war der Blankvers vor allem in England verbreitet.
Während der NS-Zeit wurde das Stück verboten und verschwand aus den Lehrplänen. Die Darstellung eines vorbildlichen jüdischen Protagonisten und die Botschaft religiöser Toleranz widersprachen der nationalsozialistischen Ideologie.
Die erste Verfilmung von Nathan der Weise entstand bereits 1922 als Stummfilm. Dieser galt lange als verschollen, wurde aber 2006 wiederentdeckt und restauriert.
Mit der Figur des Al-Hafi, einem Anhänger der Lehre Zarathustras, integrierte Lessing auch eine vierte Religion in das Stück. Ursprünglich plante er, dieser Figur eine eigene Nachschrift zu widmen.
Lessing schrieb das Drama als Reaktion auf den sogenannten Fragmentenstreit, eine theologische Kontroverse mit dem Hamburger Hauptpastor Goeze. Das Stück diente ihm als Möglichkeit, seine aufklärerischen Ideen zu verbreiten, nachdem ihm ein Publikationsverbot auferlegt worden war.
Obwohl Nathan der Weise heute als Klassiker gilt, war die Uraufführung 1783 zunächst ein Misserfolg. Erst spätere Inszenierungen, unter anderem durch Goethe in Weimar, verhalfen dem Stück zum Durchbruch.
Nathan der Weise auf Audible
Diese Hörbuchversion bietet eine hochkarätige Besetzung mit renommierten Sprecherinnen und Sprechern wie Ernst F. Fürbringer, Edith Heerdegen und Erich Ponto. Die Produktion aus dem Jahr 1956 unter der Regie von Paul Hoffmann präsentiert das Werk als Hörspiel, was dem Stück eine besondere Lebendigkeit verleiht. Mit der musikalischen Untermalung von Rolf Unkel entsteht ein atmosphärisches Hörerlebnis, das die Themen und Charaktere des aufklärerischen Dramas eindrucksvoll zur Geltung bringt.
Titel | Jahr | Sprache | Erzähler | Dauer | Bewertung |
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1956 | Deutsch | Ernst F. Fürbringer, Edith Heerdegen, Erich Ponto, Elfriede Kuzmany, Lina Carstens | 01:34 | 4,3 / 5 |
Diese Hörbuchversion präsentiert eine szenische Lesung vom Festspiel der Deutschen Sprache aus dem Jahr 2012. Renommierte Schauspielerinnen und Schauspieler wie Norbert Beilharz, Christian Grashof sowie Anna und Katharina Thalbach interpretieren das berühmte Werk in einer fesselnden Darbietung. Die Aufnahme ermöglicht es, die besondere Atmosphäre dieses einmaligen Theaterabends nachzuerleben und die „hohe Kunst der Interpretation“ zu genießen.
Titel | Jahr | Sprache | Erzähler | Dauer | Bewertung |
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2013 | Deutsch | Norbert Beilharz, Christian Grashof, Benjamin Krüger | 03:05 | 4,3 / 5 |
Diese Hörbuchversion wird von Hans Sigl gelesen, einem bekannten Schauspieler, der dem Werk eine besondere Stimme verleiht. Das Hörspiel behandelt zentrale Themen der Aufklärung wie religiöse Toleranz und Humanität.
Titel | Jahr | Sprache | Erzähler | Dauer | Bewertung |
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2019 | Deutsch | Hans Sigl | 03:42 | 4,5 / 5 |
Diese Hörbuchversion wird von Jürgen Fritsche gelesen und bietet eine klassische Interpretation des berühmten Werkes. Die Aufnahme aus dem Jahr 2016 ermöglicht es, Lessings zeitloses Drama über religiöse Toleranz und Humanität in voller Länge zu erleben.
Titel | Jahr | Sprache | Erzähler | Dauer | Bewertung |
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2016 | Deutsch | Jürgen Fritsche | 05:03 | 4,2 / 5 |
Diese Hörbuchversion präsentiert eine hochgelobte Inszenierung des Deutschen Theaters Berlin aus den 1960er-Jahren. Mit Eduard von Winterstein in der Titelrolle und weiteren renommierten Schauspielern bietet sie ein beeindruckendes Hörerlebnis der gefeierten Bühnenaufführung. Die Aufnahme bewahrt die Faszination und Wortkunst des Stücks und ermöglicht es, eine der besten Interpretationen dieses Klassikers zu genießen.
Titel | Jahr | Sprache | Erzähler | Dauer | Bewertung |
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2001 | Deutsch | Eduard von Winterstein, Martin Flörchinger, Herwart Grosse | 02:25 | 4,1 / 5 |
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Über Gotthold Ephraim Lessing
Gotthold Ephraim Lessing wurde am 22. Januar 1729 in Kamenz geboren und wuchs in einer Pfarrersfamilie auf. Schon früh zeigte sich sein außergewöhnliches Talent - mit nur fünf Jahren konnte er bereits die Bibel lesen. Nach dem Besuch der renommierten Fürstenschule St. Afra in Meißen begann Lessing 1746 ein Theologiestudium in Leipzig. Doch sein Interesse galt zunehmend der Literatur und dem Theater, was seine Eltern mit Sorge betrachteten.
Als vielseitiger Dichter, Denker und Kritiker wurde Lessing zu einem der bedeutendsten Vertreter der deutschen Aufklärung. Mit seinen Dramen wie Miss Sara Sampson, Emilia Galotti und Nathan der Weise sowie theoretischen Schriften wie der Hamburgischen Dramaturgie prägte er maßgeblich die Entwicklung des bürgerlichen deutschen Theaters. Lessing setzte sich für Toleranz zwischen den Religionen ein und verteidigte in religionsphilosophischen Schriften die Gedankenfreiheit gegen kirchliche Dogmen. Sein Ideal war ein „Christentum der Vernunft”, das sich am Geist statt am Buchstaben der Religion orientiert.
Neben seiner schriftstellerischen Tätigkeit arbeitete Lessing als Journalist, Dramaturg und Bibliothekar. Von 1770 bis zu seinem Tod 1781 war er Leiter der Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel. Trotz finanzieller Schwierigkeiten und persönlicher Schicksalsschläge wie dem frühen Tod seiner Frau Eva König blieb Lessing bis zuletzt kreativ und streitbar. Mit seinen Werken und seinem Eintreten für Aufklärung, Humanität und religiöse Toleranz gilt er als einer der einflussreichsten deutschen Dichter und Denker des 18. Jahrhunderts.
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