Janina Ottma, freie:r Online-Redakteur:in und seit 2018 Teil des Audible-Blog-Redaktionsteams, beobachtet den Boom rund um New Adult Romance und Romantasy mit Interesse – aber auch mit Skepsis. Der:die Soziolog:in analysiert, wie Tropes, Trends und TikTok das Erzählen verändern, wo Raum für Vielfalt und literarische Tiefe bleibt und wie sich das Genre voraussichtlich entwickeln wird.
Auch wenn ich den Hype um die Genres New Adult Romance und Romantasy durchaus spannend finde – als Fan würde ich mich nicht bezeichnen. Zu oft habe ich beim Lesen oder Hören das Gefühl, dass sich Geschichten nach Schablonen abspielen: ein Tropes-Karussell aus Enemies to Lovers, Golden-Retriever-Love Interests, Slow Burn und Spice, wieder und wieder.
Die formelhafte Erzählweise spiegelt sich nicht nur inhaltlich, sondern auch strukturell. Viele Titel erscheinen heute in Reihen oder Serien, oft in Form locker verbundener Einzelbände, die im gleichen Universum spielen. Das verspricht Wiedererkennbarkeit. Dass das Konzept aufgeht, zeigt sich auf Social Media – vor allem auf BookTok. Das Erfolgsrezept dort ist denkbar einfach: ein paar Sekunden mit einem emotional aufgeladenen Zitat, ein ästhetisch inszeniertes Cover, unterlegt mit einem viralen Sound – was sich gut emotionalisieren lässt, hat größere Chancen, viral zu gehen.
Und es mag funktionieren. Aber die Kehrseite ist: Inhaltliche Tiefe ist oft zweitrangig. Hauptsache, man fühlt sofort etwas.
„Bingeable Content“ statt echter Gefühlen: TikTok und der Romance-Boom
Generell gilt: Was sich leicht konsumieren lässt, was emotional sofort andockt und möglichst „bingeable“ ist, wird bevorzugt produziert – alles andere gilt schnell als „zu speziell“. Geschichten dürfen berühren, aber bitte nicht überfordern. Authentische Erfahrungen – etwa rund um (queere) Identität, psychische Erkrankungen oder Rassismus – haben es in diesem System schwer, weil sie nicht in die bekannten Wohlfühl- oder Spice-Schubladen passen.
Natürlich sind komplexe Themen wie Mental Health, Trauma oder Sexualität im Genre angekommen – das ist gut. Aber nicht immer gelingt die Balance zwischen Relevanz und Reduktion. Was tiefgründig beginnt, landet oft allzu schnell in der Genre-Formel: ein bisschen Trauma für die Fallhöhe, ein bisschen Spice für den Sog. So wird eine Tiefe simuliert, die sich beim genaueren Hinsehen als Illusion entpuppt.
Auf der Leipziger Buchmesse 2025 wurde diese Spannung mehrfach greifbar. Fake Dates and Fireworks-Autorin Kyra Groh etwa erzählte, wie sehr sich ihr Arbeitsalltag verändert hat. Schreiben sei längst nicht mehr das Einzige, was zum Job gehöre. Man müsse sich heute selbst als Marketingmanagerin verstehen. Sie sagte auf einem Panel: „Ich musste lernen, mich selbst als Kundin und Marketingmanagerin zu sehen – man hat Glück, wenn man es gerne macht.“
Eine realistische Einschätzung – aber eben auch ein Symptom dafür, wie stark ökonomische Überlegungen das Schreiben inzwischen beeinflussen. Und wohl auch der Hauptgrund dafür, dass viele Romances in bekannten Strukturen verhaftet bleiben. So auch im Romantasy-Bereich. Immer und immer wieder trifft hier ein starkes Mädchen auf einen geheimnisvollen Typ, es entdeckt seine übernatürliche Fähigkeit, eine Lovestory entwickelt sich.
Es ist diese Marktfokussiertheit, die dazu führt, dass viele New Adult Romances und Romantasy-Geschichten gleich klingen. Wird ein Buch nur geschrieben, um eine bestimmte Nachfrage am Markt zu bedienen – und dabei ist es auch egal, ob es dabei um Spice, „wholesome vibes“ oder eben um aktuelle politisch-gesellschaftliche Diskurse, zum Beispiel zum Thema „female rage“ – geht. Wenn statt einer inneren Notwendigkeit die äußere Verwertbarkeit bestimmt, wie eine Geschichte aufgebaut ist und wenn sie von Anfang an nicht geschrieben wird, weil sie erzählt werden muss, sondern weil sie verkaufbar ist, dann ist das ein Problem.
Prognose: Es gibt Entwicklung, aber …
Dabei hat gerade Romantasy meiner Ansicht nach das Potenzial, neue Räume zu öffnen – für andere Körper, andere Liebesmodelle, andere Perspektiven. Und es gibt Autor:innen, die diesen Mechanismen bewusst etwas entgegensetzen. So sprach zum Beispiel Romantasy-Autorin Naomi Huber auf der LBM über ihre Versuche in ihren Büchern mit klassischen Rollenbildern zu brechen. Ihre weiblichen Figuren seien keine „Damsels in Distress“ und auch ihre männlichen Hauptfiguren dürften anders sein – verletzlich, schüchtern, nerdig. Das sind wichtige Impulse, gerade im Romantasy-Kontext. Sie zeigen: Man kann bekannte Tropes auch unterwandern, statt sie bloß zu bedienen.
Trotzdem lautet meine Prognose: Dass Tropes bleiben, ist wahrscheinlich – auch, weil viele von ihnen schon da waren, bevor sie so genannt wurden. „Enemies to Lovers“ ist zum Beispiel kein TikTok-Phänomen, sondern ein narratives Urprinzip. Doch neue Handlungsmuster werden populär werden – etwa die „Sick Beauty“-Trope oder Formate wie Mafia-Romance oder Formel-1-Romance.
Beim Thema Spice sieht meine Vorhersage anders aus. Ich vermute, dass wir bald eine Gegenbewegung im Romance-Genre erleben werden. Bücher, in denen Erotik und Sex ein Teil der Geschichte sind – aber nicht der Mittelpunkt. Vielleicht erleben wir bald eine Phase, in der Cosy Romance und Dark Romance weniger gegensätzlich gedacht werden. Es wird sich also etwas bewegen.
Warum ich davon überzeugt bin, dass der jetzige Zustand nicht ewig andauern wird? Die Antwort auf diese Frage liegt im Ursprung des Genres begründet. Denn New Adult Romance entwickelt sich historisch gesehen ständig weiter. Die ersten Bücher des Genres waren College-Romances und kamen fast ohne Spice aus. Gleiches gilt im Romantasy-Bereich, zum Beispiel für Suzanne Collins‘ Die Tribute von Panem-Reihe oder Stephenie Meyers Twilight-Serie. Was heute als typischer „TikTok-Romance“-Stil gilt – mit expliziten Szenen, Tropes-Dichte und emotionalem Highspeed – ist eine Entwicklung der letzten fünf Jahre.
Trotzdem bleibt mein Eindruck: Vieles dreht sich im Kreis. Bestseller-Listen spiegeln überwiegend konventionelle Narrative wider. Diversität ist eher Ausnahme als Regel. Und literarische Qualität? Bleibt häufig hinter Reichweitenlogik zurück. Das ist schade – nicht nur für das Genre, sondern auch für das Publikum. Deshalb wünsche ich mir, dass sich noch mehr Autor:innen und Lesende fragen: Muss das wirklich so sein?
Denn Romance kann mehr sein als Trope-Recycling. Nämlich ein Ort für echte Emotionen – und die müssen nicht immer laut sein. Ich wünsche mir auch, dass sich New Adult Romance und Romantasy nicht nur an dem orientieren, was gut läuft – sondern an dem, was fehlt. Ich wünsche mir wieder mehr Mut zu Geschichten.
Große Gefühle: New Adult Romance und Romantasy bei Audible
New Adult Romance und Romantasy bleiben auch 2025 starke Themen in der Hörbuchwelt –Entdecke aktuelle Romance-Titel und beliebte Hörbuchreihen jetzt bei Audible. Falls du Audible noch nicht ausprobiert hast: Im Probemonat streamst du unbegrenzt tausende von Hörbüchern, Hörspielen und Original Podcasts. Zusätzlich erhältst du einen kostenlosen Titel, den du für immer behalten kannst.