Während die wichtigsten Künstler der Zeit wie Max Liebermann, Otto Dix und Bertolt Brecht im Kaffee schlürften und die Neue Sachlichkeit diskutierten, grassierten anderswo in Berlin Hungersnot und Armut, machten sich noch deutlich die Auswirkungen des Krieges und der Inflation bemerkbar.
Beide hatten die Gesellschaft tief gespaltet: Während Arbeiterfamilien oft am Existenzminimum lebten, blühte die Kunst- und Kulturszene regelrecht auf. Extravagante Hobbys wie Spritztouren mit motorisierten Fahrzeugen, nächtelanges Schwofen in schlecht beleuchteten Clubs und das Sammeln neuartiger Kunst wurden von denen gepflegt, die es sich leisten konnten. Es schien beinahe, als wären alle Mittel recht, um die Grauen der Kriegs- und der Nachkriegsjahre endgültig zu verjagen. Das Motto der Zeit, es hätte fast das der Generation Z sein können: YOLO.
Die neue Frau der 1920er Jahre
Aus einer ökonomischen Notwendigkeit heraus hatte sich auch das Frauenbild geändert: Vorbei waren die Zeiten, als die Rolle der Frau sich auf den Haushalt beschränkte. Viele pflegten jahrelang ihre invaliden Männer, Söhne und Väter und mussten sich eigenständig um den Lebensunterhalt kümmern. Bislang waren Frauen vor allem in der Landwirtschaft und in Haushalten der höheren Klassen tätig, doch die sahen das Emporstreben einer ganz neuen Berufsklasse: der des Bürofräuleins. Die fortschreitende Technik ermöglichte immer neue Formen der Kommunikation und schuf Stellen wie die der Telefonistin oder der Stenotypistin.
Diese neuen wirtschaftlichen Möglichkeiten brachten den Typus der „Neuen Frau“ hervor – ein Ideal, das die Unschuld vom Lande dazu brachte, ihre provinzielle Heimat hinter sich zu lassen und nach Berlin zu kommen, mit damals mehr als drei Millionen Einwohnern die schillerndste aller deutschen Städte. In Berlin trug frau Bubikopf, rauchte, tanzte Charleston, fuhr noch rasanter im Automobil über den als die Männer, war stets top gepflegt mit Wasserwelle und feuerrotem Lippenstift und gönnte sich im gerne ein Blubberwasser.
Das Problem: So fortschrittlich die Jobs seinerzeit waren, so rückständig war die Bezahlung. In akademischen oder gar freien Berufen waren Frauen nur selten anzutreffen und mit ihren Bürojobs verdienten sie wesentlich weniger als die Männer – noch so eine Parallele zum heutigen Berlin, in dem der sogenannte Gender Pay Gap immerhin bei etwa 13 Prozent liegt.
Doch das Bild der modernen „Neuen Frau“ aufrecht zu erhalten, kostete Geld: Für eine (zum Legen der perfekten Wasserwelle unerlässlich!) verlangten Friseure um die fünf Reichsmark – der durchschnittliche Wochenlohn eines Bürofräuleins lag bei 30 Reichsmark. Ins Aussehen zu investieren, lohnte sich jedoch, denn so ließ sich „der Aktuelle“, der Kavalier der Stunde, bei Laune halten. Diese Männer zahlten großzügig Blubberwasser, neue Kleider und den Haarschnitt – natürlich nicht ohne Hintergedanken.