Carina Kontio ist ausgebildete Wirtschaftsjournalistin. Gewaschen mit allen digitalen Wassern, arbeitet seit über sieben Jahren beim Handelsblatt mit einer Vorliebe für digitale Karriere- und scharfsinnige Managementthemen. Ein Naturtalent von ihr: Zuhören. Ratlose, traurige oder frustrierte Kollegen schütten sich gerne ihr Herz bei ihr aus. Schließlich ist sie super-sensibel, hellwach und voller Weisheit. Die Stories der studierten Volkswirtin sind jetzt im Audible Original Podcast "Die Kolumnisten" zu belauschen. Heute verrät Kontio uns 3 garantiert wirksame Karriere-Hacks, die jeder im Job anwenden kann.

Vor drei Wochen saß ich mit rasendem Puls P. gegenüber. Er ist bei uns für Personalthemen zuständig und eigentlich ein ganz umgänglicher Typ. Trotzdem hatte ich Angst - davor, um eine Gehaltserhöhung zu fragen. Was, wenn er Nein sagt? Was, wenn er denkt, meine Forderung ist total vermessen?

Was P. nicht sehen konnte: unter meinem Blazer hatte ich mir jeweils drei Lagen von diesen grauen Papierhandtüchern aus der Toilette unter die Arme geklemmt. Weil mich jedes Mal, wenn ich richtig gestresst oder supernervös bin, kalter Angstschweiß überfällt und meine Bluse durchnässt. Mein vegetatives Nervensystem feiert dann eine gigantische Party - und ich leide. Fakt ist: Gehaltsgespräche sind einfach furchteinflößend und ätzend. Punkt. Denkt jetzt aber bitte nicht, dass es hier um einen Karriere-Tipp gegen Schwitzen im Beruf geht der lautet: “Stopft euch Papierhandtücher ins Hemd, wenn ihr richtig Schiss habt”.

Mein erster Ratschlag geht so:

1. Frag 1x im Jahr nach mehr Geld bei deinem Chef

Mir hat vor Jahren mal ein Freund, der selbst Chef in einem großen Konzern war, gesagt: “Wenn meine Mitarbeiter nicht jedes Jahr zu mir kommen und nach mehr Geld fragen, finde ich das komisch.” Was er damit meint: Jahr für Jahr entwickeln wir uns als Mitarbeiter weiter; vorausgesetzt man macht nicht nur Dienst nach Vorschrift und hat vor Jahren schon innerlich gekündigt.
Wir sammeln neue Erfahrungen, machen Fortbildungen und werden ständig besser in dem, was wir tun. Das steigert den Wert unserer Arbeitsleistung, auch wenn das jetzt etwas sperrig klingt, ich weiß. Aber mach dir genau das immer wieder bewusst und ich verspreche dir: Mit diesem Selbstverständnis im Kopf geht dir die Forderung nach mehr Geld viel leichter über die Lippen.

Wenn der Chef dann mit Hundeblick verkündet, dass das Budget wie immer zu knapp ist, lächel freundlich und verhandel stattdessen ein paar Tage Urlaub dazu oder weniger Wochenarbeitsstunden, einen Zuschuss zum Fitnessstudio, ein neues Smartphone oder ein schickes Dienstfahrrad. Wichtig ist, dass du nicht einknickst, denn es geht schließlich nicht nur um mehr Geld, sondern um die Anerkennung deiner Leistung.
Sagt er dann immernoch Nein, frag konkret, was du besser machen könntest, erstell einen Plan und steh in einem halben Jahr nochmal auf der Matte des Chefs.
Mehr Gehalt ist also immer auch eine Frage der richtigen Einstellung - zu uns selbst. Du denkst jetzt bestimmt: “Tja, das hört sich alles so einfach an, ist es aber nicht.” Ich weiß, dass es schwer ist, etwas mit Vehemenz zu fordern. Das gibt sich aber mit der Zeit, denn Fordern können wir lernen. Also übe es. Vor dem Klo-Spiegel, mit einem Kollegen, ins Smartphone, egal wie. Übe Fordern, mindestens einmal im Jahr und je öfter du das trainierst, desto sicherer wirst du.

2. Arbeite niemals umsonst - auch nicht für Freunde

Du lachst mich jetzt bestimmt aus, aber diesen Karriere-Tipp habe ich vor zwei Jahren in einem Karriere-Ratgeberbuch von Carsten Maschmeyer gelesen. Das ist dieser Selfmade-Multi-Millionär, der mit Schauspielerin Veronica Ferres verheiratet ist und mit 24 Jahren schon die erste Million auf seinem Konto hatte. Viele kennen “Maschi” auch aus der Gründer-Show “Die Höhle der Löwen”, wo er als Investor und Juror zur Stammbesetzung gehört.

Der Buchtitel heißt: “Die Millionärsformel” und Maschi beschreibt darin, wie wirklich jeder reich werden kann - komm schon, wer von uns träumt nicht davon? Mir geht es aber auch hier nicht um Geld in barer Münze, sondern um die Anerkennung meiner Leistung. Wenn du als Selbstständiger arbeitest, kannst du bestimmt ein Lied davon singen. Jeder Freelancer kennt die Situation, dass ein Freund ankommt und fragt: “Sag mal, du bist doch Grafiker, richtig? Ich bräuchte für mein Blog noch ein kleines Logo oder so. Kannst du mir mal schnell was machen? Du kannst das doch…”
Wir wissen doch alle, dass alles, was nur ganz klein und ganz schnell gehen soll, in Wirklichkeit immer am Ende viel Aufwand bedeutet. Dasselbe gilt für Arbeitskollegen, die regelmäßig kurz vor Feierabend den Kopf durch die Tür stecken mit der Frage: “Duuu, kannst du mal eben noch kurz über meine Powerpoint-Präsi schauen, die muss morgen früh fertig sein…?”, während unser Computer gerade schon runter fährt.
Wie du aus der Nummer wieder rauskommst? Mach dir klar, dass deine Arbeit wertvoll ist - oder würdest du einen befreundeten Zahnarzt bitten, mal eben schnell eine kostenlose Zahnreinigung zu machen?
Erklär dann den Bittstellern, wie lange dieses “mal eben schnell” wahrscheinlich dauern wird und welchen Preis es hat; vielen Freunden ist überhaupt nicht klar, dass ein Grafiker beispielsweise für ein kleines Logo einen ganzen Arbeitstag braucht.
Das bedeutet nicht, dass du deinen Freunden keinen speziellen “Freundschaftspreis” anbieten können - tu das am besten in Form eines speziellen Rabattes, den du vom vollen Preis abziehst. Dann sehen die Freunde nämlich, welchen Wert deine Arbeit normalerweise hat.
Eine Alternative dazu ist, deine Arbeit zu verschenken - richtig gehört. Wenn ich beispielsweise von Familienmitgliedern gebeten werde, die Einladungskarten für den 60. Geburtstag zu designen und zu texten, dann ist das mein Geschenk. Und in meinem Job handhabe ich es so, dass der Kollege mit der 40-Seiten-Powerpoint-Präsentation mir im Gegenzug für die “kostenlose” Korrekturschleife den blöden Sonntagsdienst abnimmt. Oder beim nächsten Meeting für mich das Protokoll schreibt. Irgendwas zum Tauschen gibt es immer.

3. Such dir regelmäßig Projekte, die du vor die Wand fahren kannst

Doch, das meine ich ernst. Ich plaudere mal ein bisschen aus dem Nähkästchen. Mein größtes Problem ist mein Perfektionismus. Ich will immer alles super machen und feile bei Texten stundenlang, um die allerallerschöste und beste Formulierung zu finden. Das ist natürlich irre anstrengend und bremst mich an anderen Stellen aus, weil mir dann die Zeit fehlt. Tja, innere Antreiber können echt mächtig sein.

Mein Lieblings-Karriere-Trick, den ich mir selbst in diesem Jahr verordnet habe, lautet daher: Sieh schwierige Situationen und vor allem Scheitern als Lerngelegenheit. Ich suche mir jetzt ganz bewusst ab und zu Projekte, die schief gehen dürfen und stürze mich in Aktivitäten, bei denen ich mit einem Fehlschlag rechnen kann, um daraus zu lernen. Mir geht es dabei vor allem darum, Loslassen zu können und mir etwas Nachlässigkeit anzutrainieren.
Vor einigen Monaten, das war Anfang März, wurde ich zum Beispiel gebeten, als Co-Autorin in ein richtig spannendes Buch-Projekt einzusteigen. Gemeinsam mit einem Österreicher, den ich erst ein einziges Mal in meinem Leben live getroffen hatte. Es ging um einen smarten Ratgeber für das Überleben auf dem Schlachtfeld Büro. Klingt total super, mein erster Buchvertrag, wow. Doch das Ganze hat einen riesigen Haken: der Verlag will das Buch noch in diesem Jahr verkaufen und wir sollen das Manuskript Mitte August abliefern. Uff. Ich dachte zuerst, dass sich der Programmchef beim Abgabetermin verschrieben hat und er August 2019 meinte...Meinte er aber nicht.
Außerdem hatte ich gerade die Anfrage von Audible bekommen, die wöchentliche Karriere-Kolumnistin zu werden. Und das, obwohl ich in noch nie einen Podcast gemacht und nur wenige Erfahrungen in diesem Bereich gesammelt habe.
Wenig später trudelte dann noch die Anfrage für einen Live-Vortrag ein - bei einem riesigen Event vor 500 geladenen Gästen - ich sagte zu. Ach ja, das alles natürlich noch on Top zu meinem eigentlichen Vollzeit-Job als Redakteurin beim Handelsblatt.

Es wird dich vermutlich nicht überraschen, dass das Experiment, alles unter einen Hut zu bringen, in die Hose gegangen ist. Ich stellte mir den Wecker jeden Tag ein bisschen früher, um vor der Arbeit am Buchmanuskript schreiben zu können, nutzte die Fahrten zur Arbeit, die täglich gut drei Stunden in Bus und Bahn ausmachen, um an der nächsten Audible-Kolumne zu arbeiten und wenn ich abends aus der Redaktion raus kam, nutzte ich den Feierabend noch bis 21 Uhr oder länge an meinem Schreibtisch zu Hause - entweder, um weiter am Buch zu schreiben oder um die nächste Kolumne aufzunehmen.
Fünf Wochen später wollte ich eigentlich nur noch gleichzeitig schreien, weinen, irgendwas kaputt machen und mich in eine Ecke verkriechen...Der Arbeitsberg wuchs und wuchs, Abgabetermine rückten immer näher und ich brauchte ständig mehr Zeit, die ich gar nicht hatte. Hilfe! Eine Zeit lang versuchte ich wirklich, alles abzuarbeiten - aber dann fasste ich vor ein paar Tagen einen Entschluss. Ich war bereit, zu scheitern - und sagte das Buchprojekt wieder ab. Was für eine Befreiung.

Dieses Projekt war mein Wackelkandidat, für das ich mir von Anfang an selbst die Erlaubnis gegeben hatte, dass es scheitern darf, wenn es trotz aller Disziplin und allem Engagement nicht zu schaffen ist. Die wichtigste Erkenntnis für mich: Ich bin zwar unvollkommen und fehlerhaft - aber trotzdem ein fähiger und wertvoller Mensch. Es muss nicht immer alles wie am Schnürchen laufen. Mir ist nicht der Himmel auf den Kopf gefallen, als ich das Buch wieder abgesagt habe. Ich kann nicht immer perfekt sein. Inzwischen kann ich sogar darüber lachen und denke: Was in aller Welt habe ich mir eigentlich dabei gedacht?
Heute weiß ich: Erfolgreich ist nicht, wer immer alles richtig macht und nie versagt, sondern derjenige, der immer wieder neue Ideen ausprobiert, irrt und daraus seine Schlüsse zieht. Probier verrückte Sachen aus - und erlaube dir zu Scheitern. Du wirst überrascht sein, wie befreiend das ist. So gesehen wünsche ich dir viel Pech!

Audible Original Podcast mit Carina Kontio

Die Kolumnisten - Carina Kontio (Original Podcast)

Wie man aus nervigen Meetings effiziente und durchaus nette Arbeitstreffen macht, was man zu depressiven Kolleginnen auf keinen Fall sagen sollte, wie man reagiert, wenn Kollegen weinen müssen und wie man auf unangemessene Sprüche professionell reagiert, erklärt Carina Kontio jeden Donnerstag in ihrer Karriere-Kolumne. Freuen Sie sich auf persönliche Empfehlungen, sofort anwendbare Tipps und spannende Fakten aus Wirtschaft und Psychologie.

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