Lara Prescotts „Alles, was wir sind“ behandelt viele große Themen: die Rolle der Frau in den USA in den 1950er Jahren, die Frage nach der Loyalität zum Partner unter dem Druck totalitärer Systeme, die Liebe – und das Leben eines russischen Schriftstellers, der vor allem für einen Roman bekannt ist: Boris Pasternak.

Im Tonstudio Das Hörspielstudio XBerg im Berliner Bezirk Kreuzberg geht es weitaus weniger dramatisch zu während der Aufnahmen des Hörbuchs. Hier entsteht die Hörbuchversion, gelesen von der versierten Sprecherin und Schauspielerin Vera Teltz. Und sie liest, manchmal schnell und lauter, manchmal getragen und poetisch - ein bisschen so, wie es den Ländern entsprechen mag, in denen die Geschichte spielt – die USA und die Sowjetunion. „Westen und Osten haben im Buch unterschiedliche Tempi“, sagt Vera Teltz, „der Westen ist quirlig und rasant, der Osten sehr viel langsamer, inwendiger, schwerer.“ Als Sprecher, erklärt sie, könne sie sich die Landschaftskulisse so richtig gut vorstellen. Russland etwa, diese riesige schneebedeckte Weite, die Birken, die Wälder. „Das war so schön“, sagt sie, „dass es so fein geschrieben ist.“

Alles, was wir sind

Autorin Lara Prescott, die übrigens nach der Heldin Lara aus Pasternaks „Dr. Schiwago“ benannt ist, lässt ihre Geschichte im Kalten Krieg der 1950er Jahre spielen, sowohl in den Geheimdienstfluren Washingtons als auch in der Sowjetunion unter Stalin. Es geht um Olga Wsewolodowna Iwinskaja, die Boris Pasternaks Geliebte war, während er an seinem wohl erfolgreichsten Roman schrieb. Olga, Mutter zweier Kinder, wird plötzlich verhaftet, der Verbreitung antisowjetischer Propaganda bezichtigt.

Das Sowjet-Regime will verhindern, dass „Dr. Schiwago“ veröffentlicht wird – das Buch ist eine Ode an freies Denken und Handeln und ist der Sowjet-Elite deshalb ein Dorn im Auge. Doch Olga hält an ihrer Liebe zu Borja, wie sie den großen Schriftsteller liebevoll nennt, fest. Zugleich, auf der anderen Seite der Welt, will die US-Geheimdienstbehörde CIA mit einer einzigartigen Waffe den Widerstand in der Sowjetunion wecken – mit Literatur, mit „Doktor Schiwago“. Für die Mission wird die junge Irina angeworben und von der Agentin Sally ausgebildet. Es beginnt eine gefährliche Hetzjagd auf ein Buch, das den Lauf der Welt verändern soll.

Doktor Schiwago

Was Prescott aufgeschrieben hat, übersetzt Vera Teltz also nun im Tonstudio zusammen mit Tontechnik und viel Know-how. Musste sie das Buch zur Vorbereitung mehrmals lesen? Nein, sagt sie, nicht mehrmals. „Bei der Schauspielausbildung lernst du, das Instrument zu bedienen. Ich verschaffe mir einen Überblick über die Atmosphäre des Buches, über die Charaktere.“ Aber Stimmen übe sie nicht. Das passiere beim Lesen. Oder besser: „Ich lass es passieren, im Rahmen dessen, was sich auch authentisch anhört.“ Wenn sie dann doch mal hadert, versucht sie sich ihr Publikum vorzustellen, die Menschen, die dem Hörbuch mit Begeisterung lauschen werden.

Soweit ist die Produktion allerdings an diesem Septembermorgen in Kreuzberg noch nicht. Vera Teltz sitzt im Studio und liest von dem Druck, unter dem der sowjetische Geheimdienst stand, die Veröffentlichung eines Dr. Schiwago zu verhindern, von den Menschen hinter der Härte des Sowjetregimes und denjenigen, die darunter leiden mussten.

Erschienen ist Dr. Schiwago natürlich trotzdem: 1957 brachte ihn in Italien der Mailänder Verlag Feltrinelli heraus. Eine vom Central Intelligence Agency (CIA) finanziell geförderte russische Ausgabe wurde im August 1958 veröffentlicht, vom niederländischen Mouton Verlag gedruckt. In der Sowjetunion erschien „Dr. Schiwago“ erstmals 1988 – 30 Jahre, nachdem Boris Pasternak unter anderem dafür den Literaturnobelpreis erhielt.

Der Fall Feltrinelli: Kalter Krieg um Doktor Schiwago

Lara Prescotts Debüt-Erfolg

Lara Prescotts Debütroman ist außerdem als Buch erhältlich. Der Roman, erschienen im Aufbau Verlag, stürmt gerade die Bestsellerlisten in den USA und Europa.