Der junge Psychiater Dr. Dalus wird unversehens in den Fall verwickelt, als Oberkommissar Mohrfels seinen ehemaligen Patienten verdächtigt. Dann verschwindet auch noch seine Schwester Marie und Dalus muss alles daran setzen sie zu finden, bevor sie das nächste Opfer wird.

Bevor die Nacht kommt

Dass der Roman jetzt auch bei Audible erscheint, ist für den Autor, der bei uns damals selbst als Hörbuchproduzent gearbeitet hat, ein ganz besonderes Erfolgserlebnis. Vor der Veröffentlichung haben wir Simon in Berlin-Mitte getroffen und uns in der Gegend umgesehen, die in „Bevor die Nacht kommt“ zum heißen Pflaster wird.

Hier geht's zum neuen Krimi "Bevor die Nacht kommt", gelesen von Uve Teschner.

Warum hast du das Berlin der 1920er als Schauort für deinen Roman gewählt?

Mich hat vor allem die politische Wendung jener Zeit interessiert. Mit der Weimarer Republik gab es zum ersten Mal eine Demokratie in Deutschland, nachdem die lange Kaiserzeit vorbei war. Zum ersten Mal kam die Arbeiterbewegung wirklich zum Zug und doch gab es große Ungewissheit über die Richtung in die sich das Land entwickeln wird. Das fand ich total spannend! Schaut man heute auf Länder wie die Ukraine wo so ein Machtkampf ausgebrochen ist, kann man sich kaum vorstellen, dass das hier in Berlin auch mal so gewesen ist.

Kulturell ist in den 20er Jahren auch total viel passiert. In der Kunst sind so viele neue Stile entwickelt worden wie der Dadaismus oder der Expressionismus. Es war wie ein Gärkessel, der irgendwann hochgeht. Das fand ich cool und ich hatte auch das Gefühl man kann sich noch in die Zeit hineinversetzen, weil es nicht ganz so weit weg ist.

Hast du selbst Spaziergänge in Berlin unternommen und dir die Szenen deines Buchs dort ausgemalt?

Auf jeden Fall, also das macht ja auch Spaß sich das alles anzugucken. Was schön ist, ist dass das Internet für Autoren eine wahnsinnige Hilfe ist. Man kann sich zu fast all den Orten die historischen Bilder ansehen. So lernt man auch Berlin nochmal ganz anders kennen.

Psychologie und Psychoanalyse - sind das Themen, für die du dich selbst begeisterst?

Man kann schon sagen, dass ich aus einer Psychologenfamilie komme. Meine Mutter und meine Großmutter haben psychotherapeutisch gearbeitet. Diese Ausrichtung gab es damals ja noch gar nicht wirklich. Das fing mit Freud gerade erst an und dass das so ein kleiner Zweig war, fand ich interessant. Psychiatrien gab es zwar schon, aber das waren damals eher Nervenheilanstalten, mit Eisbädern und Elektroschocks für die Patienten.

Doch auch im kriminalistischen Diskurs gab es damals die ersten Fälle, wo Psychiater als Sachverständige hinzugezogen worden sind. Das war davor gar nicht denkbar. Mörder haben die Todesstrafe gekriegt und da hat niemand sich weiter mit der Frage beschäftigt, warum die nun so sind und tun was sie tun.

Kann man sich diese Leute als die ersten Profiler vorstellen?

Das kann man sich schon so vorstellen. Das war auch der Ansatz mit Dalus, der das ein bisschen verkörpert, obwohl die Kriminalarbeit viel weniger psychologisch war. Doch er ist natürlich mehr mit sich selbst und seinen eigenen Problemen beschäftigt, als das er den Mörder analysiert.

Bist du selbst Krimifan?

Das würde ich nicht sagen. Aber das Genre hat für mich gut gepasst, um der Geschichte in dieser Zeit seine Form zu geben. Auch die Elemente Sex und Gewalt sind für mich legitime Mittel, um ein Publikum anzuziehen. Das sind schließlich beides Bereiche, die in der Gesellschaft sehr eingeschränkt sind, sodass es normal ist, darüber zu fantasieren.

Es gibt aber schon ein paar Krimitautoren, die ich total super finde. Zum Beispiel Stephen King, der zwar ins Fantastische geht, aber eben sehr spannend schreibt. Don Winslow finde ich auch cool. Oder James Ellroy. Raymond Chandler habe ich auch immer gerne gelesen.

Weißt du denn von großen Mordfällen aus dieser Zeit, die sich hier in Berlin zugetragen haben?

Es gab in Deutschland eine ganze Menge solcher Fälle. Hier in Berlin zum Beispiel, gab es einen Mörder mit kannibalistischen Zügen, der immer Knochen in die Spree geworfen hat. Damals hatte die Presse das zunächst total ausgeschlachtet und viel Wirbel erzeugt, was dann irgendwann in den 30ern zu den ersten Selbstbeschränkungen der Medien führte. Aber ja das war auf jeden Fall auch Thema der 20er: Der Frauenmörder, der mehr Tier als Mensch ist, weil er seine Triebe nicht in den Griff kriegen kann.

Wie beherzt wurde denn damals einer Mordserie, der Frauen zum Opfer fielen, wirklich nachgegangen?

Ich glaube nicht, dass solchen Morden per se weniger ernsthaft untersucht wurden, weil es sich bei den Opfern um Frauen handelte. Aber für die Täter war es natürlich einfacher einen bestimmten Typ Frau zu suchen, nämlich oft Mädchen aus armen Verhältnissen, die vom Land in die Stadt zogen und dort in der Anonymität verschwanden. Diese Frauen zählten faktisch zur Unterschicht und es ist durchaus vorstellbar, dass Ermittler solchen Fällen mit weniger Engagement nachgingen. Wenn jedoch ein Serienmörder eine Stadt in Angst und Schrecken versetzt hat, dann hat man schon alles daran gesetzt, den zur Strecke zu bringen.

Hattest du beim Schreiben des Romans auch schon an ein Hörbuch gedacht?

Ja und ich freue mich sehr darüber, weil es für mich ja auch nochmal eine ganz andere Erfahrung ist das Buch zu erleben. Man hat ja beim Schreiben auch die Stimmen der Charaktere im Ohr und das beeinflusst auch die Dialoge. Wir hatten zunächst überlegt, das Hörbuch von zwei Sprechern lesen zu lassen, als Dalus und Mohrfels. Nur kamen wir dann zu dem Schluss, weil es mehr als zwei Erzählperspektiven im Buch gibt.

Wie war es für dich bei der Vertonung deines Buches dabei zu sein?

Ich habe früher ja auch Hörspiel- und Hörbuchregie gemacht, aber wenn es um den eigenen Text geht, war es für mich am besten, mich einfach zurück zu lehnen und zu genießen und den super professionellen Leuten im Studio bei der Arbeit zu zu hören. Man kennt den Text ja nach zahlreichen Überarbeitungsschritten recht gut, dennoch ist es einfach wunderbar mit zu lesen und der Interpretation des Sprechers und den dabei entstehenden Bildern zu folgen.

Dabei stolpert man manchmal über Assoziationen, die man selber beim Schreiben gar nicht hatte. Ein ungekürztes Hörbuch vom eigenen Text zu haben ist ein Privileg, auch weil man den Text so noch mal ganz anders rezipieren kann. Und mit Uve Teschner, der ja einer meiner absoluten Lieblingssprecher ist, bleiben da keine Wünsche offen. Ich freue mich darauf, mir das ganze Hörbuch noch mal in Ruhe zu Gemüte führen zu können!

Wie bist du bei der Entwicklung deiner Figuren vorgegangen?

Jetzt einen Typen zu nehmen, der nur sympathisch ist, geht für mich nicht. Mich interessieren immer Figuren, die auch irgendwas Gebrochenes haben, sodass man das Gefühl hat da gibt es auch innere Spannungen. So einer ist Dr. Dalus. Es ist auch immer interessant zu sehen wie sich die Charaktere weiterentwickeln. Dalus ist bis zum Ende so meine Identifikationsfigur geblieben, aber Mohrfels ist auch Stück für Stück in den Vordergrund gerückt und hatte bald seine eigene Energie, die etwas Solides und Ruhiges vermittelte. Irgendwann hat er eigentlich den Fall zum Ende getragen.

Bist du beim Schreiben also irgendwann den Charakteren gefolgt anstatt andersherum?

Ein bisschen ja, aber ohne, dass die ein totales Eigenleben entwickeln. Man hat ja eine Idee wo die Figuren hinsollen. Manche Szene schreiben sich vielleicht wie von allein, aber der Charakter im Allgemeinen nicht.

Du meintest, dein Buch hat so ungefähr fünf Jahre bis zur Fertigstellung gebraucht. Wie lange hast du dich ausschließlich aufs Schreiben konzentriert?

Bestimmt so die letzten 1,5 Jahre. Aber das ist auch das Tolle. Wenn man erst mal drin ist, vergisst man alles um sich herum. Das war fast wie eine Droge. Da entwickelt sich eine Eigendynamik, der man folgen muss. Um so ein Buch zu Ende bringen, muss man sich irgendwann auch dem Werk unterordnen.

Wie hast du dann letztlich einen Abnehmer für dein Manuskript gefunden?

Ein alter Studienkumpel von mir, mit dem ich früher auch zusammen Radio gemacht habe, ist inzwischen Literaturagent. Dem habe ich 100 Seiten geschickt, die er an drei Lektoren weitergeleitet hat. Und Rowohlt hat’s dann gefallen. Was ich voll geil fand, denn das ist mein Lieblingsverlag. Außerdem schreibt man ja auch ziemlich lange, ohne zu wissen, für wen man das eigentlich tut.

Hier geht's zum Hörbuch "Bevor die Nacht kommt" von Simon Jaspersen, gelesen von Uve Teschner.