Da stand ich nun also in meinem Schlafzimmer, meine Füße fanden gerade so noch Platz auf dem Laminatboden, auf dem ich fein säuberlich all meine Schuhe aufgereiht hatte – und mit alle meine ich wirklich: alle. Flipflops, Winterstiefel, Highheels, Slipper, Pumps, Sneaker, Wanderschuhe, Pantoffeln …

Marie Kondo hat mir dazu geraten. Marie hat gesagt – oder besser: geschrieben –, ich solle alle Gegenstände aus einer Kategorie auf einem Haufen sammeln, um mir einen besseren Überblick darüber verschaffen zu können, wie viel ich davon überhaupt besitze, bevor ich sie dann aussortiere. Und was Marie mir sagt, das mache ich auch. Ich bin ihm nämlich erlegen: dem Marie-Kondo-Hype.

Die KonMari-Methode: ein Trend geht um die Welt

Aber noch einmal von vorne: Als der Aufräum-Ratgeber „The Life-Changing Magic of Tidying Up: The Japanese Art of Decluttering and Organizing” von Kondo Mariko, wie ihr richtiger Name lautet, im Jahr 2014 in den USA herauskam, war er in Japan und Europa längst ein Bestseller, die Autorin der weltweit erste Superstar des Aufräumens. In Amerika, dem Land der Statussymbole und Storage-Units, schnellte das Buch der zierlichen 34-Jährigen nur so auf die Bestseller-Listen.

Neuen Schwung bekam der KonMari-Hype Anfang dieses Jahres, als auf Netflix „Aufräumen mit Marie Kondo“ herauskam. In der Serie besucht die sympathische Japanerin – mit einer ebenso sympathischen Dolmetscherin im Gepäck – amerikanische Familien, die mit ihrem ganzen Krimskrams kein bisschen mehr zurechtkommen.

Der Hype um Aufräum-Ratgeber

So weit, so erfolgreich. Bis zu dem Zeitpunkt hatte ich, ordnungsliebend und dem Aufräumen prinzipiell nicht abgeneigt, zwar viel von dem Werk gehört, es aber selbst weder gelesen noch gehört. Als ich dann jedoch die erste Folge der Aufräum-Serie sah, war es um mich geschehen. Ich musste das Buch haben.

Es ist nämlich so: Wenn Bücher und Hörbücher dermaßen gehypt werden, muss ich einfach wissen, was das Geheimnis ist. Manchmal habe ich mir dann die ersten paar Minuten eines Hörbuchs angetan, nur um es danach wieder ad acta zu legen.

Bei Marie und mir jedoch war es anders. Schon nach den ersten Minuten holte mich mir einen Highlighter, dann einen Notizblock und Stift – so sinnvoll erschien mir das, was die Japanerin empfahl. Marie durchschaute mich sofort und entkräftete all meine üblichen Ausreden („In das Top passe ich sicher irgendwann wieder rein!“ oder „Das Buch lese ich bestimmt noch!“) mit ein paar wenigen Worten.

Das Marie-Kondo-Prinzip: Was bereitet mir Freude?

Es kribbelte mir regelrecht in den Fingern, endlich mit dem Aufräumen loszulegen – natürlich nach der KonMari-Methode! Heißt: In einer gewissen Reihenfolge alle Gegenstände meines Haushalts auszumisten. Obwohl ausmisten das falsche Wort ist. Bei Marie geht es darum, nur Dinge zu behalten, die einem Freude bereiten – „that spark joy“. Bevor ein Gegenstand entsorgt wird, bedankt man sich bei ihm für seine guten Dienste.

Meine plötzliche Begeisterung fürs Aufräumen – und das Bedanken – kamen mir ehrlich gesagt etwas albern vor. Aber genau dieser positive Ansatz war es letztendlich, der mir gefallen hat: Statt wegzuwerfen, was ich nicht mehr leiden konnte, behielt ich, was mir gefiel. Nach ersten Erfolgserlebnisse bei dem Aussortieren meiner Klamotten gab es kein Halten mehr: Ich mistete meine gesamte Wohnung aus.

Gründlich aufräumen mit System

Der Kleidung und den Schuhen folgten Bücher, Vasen, Dokumente, einfach alles. An Maries Vorgabe, alle Gegenstände aus einer Kategorie auf einen Haufen zu werfen, bevor ich mich ans Ausmisten machte, hielt ich mich strikt. Sie wirkte nämlich wie eine Schocktherapie. All meine Schuhe auf einem Haufen zu sehen führte mir zum Beispiel wirkungsvoll vor Augen, dass ich echt viel zu viele habe (das ich das einmal sagen würde!) und noch dazu sehr viele, die ich weder anziehe, noch sonderlich schön finde. Tja, das saß.

Umso befriedigender war es dann, sich bei den Schuhen zu bedanken, die ich zwar nur ein einziges Mal angezogen habe, in denen ich aber dieses eine Mal ganz fabelhaft aussah – und sie schnurstracks in einen der zahlreichen Säcke mit aussortiertem Kram zu befördern.

Aufräumen ist ja gerade auch deshalb ein so attraktives Konzept, weil es einem das Gefühl von Kontrolle gibt. Und nichts ist befriedigender, als Kisten und Säcke voller Zeug zu sehen, von dem man sich trennen will, und zu wissen, dass das eigene Zuhause jetzt ein Stück weit ordentlicher geworden ist. Wenn wir schon im Weltgeschehen, im Großen, gefühlt kaum etwas in Ordnung bringen können, dann doch wenigstens im Kleinen.

Marie Kondo Hörbuch

War das Buch jetzt wirklich „life-changing“, wie der englische Titel so verheißungsvoll versprochen hat? Zugegeben, das wage ich zu bezweifeln: Aus mir ist kein krasser Minimalist geworden, der sein Hab und Gut in zwei Sporttaschen unterbekommt (soll es geben!). Aber ich kaufe bewusster ein, frage mich bei jedem Teil, ob der Funke Glück wirklich überspringt. Nach ebenjenem Funken halte ich öfter Ausschau, freue mich bewusster über die Dinge, die meine Wohnung noch zieren und zögere nicht mehr, Dinge auszusortieren, die mir keine Freude bereiten.

Wie richtiges Aufräumen ihr Leben verändert
Wie Wohnung und Seele aufgeräumt bleiben

Auch hörenswert

Mittlerweile gibt es so viele Bücher zur Selbsthilfe und Selbstoptimierung. Neben Marie Kondō findet ihr noch einen 2. Weltbestseller aus Japan (2019):

Du musst nicht von allen gemocht werden