Der Briefroman fasziniert Leser bereits seit vielen Jahrhunderten. Kein Wunder, denn in ihm spricht sich der Erzähler frei aus, ohne Rücksicht auf irgendjemanden außer den Adressaten nehmen zu müssen. Dadurch entstehen beim Leser Gefühle der Vertrautheit und tiefer Verbundenheit zum Protagonisten.
Der Ursprung des Briefromans
Wann genau der erste Briefroman verfasst wurde, lässt sich nur schwer bestimmen. Jedoch steht fest, dass schon Schriftsteller der Antike auf diese literarische Darstellungsform zurückgriffen. Spätestens seit dem 13. Jahrhundert lassen sich direkte Vorläufer der Gattung finden. So zum Beispiel in Jean de Meungs "Roman de la Rose", der vom Briefwechsel zwischen Abelard und Heloise erzählt. Beispiele für frühe Briefromane sind auch die Texte des spanischen Dichters Jean de Segura "Proceso de cartas de amores" von 1548 und des italienischen Schriftstellers Luigi Pasqualito "Lettere amorose" aus dem Jahr 1602.
Seine Blütezeit erlebte der Briefroman in Europa im frühen 18. Jahrhundert. Vorreiter der literarischen Trendwende waren die Texte des englischen Autors . Prägend für die Briefromanmode war jedoch vor allem autobiografische Liebesgeschichte "La Nouvelle Héloïse" aus dem Jahr 1761.
Den prominentesten Vertreter der Gattung markiert jedoch mit Abstand Briefroman Die Leiden des jungen Werthers. Erstmals 1774 veröffentlicht, erzählt der Roman in insgesamt 92 Briefen von den wichtigen Geschehnissen aus dem Leben Werthers. Die Briefe richten sich dabei an seinen guten Freund Wilhelm.
Im späten 19. Jahrhundert ging die Popularität des Briefromans jedoch zurück. Erst durch moderne Autoren wie beispielsweise Zsuzsa Bánk oder Daniel Glattauer erlebte die Gattung eine Renaissance in Form von modernen E-Mail-Romanen.
E-Mail-Roman: Die Renaissance des Briefromans
Der E-Mail-Roman stellt eine abgewandelte und moderne Form des klassischen Briefromans dar. Auf elektronischem Weg werden Briefe zwischen einem oder mehreren Erzählern ausgetauscht. Wichtige Vertreter der Gattung sind unter anderem Viktor Sklovskij, Ricarda Huch, Zsuzsa Bánk, Gabriele Farke oder jüngst auch Daniel Glattauer.
Einer der bedeutendsten Autoren moderner E-Mail-Romane ist der österreichische Schriftsteller . In seiner modernen Version eines Briefromans Gut gegen Nordwind landen in Leos Postfach irrtümlich E-Mails einer ihm unbekannten Absenderin namens Emmi. Aus Höflichkeit antwortet er ihr. Und weil sich Emmi von Leos Worten angezogen fühlt, beschließt sie, zurückzuschreiben. Schnell entsteht ein reger Austausch und auch die großen Gefühle lassen nicht lange auf sich warten. Vor einem Treffen abseits der virtuellen Welt aber schrecken beide zurück. Denn Emmi ist verheiratet und Leo steckt in einer gescheiterten Beziehung.
Mit dem Folgeband schickt Glattauer die virtuelle Liebesgeschichte zwischen seinen Hauptfiguren Leo und Emmi in die nächste Runde.