Marcus Renken sieht aus, als sei er aus der Zeit gefallen, als er an diesem Abend in einem Apartment in der Berliner Chausseestraße Influencer wie Anuthida Ploypetch und ihren Freund Richard Koll, Vreni Frost oder Masha Sedgewick vor seiner Kamera inszeniert. In Knickerbockern mit Hosenträgern steht er neben dieser Kamera. Und die ist nicht zu übersehen: quadratisch und auf mehr als ein Meter hohen Stelzen. Die Großbildkamera selbst steht in der Höhe eines Bildbandes und der Breite eines ausgezogenen Akkordeons selbstbewusst im Raum.

2016 hat der Hamburger Fotograf angefangen, sich intensiv mit dieser Fotografietechnik auseinanderzusetzen. Ambrotypie nennt sich das Verfahren, an dessen Ende der Kunde nicht ein Foto, sondern eine Glas- oder Metallplatte (in letzterem Fall nennt man es übrigens Ferrotypie) mit seinem Konterfei in den Händen hält – ein Kunstwerk, das sich nicht reproduzieren lässt. Der Name Ambrotypie leitet sich ab vom griechischen Wort „ambros“, unsterblich. Und zwar deshalb, weil bei diesem Direktpositiv-Verfahren kein Negativ erzeugt wird, dass bei Bedarf zur Herstellung weiterer Abbildungen hergezogen werden kann. Hier gibt es nur eine Abbildung und die ist ein Unikat.

Das perfekte Foto dauert länger

Deshalb müssen sich die Influencer des Jahres 2019, die es gewohnt sind, schlechte Digitalshots auszusortieren und so oft auf den Auslöser zu drücken, bis das perfekte Foto dabei herauskommt, auch auf die Anweisungen von Marcus Renken hören. Der Fotograf leitet sie auf charmant-hanseatische Art an, damit die Unikate auch zum ansehnlichen Kunstwerk werden.

Eineinhalb Jahre, sagt Marcus Renken, hat es gedauert, bis er sich mit der Technik vertraut genug fühlte, um Kunden seine Dienste anzubieten. Für Audible hat er bereits die Stars des Audible Originals Die juten Sitten vor der Kamera gehabt, die im Look der 1920er Jahre in ihre Figuren schlüpften: Jeanette Hain als Hollywood-Diva Hedi, Edin Hasanovic als Gigolo Fritz, Saskia Rosendahl als Hure Colette und Natalia Belitski als Domina Natalia.

Konzentriert in Pose

Auch für sie galt: Konzentriert in Pose halten, wenn der Blitz die Szene erleuchtet – und damit die Glas- oder Metallplatte, die Marcus Renken in der Kamera benutzt. Sie sind die Grundlage des Fotos, wenn man so will, das Papier. Auf die Platten wird eine iod- und bromsilberhaltige Kollodiumschicht aufgetragen – das Glas noch mit einem dunklen Stoff hinterlegt. Durch den dunklen Untergrund erscheint das Negativ dann als Positiv. Danach müssen die Platten sehr schnell entwickelt werden.

Entstanden ist das Ambrotypie- Verfahren übrigens Mitte des 19. Jahrhunderts. In den 1920er Jahren gab es natürlich auch schon andere Kameras. Filmkameras, etwa, die genutzt wurden, um Stummfilme zu drehen und die Gesichter von Greta Garbo und Marlene Dietrich unvergesslich zu machen.

Doch das 1920er-Jahre-Feeling kommt an diesem Abend in der Chausseestraße trotzdem auf – vor allem bei den Aufnahmen der „ersten Polaroids“, wie Marcus Renken es nennt. Denn es erlaubt den Influencern sich einzufühlen in eine nicht-digitale Zeit, die langsamer war, in der auch die Aufnahme eines Fotos länger dauerte und mehr Präzision erforderte.

Die juten Sitten

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