Das Erbe der Elfen

"Das Fantasygenre wird immer vielfältiger."

Wer ist der osteuropäische Autor, der bereits vor über einem Vierteljahrhundert eine Fantasy-Saga begonnen hat, die immer mehr Hörer findet? Der polnische Autor Andrzej Sapkowski hat sich unseren Fragen gestellt.

Witcher-Autor Andrzej Sapkowski im Interview

Was mögen Sie selbst an Geralt am meisten?

Der Hexer Geralt ist eine fiktive Figur, dazu erschaffen, der Geschichte zu dienen, die sich um ihn herum entspinnt.

Ein Autor mag seine Figuren, wenn sie der Geschichte dienen. Wenn das nicht der Fall ist oder ihm die Figur fehlerhaft erscheint, dann hat der Autor seine Arbeit nicht gut gemacht. Oder er ist schizophren. Oder beides.

Das Erbe der Elfen erschien bereits vor fünfundzwanzig Jahren. Während viele Bücher, die seither erschienen sind, wieder in Vergessenheit gerieten, begeistert der Hexer bis heute die Leser. Wie kommt das?

Nun, es gibt da dieses Sprichwort: habent sua fata libelli - Bücher haben ihre Schicksale. Der Rest ist Schweigen.

Wie viel wussten Sie über die Welt des Hexers, als Sie mit dem Schreiben über ihn begannen?

Wie viel ich wusste? Nichts.

Die ersten Abenteuer von Geralt waren Kurzgeschichten. Man erschafft keine Welten für Kurzgeschichten. In ihnen gibt es - sowohl im wörtlichen als auch im übertragenen Sinn - keinen Platz dafür.

Später, als meine Geschichten zu Romanen anwuchsen, wurde ein kohärenter Hintergrund unerlässlich. Und langsam, Schritt für Schritt, tat sich etwas auf, dass einem Universum ähnelte.

Aber, das möchte ich betonen, dabei handelt es sich nur um den Hintergrund für die Geschichte, und der spielt eine untergeordnete Rolle.

Der letzte Wunsch

Haben Sie THE WITCHER auf Netflix gesehen?

Natürlich. Und zwar bereits schon viel früher als der Rest der Welt. Ich habe einen besonderen Zugangscode samt Passwort erhalten.

Ziehen filmische Adaptionen gegenüber der Buchvorlage nicht immer den Kürzeren?

Richtet nicht, auf daß ihr nicht gerichtet werdet. Matthäus 7.1.

Magische Spiegel, eine "Hans mein Ingel"-artige Figur, Lampengeister - Ihre Kurzgeschichten bedienen sich vieler märchenhafter Elemente. Wie kam das?

Eines der Subgenres der Fantasy - es gibt sieben - nennt man "die Nacherzählung".
In ihr geht es darum, klassische Märchen, Fabeln, Legenden oder Mythen neu zu erzählen. Die Erzählungen sind anders: verändert, modifiziert, manchmal sogar auf perverse Arten verdreht.

Dies ist keine Erfindung von mir. Ich habe eine klassische Technik genutzt.

Welches Monster aus der slawischen Mythologie ist Ihr Liebling?

Als Kind habe ich mich am meisten vor der Baba Yaga gefürchtet, die kinderfressende Hexe. Und die Monster, die ich am meisten mochte, waren die Rusalkas.

Inzwischen bin ich kein Kind mehr und bevorzuge niemand. Und nichts.

Was macht eine Kurzgeschichte für LeserInnen und AutorInnen attraktiv?

Isaac Asimov hat gesagt, dass eine Kurzgeschichte eine gerade Linie ist, während eine Novelle oder ein Roman eine Ebene ist.

In einer Kurzgeschichte gehen Autor und Leser direkt von Punkt A nach Punkt B. In einem Roman bewegt man sich in viele verschiedene Richtungen.

Beides hat seine Vorteile. Und Nachteile. Es hängt davon ab, was der Autor - oder der Leser - mag oder eben auch nicht.

Und wieso haben Sie sich dazu entschlossen, Ihre Saga zu Romanen auszuweiten?

Das hat genau damit zu tun, was ich gerade sagte. Es war eine natürliche Konsequenz.

Es kam der Punkt, an dem mich der Umfang einer Kurzgeschichte zu sehr einschränkte. Ich sehnte mich danach, die gerade Linie zu verlassen und über eine weite Ebene zu reiten.

Zeit des Sturms

Welche Bücher mochten Sie selbst als Kind?

Als Kind war ich – wie meine Eltern - ein sehr eifriger Leser. Zu Hause hatten wir Massen von Büchern. Meine Eltern ermutigten mich zum Lesen. Bücher haben in meinem Leben immer eine wichtige Rolle gespielt - bis heute.

Pro Jahr lese ich ungefähr vierzig Bücher.

Warum schreiben Sie?

Ich bin mir nicht sicher. Ich schiebe es mal auf die Muse. Sie ist wahrscheinlich Schuld.

Planen Sie noch immer, einen weiteren Prequel-Roman zur Hexer-Saga zu schreiben, ähnlich Zeit des Sturms?

Meine Pläne lege ich nicht offen. Geduld, bitte.

Wie hat sich das Fantasy-Genre Ihrer Meinung nach in den letzten fünfundzwanzig Jahren verändert?

Es wird immer populärer und gewinnt dadurch neue Leser.

Eine größere Nachfrage zieht ein größeres Angebot nach sich. Mehr und mehr Autorinnen treten in Erscheinung. Dadurch wird das Genre auch inhaltlich vielfältiger.

Wenn Sie ein paar fiktive oder historische Personen zum Abendessen einladen könnten, für wen würden Sie sich entscheiden?

Für Ernest Hemingway und Umberto Eco. Für mich sind das die besten Autoren, die es jemals gab.

Vielen Dank!

Mehr über den Hexer und seine Geschichte verraten wir euch in diesem Artikel.

Foto: Wojciech Koramowicz