Hanni, Sie haben heute schon fleißig geschrieben. Woran arbeiten Sie gerade?
Ich schreibe wieder an einem Roman, der in der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg spielt. Es geht um Widerstand, um starke Frauen, um Familie, Liebe und Glück – Themen, die mich bewegen. Es wird eine eigenständige Geschichte, die in Westpommern, Berlin und Paris angesiedelt ist. Die Menschen in meinem Roman sehen und spüren die Vorzeichen des Krieges. Während der eine versucht, einfach zu überleben, weiß der andere die Entwicklungen für sich zu instrumentalisieren und schwimmt auf einer Erfolgswelle, bis das dicke Ende kommt. Damit möchte ich nachvollziehen, wie leicht Menschen zum Mitläufer werden und wie schwer es ist, Widerstand zu leisten. Mich beschäftigen die Fragen: Wie hätte ich reagiert, was hätte ich damals getan?
Sie haben einen familiären Bezug zum Thema.
Meine Familie stammt mütterlicherseits aus dem Sudetenland, also dem früheren Schlesien. Väterlicherseits habe ich Vorfahren aus dem osteuropäischen Raum, die im dritten Reich gelitten haben. Mein Großvater musste seine Heimat mit seinen fünf kleinen Kindern und seiner kranken Frau verlassen, die kurz darauf starb. Wie Millionen andere Flüchtlinge oder Vertriebene kamen sie mit einem Leiterwagen und mit nicht mehr als dem, was sie auf dem Leib trugen, hier an. Sie hatten alles verloren und begannen bei null. Das ist eine lange nachwirkende psychische Narbe, die auch die nachfolgenden Generationen noch spüren.
In Ihrem aktuellen Buch, „Solange es Liebe gibt“, geht es um zwei Frauen, die Enkelin und Großmutter sind. Die Großmutter hat eine Schuld auf sich geladen, unter der die Enkelin leiden muss, ohne zu wissen, was genau damals geschehen ist. Ist das ein Lebensthema für Sie?
Ja, das ist das Erbe, das wir in uns tragen. Die Frage ist immer: Wie gehen wir mit dieser Schuld um? Können wir sie verdrängen, wie es unsere Großeltern getan haben? Unseren Großeltern blieb nichts anders übrig, als nach vorn zu schauen, sie mussten ihre Kinder großziehen. Das ist, was alle Eltern tun: Sie versuchen, Leid von ihren Kindern fernzuhalten. Mich beschäftigt die Frage, ob die Schuld unserer Großeltern noch unsere Schuld ist. Ich denke nein. Unsere Verpflichtung gilt unseren Kindern und Enkeln. Der Zukunft. Wir tragen Verantwortung dafür, dass sich die Geschichte nicht wiederholt. Aber manche Menschen tragen ein so schweres Paket mit sich, dass sie selbst auf ihrem Weg nicht vorankommen.